18. August 2018: Selbst in Vigo, einer beschaulichen, aber auch im Hochsommer für gewöhnlich bewölkten Hafenstadt in Galicien, brennt die Sonne am späten Nachmittag noch unbarmherzig. Dennis Eckert macht das nichts aus. Im Gegenteil. Eckert, 21, kommt gebürtig zwar aus Bonn, trägt als Sohn einer Spanierin und eines Deutsch-Iraners aber das südländische Gen in sich.
Abgesehen davon würden an diesem Tag wohl auch 40 Grad Celsius im Schatten seine gute Laune um keinen Deut schmälern. Eckert sitzt gerade auf der Ersatzbank des Estadio Balaidos, der Spielstätte von Celta Vigo, dem bekanntesten und erfolgreichsten Fußballklub der Region. Als ihn plötzlich Antonio Mohamed zu sich ruft und ein Aufwärmleibchen in die Hand drückt, steigen Aufregung und Freude gleichermaßen in ihm an.
Eckert feiert Profi-Debüt für Celta Vigo in der Primera Division
Mohamed, 48, ist zu diesem Zeitpunkt der Cheftrainer von Celta. Er hat Eckert zu Beginn des Sommers von der Reserve zu den Erstligaprofis beordert, um ihn im Training und in Vorbereitungsspielen zu testen. Mit beachtlichem Erfolg: Der Angreifer avancierte mit drei Torbeteiligungen in fünf Partien gegen bekannte Mannschaften wie den FC Fulham oder FSV Mainz 05 zum Top-Scorer des Teams. Als Belohnung dafür steht er jetzt im Aufgebot für den Saisonauftakt in der Primera Division gegen Espanyol Barcelona.
Mohamed fragt sich im Laufe der zweiten Halbzeit allerdings noch, ob er Eckert wirklich einwechseln soll. Es steht 1:1, das Spiel befindet sich in einer hektischen Phase und droht jeden Moment in die eine oder andere Richtung zu kippen. Kein ideales Szenario also, um einen jungen Burschen ins kalte Wasser zu werfen.
Das Resultat der Grübeleien: Eckert kommt erst in der Nachspielzeit für den uruguayischen Nationalstürmer Maxi Gomez in die Partie. Doch auch wenn sich dem Spieler mit der Nummer 32 und dem Namen "Dennis" auf dem Rücken überhaupt keine Möglichkeit bietet, entscheidend in Aktion zu treten, genießt er jeden Augenblick auf dem Rasen in vollen Zügen. Immerhin kann nicht jeder von sich behaupten, in einer der besten Ligen der Welt sein Debüt als Profi zu feiern.
Keine "richtige Chance" bei Borussia Mönchengladbach
Diesen Tag hätte sich Eckert etwas mehr als ein Jahr zuvor auch in seinen kühnsten Träumen nicht ausmalen können. Damals stand er noch im Kader der Zweitvertretung von Borussia Mönchengladbach, sein Trainer war Arie van Lent, seine Bühne die Regionalliga West.
"Ich habe bei der Borussia eine tolle Ausbildung genossen", sagt Eckert rückblickend im Gespräch mit SPOX und Goal. Der Stürmer war seine ersten fußballerischen Schritte beim Pulheimer SC gegangen, ehe er über den 1. FC Köln und Alemannia Aachen in Mönchengladbach landete. Dort spielte er drei Jahre, erzielte in der U17- und U19-Bundesliga sowie der UEFA Youth League 47 Tore und bereitete 20 weitere vor. "Leider", sagt Eckert, "habe ich anschließend nie die richtige Chance bekommen, mich im Herrenbereich zu zeigen."
Deshalb brach er im Sommer 2017 seine Zelte in Deutschland ab und folgte dem Ruf von Celta Vigo auf die iberische Halbinsel. Ein riskanter Entschluss, zumindest auf den ersten Blick. Galicien war Eckert jedoch nicht fremd: Seine Mutter stammt aus dem spanischen Nordwesten, er hat immer noch Verwandte dort und ist der spanischen Sprache mächtig. Weil Celta zudem als familiärer Klub gilt, der junge Spieler in einem ruhigen Umfeld fördert, hatte Eckert keine Probleme, sich auf Anhieb einzuleben.
14 Scorerpunkte: Eckert mischt Spaniens dritte Liga auf
Dementsprechend schnell machte er auch in der zweiten Mannschaft des Klubs von sich reden. In 36 Spielen in der Segunda Division B, der dritten Liga, gelangen ihm 14 Scorerpunkte. Dass der damalige Trainer der Profis, Juan Carlos Unzue, auf ihn verzichtete, war in erster Linie seiner Wichtigkeit für "Celta B" geschuldet.
