Blaugrana vor Neid

Ben Barthmann
12. Juli 201712:58
Der FC Barcelona muss sich Kritik an seiner Jugendarbeit in La Masia anhörengetty
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Der große FC Barcelona stolpert mehr schlecht als recht über den sommerlichen Transfermarkt. Der Blick nach Madrid verbietet sich eigentlich, doch macht Real dem Erzrivalen vor, wie es richtig geht.

"Schauen Sie, ich weiß nichts dazu, wo James spielt. Aber er hat eine gute Weltmeisterschaft gezeigt und wollte hierher kommen", sagte ein gewisser Florentino Perez im September 2014. Einige Wochen zuvor hatte sein Klub 75 Millionen Euro für James Rodriguez auf den Tisch gelegt und dafür Leistungsträger Angel di Maria verkauft.

In Barcelona lachte man damals über die offensichtliche Ahnungslosigkeit von Perez. Jahre später wird die Führung der Katalanen den Blick nach Madrid möglichst vermeiden. Die seit 36 Tagen laufende Transferperiode ist bisher alles andere als eine Erfolgsgeschichte für den Vizemeister der zurückliegenden Saison in der Primera Division.

Nach einer sportlich enttäuschenden Spielzeit sollte im neuen Fußball-Jahr alles besser werden. Ernesto Valverde wurde als Cheftrainer installiert, konnte aber nur wenig Begeisterung entfachen. Transfers waren nun die große Hoffnung, dem Kader ein neues Gesicht zu verschaffen und das Image ein wenig aufzupolieren.

Wegweisender Sommer für Barca

Der FC Barcelona steht eigentlich vor einem wegweisenden Sommer. Es muss auf der einen Seite langfristig gedacht werden und manche Position für die nicht mehr so ferne Zukunft verstärkt werden, gleichwohl gibt es zwei große Baustellen im Kader, die zweifelsfrei große Investitionen benötigen.

Auf der Position des Rechtsverteidigers wird seit Jahren dringend ein konstanter und zuverlässiger Spieler gesucht. Erst wurde ein Backup für Dani Alves benötigt, seit dessen Wechsel zu Juventus Turin sucht man händeringend nach einer Stammbesetzung für diese Position. Die Verantwortlichen bauten auf Sergi Roberto und Aleix Vidal, die hohen, aber nicht sehr hohen Ansprüchen genügten.

Die zweite Planstelle im Kader ist die Acht im Mittelfeld. Andres Iniesta und Ivan Rakitic gehen - jeder auf seine Weise - dem Ende ihrer Zeit in Barcelona entgegen, ein echter Ersatz findet sich nicht im Kader. Andre Gomes erlebte eine enttäuschende erste Saison, andere Spieler mit den erforderlichen Fähigkeiten sind nur bedingt vorhanden.

Spieler wie Rafinha, Denis Suarez oder Arda Turan können dort spielen, erfüllen aber nicht höchste Ansprüche. Turan war ein Kauf des Präsidenten Josep Maria Bartomeu, um seine Kampagne zur Wiederwahl zu stärken, bei Suarez verpflichtete man auf gut Glück ein Talent, für das es im Kader keine Rolle gab.

Enrique sah kaum nach La Masia

Barcelona sucht auf seinen ersten Positionen nach dem Prädikat "Sehr Gut" bis "Weltklasse", nicht nach lediglich "guten" Spielern. Das erfordert Geld oder eine langfristige Planung. Ersteres haben die Katalanen, im Vergleich zur Konkurrenz der Top-5-Vereine, nicht in ausreichenden Mengen, eine langfristige Planung existiert ganz offensichtlich ebenso nicht.

Nicht nur, dass Ex-Trainer Luis Enrique kaum einen Blick auf den eigenen Nachwuchs warf, auch potentielle Stammspieler der Zukunft finden sich kaum auf der Spielerliste des Klubs. Man mag argumentieren, dass aus La Masia in den letzten Jahren keine Spieler des Kalibers Lionel Messi oder Sergio Busquets kamen, gleichwohl gibt es aber andere Lösungen.

Während sich die Konkurrenz Talente früh sichert und durch Leihgeschäfte aufbaut, hat Barcelona nur Restposten verliehen. Mit Douglas, Munir El Haddadi, Sergi Samper und Thomas Vermaelen kehren vier Spieler von Leihen zurück, die verkauft werden sollen. Cristian Tello wurde schon abgegeben.

Über Jesus Vallejo bis Marco Asensio

Der Blick aus Barcelona in Richtung Real verbietet sich eigentlich. Gerade in diesem Sommer könnte eine Anregung dem Klub allerdings gut tun. Nicht nur, dass die Führung der Königlichen Trainer Zinedine Zidane eine herausragende Zusammenstellung an Spielern und einem jeweiligen Backup zur Verfügung stellte, auch die Jugendarbeit läuft dort inzwischen sehr gut.

