Der UEFA-Sperre zum Trotz

Von Christian Schmidt
Seung-Woo Lee kam bislang für den FC Barcelona neunmal in der UEFA Youth League zum Einsatz
© getty

Seung-Woo Lee wurde bereits als Südkoreas Antwort auf Lionel Messi gefeiert, zuletzt geriet die Karriere des Nachwuchsspielers beim FC Barcelona aber ins Stocken. Ein Wechsel könnte nun den erhofften Karrieredurchbruch bedeuten, der FC Schalke und Borussia Dortmund werden als mögliche Interessenten gehandelt.

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Xavi Hernandez gilt beim FC Barcelona als lebende Legende, dessen Wort bei den Katalanen nach wie vor enormes Gewicht besitzt. Aus seinem Altersdomizil bei All-Sadd in Katar kann der Mittelfeldspieler auf die beeindruckende Anzahl von 743 Pflichtspielen für den viermaligen Champions-League-Sieger zurückblicken, der 37-Jährige hat nahezu alles erlebt und gesehen im Laufe seiner titelreichen Karriere. Auch die Spieler aus der vereinseigenen Nachwuchsakademie sind dem langjährigen Nationalspieler bestens vertraut, was ihn Ende 2016 zu folgender Prognose veranlasste: "In ein oder zwei Jahren wird Lee bei den Profis spielen. Da bin ich sicher."

Die Rede war von Seung-Woo Lee, der in der abgelaufenen Saison für die A-Jugend des FC Barcelona auflief. Lees Karriere geriet zuletzt jedoch ins Stocken, Xavis Prognose scheint sich zumindest für den angegebenen Zeitraum nicht zu erfüllen. Dabei war dem Flügelmann in jungen Jahren bereits eine große Karriere beschienen worden, er galt als Südkoreas Antwort auf Lionel Messi.

Geburtsstunde des südkoreanischen Lionel Messi

Bereits im Alter von 12 Jahren hatte Lee die Wahl zwischen mehreren europäischen Spitzenklubs, nachdem er sich beim Danone Nations Cup in die Notizbücher zahlreicher Topvereine gedribbelt hatte. Den Zuschlag erhielt schließlich der FC Barcelona, der unter anderem dem ungeliebten Rivalen aus der Hauptstadt das Nachsehen gab. Auch in "La Masia", der legendären Nachwuchs-Akademie der Katalanen, schien sich der Flügelspieler auf Anhieb zurechtzufinden.

Slalomartige Dribblings durch gegnerische Abwehrreihen bei einer gleichzeitig eher unscheinbaren Statur zogen schon bald Vergleiche mit Lionel Messi nach sich. Als 13-Jähriger erzielte Lee, meist als linker Flügelspieler aufgeboten, in 29 Spielen 39 Tore und brach damit den Rekord in seiner Altersklasse. Dieser wurde bis dahin ausgerechnet vom fünfmaligen Weltfußballer Messi gehalten. Lees Weg in den Profifußball schien vorgezeichnet, doch ein folgenschweres UEFA-Urteil sollte dem Südkoreaner bei seinem Aufstieg zum Toptalent dazwischen grätschen.

Zwei Jahre lang kein Pflichtspiel-Einsatz

Die UEFA klagte den FC Barcelona 2014 für die Transfers minderjähriger Spieler an. Neben dem Verein, der in der Folgezeit keine Transfers in den Wechselperioden tätigen durfte, waren auch die zuvor verpflichteten Jugendspieler die Leidtragenden. Lee durfte fortan bis zu seiner Volljährigkeit kein Pflichtspiel mehr für die Nachwuchs-Mannschaften der Blaugrana bestreiten. Zwei Jahre lang arbeitete der Südkoreaner im Training und in Freundschaftsspielen an seinem Traum vom Fußballprofi, einzig unterbrochen von gelegentlichen Pflicht-Einsätzen für die südkoreanischen Auswahlmannschaften.