Die Reserve spielte eine gute Saison. So gut, dass ihr am Ende sogar die Qualifikation für die Aufstiegsplayoffs gelang. Auch wenn der große Coup letztlich ausblieb: Für Eckert hatte sich der Schritt aus Mönchengladbach nach Vigo mehr als gelohnt. "Ich würde niemals schlecht über die Zeit bei der Borussia reden, denn ich habe dem Verein eine Menge zu verdanken", beteuert er zwar. Im Nachhinein habe er mit seinem Wechsel aber die "richtige Entscheidung" getroffen.
Daran ändert auch die überraschende Entlassung seines Trainers und Förderers Mohamed zu Beginn dieser Woche nichts. "Ich bin mit meiner bisherigen Entwicklung sehr glücklich und dankbar, diese Chance auf höchstem Niveau zu erhalten", sagt Eckert. Inzwischen steht er bei acht Profi-Einsätzen, einem davon sogar über 90 Minuten. Dass er wie zuletzt gegen Real Madrid (2:4) hin und wieder bei der Reserve aushelfen muss, ist nur Teil seines Entwicklungsprozesses.
Eckert lernt von Aspas: "Tut richtig gut"
Celtas neuer Trainer, der 46 Jahre alte Portugiese Miguel Cardoso, habe bereits das Gespräch mit ihm gesucht und zu verstehen gegeben, Talente wie ihn vorwärts bringen zu wollen. "Ich muss weiter hart arbeiten", weiß Eckert, "mir wird nichts geschenkt."
Erst recht vor dem Hintergrund, dass Celta momentan nur auf Platz 14 steht und mit namhaften Offensivspielern wie dem spanischen Nationalspieler Iago Aspas bestückt ist. "In meinem Alter kann ich noch sehr viel lernen. Fußballerisch, körperlich und mental", sagt er. Das tägliche Training mit Aspas und Co. tue ihm daher "richtig gut".
Eckert, der nach eigenen Angaben als kleiner Junge immer Fernando Torres und Didier Drogba nacheiferte, ist in der Offensive vielseitig einsetzbar. Der 1,82 Meter große Rechtsfuß kann als hängende Spitze oder auf den Außenbahnen agieren, am liebsten spielt er aber ganz vorne. "Ich sehe mich schon als Mittelstürmer, brauche die Nähe zum Tor", erklärt er.
Einer für die deutsche U21? "Natürlich macht man sich Hoffnungen"
Mit einer gesunden Mischung aus Selbstvertrauen und Ehrgeiz will sich Eckert im Laufe der nächsten Monate bei Celta "festspielen", um auch in Deutschland bekannter und interessanter zu werden. Genauer gesagt für Stefan Kuntz, dem Trainer der deutschen U21-Nationalmannschaft.
"Dadurch, dass ich meine ersten Schritte im Profibereich in Spanien mache, bin ich in Deutschland nur Insidern ein Begriff", weiß Eckert. Der 21-Jährige hat bislang nur ein Junioren-Länderspiel absolviert. Das war im November 2015, als ihn Marcus Sorg in einem Freundschaftsspiel der U19 gegen Serbien einsetzte. Da er neben der deutschen noch die spanische Staatsbürgerschaft besitzt, kann er theoretisch aber auch noch die Nation wechseln, für die er auflaufen möchte.
Ob er diesen Schritt tatsächlich gehen will, "wird sich zeigen. Spielberechtigt wäre ich für die deutsche U21 aber auf jeden Fall", sagt Eckert lachend. In ernsterem Tone fügt er hinzu: "Wenn ich recht informiert bin, bin ich einer der deutschen U21-Stürmer, die in dieser Saison am häufigsten auf Erstliga-Niveau zum Einsatz kommen. Natürlich macht man sich da insgeheim Hoffnungen, eines Tages mal nominiert zu werden."
Eckert schließt Rückkehr nach Deutschland nicht aus
An eine Rückkehr nach Deutschland fernab der Nationalmannschaft denkt Eckert zurzeit allerdings nicht. "Ich fühle mich wohl in Spanien", bekräftigt er, "sportlich läuft es ordentlich und die Lebensqualität ist hier auch sehr hoch." Sein Vertrag bei den "Celtinas" läuft ohnehin noch bis zum 30. Juni 2021.
"Man soll im Fußball bekanntlich niemals nie sagen", meint Eckert, "aber für mich stehen die tägliche Arbeit und meine weitere Entwicklung bei Celta im Vordergrund." Mit der Absicht, noch viele weitere brütend heiße Nachmittage im Estadio Balaidos zu erleben.
Eckerts Leistungsdaten 2018/19 in der Primera Division
Kategrorie | Wert |
Einsatzminuten | 186 |
Ballkontakte | 75 |
Passquote in der gegnerischen Hälfte | 76 % |
Zweikampfquote | 44,2 % |
Schüsse aufs Tor | 3 |
Kreierte Chancen | 3 |
Herausgeholte Fouls | 6 |