Jesus Vallejo konnte sich bei Eintracht Frankfurt weiterentwickeln und übernimmt für Pepe. Marcos Llorente kehrt von seiner Leihe als Stammspieler der U21-Nationalmannschaft zurück und wird Backup von Casemiro. Marco Asensio wird als vierte Offensivkraft aufgebaut, Theo Hernandez kommt von Atletico Madrid und soll früher oder später von Marcelo übernehmen.

Junge Spieler, allesamt Spanier (oder im Fall Theo seit Jahren in Spanien), allesamt Leistungsträger in den U-Nationalmannschaften ihres Landes. An drei von vier Spielern war der FC Barcelona nachweislich ebenfalls interessiert, in keinem der Fälle erhielten die Katalanen aber den Zuschlag. Mit Dani Ceballos scheint sich der nächste Fall anzubahnen.

Verratti ein neuer Thiago Silva?

Letzte Medienberichte sprechen davon, dass Ceballos, Spieler des Turniers bei der kürzlich ausgetragenen U21-EM in Polen, vor einem Wechsel nach Madrid steht. Kostenpunkt: 15 Millionen Euro per Ausstiegsklausel. Er wäre ein Kandidat für die Acht, vielleicht nicht gleich, aber definitiv perspektivisch.

In Barcelona hingegen scheint man sich aber auf Marco Verratti versteift zu haben. 80 bis 100 Millionen Euro wären für den Italiener wohl fällig, Paris Saint-Germain ist kein einfacher Verhandlungspartner. Das stellte Barcelona schon bei Thiago Silva fest, den man über zwei Sommer nach Katalonien locken wollte.

Der Innenverteidiger wechselte nicht, der Klub hangelte sich von Jahr zu Jahr mit B-Lösungen. Im Fall Verratti droht ein ähnliches Szenario - ganz abgesehen davon, dass eine derartige Ablösesumme in diesem Sommer eigentlich nur zu stemmen ist, wenn man den neuen Rechtsverteidiger aus der Planung streicht.

Verlängerung von Messi blockt Gelder

Die Verlängerung von Lionel Messi kostet Barcelona laut letzten Medienberichten ein als Handgeld getarntes Gehalt in Höhe von 40 Millionen Euro. Wenn die Verantwortlichen also davon sprechen, dass der Argentinier der beste Transfer des Sommers ist, darf das ruhig auf mindestens zwei Arten betrachtet werden.

Derartige Ausgaben blocken wichtige Mittel. Natürlich muss mit Messi verlängert werden, die Frage muss dann aber gestellt werden, warum man im letzten Sommer laut eigenen Aussagen das Budget überzog, um Spieler wie Paco Alcacer zu verpflichten, der es in der Liga auf rund 900 Einsatzminuten brachte.

Die Antwort ist simpel. Weil kein anderer Spieler sich hinter Lionel Messi, Neymar und Luis Suarez auf die Bank gesetzt hätte. Die Talente wollen Minuten sammeln, die erfahrenen Spieler ihre kostbare Zeit nicht als Backup verbringen. Dennoch wird ein solcher Spieler benötigt.

Talente verlassen La Masia

Blick nach Madrid. Asensio: Fast 1100 Einsatzminuten. Lucas Vazquez: Rund 1400 Einsatzminuten. Beide wurden früh gebunden, ausgeliehen und machten jetzt bei einem Top-Klub erste Schritte hinter den großen Namen. Der nächste Schritt wird besonders im Fall Asensio die nächste Saison sein.

Blick nach Barcelona. Der Klub verlor in diesem Sommer Jordi Mboula an den AS Monaco, Eric Garcia an Manchester City und Mateu Morey an den FC Bayern München. Weil der Klub keine höheren Ausstiegsklauseln vertraglich vereinbaren kann, schimpft die Führung.

Bleibt die Frage, weshalb die Spieler die Angebote nicht ablehnen. Geld spielt sicher eine Rolle. Sportliche Perspektive aber genauso. Und die wird momentan andernorts besser aufgezeigt als beim einst für seine Jugendarbeit ausgezeichnetem FC Barcelona.

Deulofeu zurück in Barcelona

Natürlich kann La Masia nicht jedes Jahr einen Stammspieler produzieren. Aber bei all der individuellen Klasse muss es einem Verein wie dem FC Barcelona, der sich die Jugendarbeit explizit auf die Fahne schreibt, doch möglich sein, Spieler so in den Kader zu integrieren, dass sie Rollen übernehmen können.

Gleichwohl ist die Zeit schon lange gekommen, in der Talente so früh wie möglich verpflichtet werden, um sie zu schleifen und in eine strategische, langfristige Planung einzubinden. Bei Real ging das sicherlich auch mit etwas Glück in diesem Sommer perfekt aus. Doch wer zur Spitze gehören will, muss derartige Arbeit leisten.

Man darf gespannt sein auf den Rest des Sommers in Barcelona. Mit Gerard Deulofeu kam ein ehemaliger Jugendspieler nach drei durchschnittlichen Jahren und einer nicht minder durchschnittlichen U21-EM zurück - am letzten Tag der möglichen Frist. Es scheint fast so, als ob Barcelona auf eine bessere Lösung schielte.