Uli Stielike im Interview über den Clasico: "Kroos könnte Opfer der Vereinspolitik werden"

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Uli Stielike spielte zwischen 1977 und 1985 für Real Madrid und ist bis heute der Deutsche mit den meisten Einsätzen und Toren für die Königlichen. Vor dem Clasico zwischen Real und dem FC Barcelona am Samstag (13 Uhr live auf DAZN und im LIVETICKER) spricht Stielike im Interview über seine Erinnerungen an die Duelle mit Barca, fehlende Beständigkeit bei Real, die Entwicklung von Toni Kroos und die sozialpolitische Situation in Spanien.

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SPOX: Herr Stielike, Sie haben Ihren Zweitwohnsitz in Andalusien und zwischen 1977 und 1985 acht Jahre lang für Real Madrid gespielt. Spüren Sie noch eine innere Verbundenheit zu Ihrem ehemaligen Verein?

Uli Stielike: Das ist bei mir ähnlich gelagert wie im Falle von Borussia Mönchengladbach, wo ich zwischen 1972 und 1977 spielte. Ich war nur bei drei Vereinen aktiv, daher hat in Spanien Real Madrid natürlich meine Sympathien.

SPOX: Sie sagten aber auch schon, dass kein Kontakt mehr zwischen Real und Ihnen bestünde. Hat sich das zwischenzeitlich verändert?

Stielike: Nein. Zu den aktuellen Verantwortlichen habe ich außer zu Emilio Butragueno keinen Kontakt. Ansonsten stehe ich in Email-Austausch mit der Veteranenabteilung, sozusagen den Alten Herren. Dort gibt es immer wieder Informationen zu Spielen oder Veranstaltungen, aber ich spiele dort nicht selbst mit.

SPOX: Am Samstag kommt es zum Clasico zwischen Real und dem FC Barcelona im Santiago Bernabeu. Sie selbst haben zu Ihrer Zeit 18 Clasicos gespielt, 15 davon in der Liga. Welchen Stellenwert hatte diese Partie damals?

Stielike: Ich glaube, dass sich am inneren Stellenwert für die Spieler bis heute nichts verändert hat. Vorbereitung, Nervosität und alles, was sich um diese 90 Minuten selbst dreht - das ist erhalten geblieben und kein Unterschied zu früher. Die Partie wird medial mittlerweile aber enorm aufgebauscht. Bei uns waren damals vielleicht zehn Journalisten beim Abschlusstraining. Jeden Tag sind die Zeitungen mit diesen beiden Teams gefüllt, in dieser Woche besonders extrem. Dadurch macht es den Eindruck, dass das Spiel größer geworden ist, aber das sehe ich nicht so.

SPOX: Mit welchem Gefühl gingen Sie damals als ausländischer Spieler auf den Platz?

Stielike: Die Wichtigkeit dieser Partie bekam man umgehend eingeimpft, auch wenn man zuvor bereits eine Vorahnung hatte, was diese Rivalität zu bedeuten hat. Gegen Barcelona musst du bestehen und darfst dir keine Niederlage erlauben. Das ist jedem Real-Spieler von der ersten Sekunde an klar. In meinem Fall kam hinzu, dass bei meinem ersten Clasico im Camp Nou auf der Gegenseite Johan Cruyff und Johan Neeskens standen. So wurde diese Partie damals durch den deutsch-holländischen Aspekt noch etwas gewürzt.

SPOX: An welches Duell mit Barca erinnern Sie sich am liebsten?

Stielike: Gerade an diesen ersten Clasico. Real kam aus einer ganz schlechten Saison. 1976/1977 wurde man nur Neunter und verpasste das internationale Geschäft. Ich kam dort also an, verletzte mich gleich, war sechs Wochen außer Gefecht und dann folgte dieser Clasico. Wir gewannen mit 3:2 und ich schoss ein Tor und gab eine Vorlage. Während ich außer Gefecht war, kamen schon erste Stimmen auf, ob ich denn nicht zu verletzungsanfällig sei. Daher war das mein erster wichtiger Durchbruch in Madrid und somit ist mir diese Partie in besonderer Erinnerung geblieben. Es war einfach ein sehr emotionaler Moment, vor 100.000 Zuschauern ins Stadion einzulaufen. Das waren regelrechte Schlachten, die wir mit Barca ausgefochten haben.