Als Lee am 6. Januar 2016 nach langer Wartezeit endlich seinen 18. Geburtstag feiern konnte, frohlockte er: "Auf diesen Tag habe ich mich so sehr gefreut. Ich hoffe, dass ich jetzt ohne Verletzungen bleibe, mein altes Niveau schnell wieder erreiche und meinen Teamkollegen auf dem Platz helfen kann."

In seinem ersten Spiel in der UEFA Youth League war Lee prompt mit einem Treffer zur Stelle, trotz zweijähriger Sperre schien er sein Talent gleich wieder auf hohem Niveau unter Beweis stellen zu können. Auch in der abgelaufenen Saison kam er in diesem Wettbewerb auf sieben Einsätze, just im Halbfinale gegen den späteren Sieger RB Salzburg war für den Offensivmann jedoch kein Platz in der Mannschaft. Lee musste die Niederlage 90 Minuten lang tatenlos von der Bank aus mitansehen.

Fehlende Spielpraxis macht sich bemerkbar

Zwar hat Lee nach wie vor spektakuläre Dribblings und einen schnellen Antritt im Repertoire, die fehlende Spielpraxis über zwei Jahre hinweg macht sich beim Südkoreaner jedoch immer wieder bemerkbar.

Zu oft verzettelt sich der Flügelspieler im Eins-gegen-eins und verpasst den richtigen Moment zur Ballabgabe. Auch körperlich muss Lee für einen Durchbruch im Profifußball noch deutlich zulegen, zu häufig steht er gegen körperlich robuste Gegenspieler noch auf verlorenem Posten.

Ende 2016 lobte Ji-Sung Park gegenüber FourFourTwo den Südkoreaner zwar als einen "der besten jungen Spieler in Asien", bei dem es Spaß mache ihm zuzusehen, die Vergleiche mit Lionel Messi zieht aktuell aber keiner mehr. Während der Argentinier im gleichen Alter bereits auf 14 Saisontore in der Primera Division und Einsätze in der Champions League zurückblicken konnte, steht für Lee neben den Spielen in den Nachwuchs-Teams gerade einmal ein Einsatz in der zweiten Mannschaft zu Buche.

U20-WM als Karriere-Sprungbrett?

Nachdem es um den Youngster zwischendurch ziemlich ruhig geworden war, rief sich Lee im vergangenen Mai bei der U20-WM in seinem Heimatland wieder nachhaltig ins Gedächtnis. In der Gruppenphase steuerte er zwei Tore und eine Vorlage bei und sorgte so für den Achtelfinaleinzug Südkoreas. Die starken Leistungen sind auch den zahlreichen Scouts auf der Tribüne nicht verborgen geblieben, unter anderem sollen der FC Schalke und Borussia Dortmund ihre Fühler nach dem Talent ausgestreckt haben.

Lees Berater bestätigte unlängst gegenüber dem katalanischen Radiosenders RAC1 das Interesse der beiden Bundesligisten: "Es ist richtig, dass vier Teams, inklusive Dortmund und Schalke, ihre Absicht zum Ausdruck gebracht haben, Seung-Woo Lee zu verpflichten." Auch Bayer Leverkusen wurde von verschiedenen Medien als möglicher Interessent ins Gespräch gebracht. Vor einem möglichen Wechsel zu einem anderen Verein steht Lee jedoch vor der Frage, ob er bei den Katalanen einen Profivertrag für die zweite Mannschaft unterschreiben soll.

Dies würde seine Ablösesumme Medienberichten nach auf zwölf Millionen Euro ansteigen lassen, als A-Jugendlicher würde sich diese Summe nur auf drei Millionen belaufen. Wahrscheinlicher als ein millionenschwerer Transfer erscheint jedoch eine Ausleihe des Offensivspielers, der bei einem der interessierten Vereine erste Erfahrungen und Spielpraxis im Profibereich sammeln könnte. Damit Xavis Prophezeiung vielleicht eines Tages mit Verspätung doch noch in Erfüllung geht.

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