März 2011, Camp Nou. Der FC Barcelona liegt kurz vor Schluss mit 3:1 gegen den FC Arsenal in Führung, doch Nicklas Bendtner läuft alleine auf das Tor von Victor Valdes zu. Ein Treffer der Gunners und Barcelona wäre ausgeschieden.
Pep Guardiola kniet in seiner Trainerzone und beobachtet die Szenerie. Mascherano zieht einen letzten Sprint an und setzt zum Tackling an. Einen Wimpernschlag später steht Guardiola mit geballten Fäusten aufrecht, sein Gegenüber Arsene Wenger ist auf die Knie gesunken.
"Es gibt eine Zeit vor und eine Zeit nach dieser Grätsche", wird Mascherano Jahre später im Guardian erklären. Bendtner kontrollierte den Ball nicht gut und wurde vom Argentinier entscheidend gestört. Barcelona erreicht die nächste Runde und gewinnt im Mai die Champions League.
Mascheranos Grätsche für die Karriere
Die Karriere von Mascherano stand in diesem Moment auf Messers Schneide. Wenn der heute 33-Jährige das sagt, dann meint er es auch so. Es war die erste Saison in Barcelona, bis zum Arsenal-Spiel verlief sie mehr schlecht als recht.
Mascherano kam vom FC Liverpool für die damals satte Ablöse von 22 Millionen Euro. Schnell wurde ihm bewusst, dass er bei diesem FC Barcelona keine Chance auf der Position des Pivote, des zentralen Mittelfeldspielers vor der Abwehr, haben würde.
Als "unmöglich" beschreibt Mascherano heute die Aufgabe, an Sergio Busquets vorbeizukommen. Der Katalane war für Guardiola in Barcelona der zentrale Punkt in Spielaufbau und Defensivspiel. Mascherano hingegen war Ergänzungsspieler.
Mascherano wird auch in Barcelona zu El Jefecito
Die Grätsche gegen Bendtner änderte alles. Mascherano, auch zuvor schon als Innenverteidiger eingesetzt, wurde vom Ergänzungsspieler zu El Jefecito, zu Deutsch "der kleine Chef." Den Spitznamen brachte er schon aus Argentinien mit nach Europa, in Barcelona musste er ihn sich aber neu verdienen.
Fortan war Mascherano der zweite Innenverteidiger neben Gerard Pique. Bissig, nahezu unüberwindbar am Boden und schlau genug, um Luftduelle trotz geringer Körpergröße nicht zu seiner großen Schwäche werden zu lassen.
Etwa sieben Jahre nach dem Schlüsselmoment seiner Karriere wird die Zeit beim FC Barcelona zu Ende gehen. Mascherano wird sich spätestens im Sommer 2018 aus Katalonien verabschieden, das zeichnet sich in den letzten Wochen deutlich ab. Wahrscheinlich sogar schon im Winter.
Umtiti überholt Mascherano
Mascherano ist alt geworden, das streitet er selbst nicht ab. Entscheidend für die aktuelle Situation ist aber vor allem die absolute Topform von Samuel Umtiti. Der Franzose hat sich herausragend entwickelt und seinem Kontrahenten die Position abgenommen.
Der Routinier ist noch immer ein guter Innenverteidiger. Fehlende Spielpraxis und mehrere Verletzungen, Mascherano erkennt hier einen Zusammenhang, haben ihn aber weit hinter Umtiti zurückgeworfen.
Somit regt er seit kurzem selbst einen Abschied an. China, England, die MLS oder Italien werden als Ziele gehandelt. Mascherano wird im Herzen der Fans immer einen Platz haben, das ist gesichert. Doch der Verteidiger ist auch für seine sehr rationale Denkweise bekannt - er will schlicht nicht die letzten Jahre seiner Karriere auf der Bank verbringen.
Mina oder Vermaelen als Ersatz?
Das mag ihm niemand verdenken und so handelt auch der FC Barcelona in diesem Fall. Der Wunsch des Spielers wird erfüllt werden, das deuteten verschiedene Funktionäre bereits an. Das bedeutet jedoch nicht, dass man ihn nicht zum Bleiben überreden will.
Aber gleichzeitig sucht Barcelona bereits nach Ersatz. Yerry Mina soll es laut letzten Medienberichten werden - ein 23-jähriger Innenverteidiger aus Kolumbien, neun Millionen Euro teuer und wohl dazu bereit, vorerst die dritte Wahl in der Defensive zu sein.
Wenn er denn die Nummer drei wird, denn im Schatten von Mascherano ist eine weitere Personalie noch unklar: Thomas Vermaelen, bisher eigentlich als Transfer-Flop eingeordnet, hat unter Trainer Ernesto Valverde überzeugende Leistungen gebracht und könnte noch eine wichtige Rolle einnehmen - besonders vor dem Hintergrund, dass Umtiti für einige Zeit ausfällt. Der Belgier dürfte auch im Clasico (Sa., 13 Uhr live auf DAZN und im LIVETICKER) den Vorzug vor Mascherano bekommen.
Innenverteidiger im Stile eines Sechsers
Weder Mina noch Vermaelen können aber einen eingespielten Mascherano ersetzen. Der Argentinier wurde lang als Innenverteidiger angezweifelt, die Kritik in Spanien war allerdings über lange Zeit nicht gerechtfertigt.
Dadurch, dass der FC Barcelona vor allem im Laufen, das heißt bei einem Konter des Gegners, verteidigt und nur selten darauf angewiesen ist, während einer Belagerung Flanken aus dem Strafraum zu köpfen, konnte Mascherano seine Fähigkeiten aus dem defensiven Mittelfeld gut einbringen.
Die aktive Balleroberung gefiel jedem Trainer seit Guardiola, er ist ein Meister der Grätsche. Auch wenn ihm Pep stets dazu riet, als Verteidiger immer auf den Füßen zu bleiben, hat Mascherano mit gezielten Attacken zahlreiche Gegentore verhindert.
Mascherano zurück ins Mittelfeld
Barcelona wird im Sommer 2018 somit nicht nur einen der letzten Spieler aus der Ära Guardiola verlieren, sondern auch einen exzellenten Verteidiger, einen Musterprofi und einen Führungsspieler.
Es wird ein herber Verlust für den Kader, ist aber für Mascherano selbst eine unabdingbare Entscheidung. Ein Verbleib in Barcelona ergibt für ihn keinen Sinn. Das Duo Umtiti/Pique ist die Zukunft, Mascherano die Vergangenheit. In der Gegenwart wird er nur noch selten gebraucht.
Dafür bietet sich ihm bald die Chance, nach sieben Jahren das Erbe der Bendtner-Grätsche abzulegen: "Ich sehe mich immer noch als Mittelfeldspieler."