SPOX: In den letzten Jahren gab es in Liga, Pokal und Champions League im Prinzip einen Clasico nach dem anderen. Ist Ihnen das zu viel für ein solch besonderes und brisantes Spiel?

Stielike: Ja. Man blickt heutzutage ja kaum mehr durch bei dieser atemlosen Abfolge von Spielen und Wettbewerben. Die Belastung gerade für die Top-Spieler, die auch in der Nationalmannschaft auflaufen, ist schon heftig. Andererseits kann es auch fünf Mal im Jahr einen Clasico geben, die Leute sind dann trotzdem heiß darauf - in Spanien natürlich sowieso. An der Wichtigkeit der Partie ändert das nichts, aber diese Übersättigung war zu meiner Zeit noch nicht gegeben.

SPOX: Real hat unter Zinedine Zidane zweimal in Folge die Königsklasse und auch die Meisterschaft gewonnen. Insgesamt steht der Trainer nun bei acht Titeln in zwei Jahren, fünf Trophäen wie in diesem Jahr gab es für den Klub noch nie. Derzeit beträgt der Rückstand auf Tabellenführer Barcelona aber elf Punkte plus Nachholspiel im Februar. Wie kommt's?

Stielike: Das ist schon ziemlich überraschend. Ich glaube, dass gerade zu Beginn der Saison eine gewisse Müdigkeit zu spüren war und sich viele Spieler schwer taten, in die neue Spielzeit zu finden.

SPOX: Real hat vor der Saison Pepe, James Rodriguez oder Alvaro Morata verloren. War der Aderlass vielleicht zu groß?

Stielike: Es ist einfach die Politik von Präsident Florentino Perez, alle zwei, drei Jahre neue Stars zu holen und andere Spiele abzugeben. Es gibt nur wenige Ausnahmen an Spielern, die mehr als fünf Spielzeiten bei Real spielen. Man braucht in einer Mannschaft aber vor allem Beständigkeit, wie sie beispielsweise Andres Iniesta bei Barca ausstrahlt. Alle zwei Jahre einen neuen Farbtupfer zu holen ist in Ordnung, aber bei Real fehlt mir eben diese Beständigkeit. Sie ist eher die Ausnahme. Solange die Erfolge aber dafür sprechen, wird das auch so weitergehen.

SPOX: Ist die Partie am Samstag schon die letzte Chance der Königlichen, Barca auf dem Weg zum Titel zu stoppen?

Stielike: Ja. Wenn sie das Spiel nicht gewinnen, sollten sie sich wohl voll und ganz auf den Hattrick in der Champions League konzentrieren.

SPOX: Sie sind noch immer der Deutsche mit den meisten Einsätzen und Toren für Real - 215 Partien absolvierten Sie und schossen dabei 41 Tore. Inwiefern macht Sie das heute noch stolz?

Stielike: Mich macht es stolz, dass man mich nicht nur in Spanien, sondern durch meine Trainertätigkeiten inzwischen auch in Asien gut kennt. Es hat sich ein wenig verlagert. Bei jungen Leuten ist mein Name Schall und Rauch, die älteren Semester haben mich dagegen nicht vergessen.

SPOX: Einer, der zumindest in die Nähe Ihrer Bestmarken kommen könnte, ist Toni Kroos. Er hat sich in Madrid zu einem Weltklassespieler entwickelt. Haben Sie verstehen können, dass die Bayern ihn damals ziehen ließen?

Stielike: Heute kann man vieles verstehen, weil einfach so dermaßen viel Geld auf dem Tisch liegt. Diese Solidarität mit einem Verein, wie sie Berti Vogts oder Klaus Fichtel früher vorlebten, gibt es ja schon seit Jahren nicht mehr. Und ich wäre mir nicht sicher, ob sie nicht auch dem vielen Geld erlegen wären, wenn diese Summen schon damals im Umlauf gewesen wären. Bei Kroos machte es den Eindruck, dass er sich in München nicht wertgeschätzt fühlte und ihm der Abschied nicht schwer fiel. Die Bayern werden im Vergleich zu Real vor allem zu wenig Geld geboten haben.

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