Vor 4000 Zuschauern hat James Rodriguez nicht besonders häufig gespielt. 2006, als er noch 15 Jahre alt war und seine ersten Schritte im Profifußball beim kolumbianischen Zweitligisten FC Envigado wagte. Oder am vergangenen Mittwoch. Da trat er mit seinem aktuellen Arbeitgeber, Real Madrid, im Rahmen der Copa del Rey bei den Unionistas aus Salamanca an.
Der 2013 aus einer Fanvereinigung entstandene Klub verzichtete darauf, für das Highlight seiner bisherigen Geschichte in ein größeres Stadion umzuziehen und empfing die Königlichen stattdessen auf den heimischen Pistas de Helmantico, einem Sportkomplex mit einer Tribüne und einer Laufbahn. Offensichtlich mit dem Hintergedanken, den feinen Fußballern aus der Hauptstadt einen unangenehmen Abend zu bereiten.
Dieser Plan ging lange auf. Real tat sich schwer, drehte beim Stand von 1:1 nach einer guten Stunde aber auf und gewann am Ende noch mit 3:1. Anteil daran hatte auch der eifrige James, der sich von dem besseren Landesliga-Geläuf nicht den Spaß verderben ließ.
Zinedine Zidane war von James Rodriguez beeindruckt
Etwas anderes als sich reinzuhängen blieb ihm aber auch gar nicht übrig, ist Fußballspielen mittlerweile doch ein eher seltenes Gut für den Linksfuß. 515 Einsatzminuten stehen in dieser Saison auf seinem Konto, kein zentraler Mittelfeldspieler im Team von Zinedine Zidane hat weniger.
Dabei sah es zu Saisonbeginn im August noch so aus, als würde James richtig durchstarten. Er kehrte topfit und topmotiviert aus dem Urlaub zu den Madrilenen zurück, die ursprünglich geplant hatten, sich nach seiner mehr oder weniger erfolgreichen Leihe beim FC Bayern endgültig von ihm zu trennen.
Zidane, so hieß es, war so angetan von der körperlichen Verfassung des oft als trainingsfaul verpönten kolumbianischen Nationalspielers, dass er einem Verkauf an den stark interessierten Stadtrivale Atletico Madrid oder den italienischen Erstligisten SSC Neapel einen Riegel vorschob und James zusicherte, mit ihm zu planen.
In den ersten Spielen stand der 28-Jährige einige Male in der Startelf, wurde fast Woche um Woche von Zidane für seinen Einsatz gelobt. Der vorläufige Höhepunkt trug sich beim 4:2-Erfolg gegen den FC Granada am 5. Oktober zu, als James traf und sich das Trikot vom Leib riss, um leidenschaftlich mit den Fans im Estadio Santiago Bernabeu zu jubeln.
James Rodriguez bei Real Madrid: Talfahrt seit Mallorca
Dann aber kam es zu einer Aneinanderreihung von für James unglücklichen Ereignissen, die ihn schrittweise ins Abseits manövrierten: Zunächst verlor Real mit ihm in der Startelf 0:1 bei RCD Mallorca, dann erlitt er eine komplizierte Verletzung am linken Knie, wodurch er keine Chance mehr hatte, seine durchwachsene Leistung gegen den Aufsteiger zu korrigieren. Elf Spiele lang musste der Torschützenkönig der WM 2014 zusehen, wie seine Kollegen auch ohne ihn erfolgreich waren. Sogar ziemlich erfolgreich.
Real verlor in James' Abwesenheit kein einziges Spiel. Der junge Federico Valverde avancierte vom unscheinbaren Arbeiter zur unverzichtbaren Stammkraft im Dreier-Mittelfeld neben Casemiro und Toni Kroos, aber auch der lange mit sich selbst beschäftigte Isco und der inzwischen 34 Jahre alte Routinier Luka Modric nutzten die Gunst der Stunde und arbeiteten sich zurück in den Dunstkreis von Zidane.
So sah sich der Real-Trainer nach James' Comeback Anfang Januar nicht zu personellen Veränderungen gezwungen. Bei der wichtigen Liga-Partie gegen den FC Sevilla am 18. Januar strich er den Spielmacher neben dem schon länger auf dem Abstellgleis stehenden Gareth Bale sogar kurzerhand aus seinem Kader.
Kritik aus der Heimat - Abgang im Winter unwahrscheinlich
Kein Wunder also, dass James vor einer Woche gegen die Unionistas aus Salamanca auch vor 4000 Zuschauern Spaß hatte. Im nur so vor Topstars wimmelnden "Haifischbecken" Real wirkt der ehemalige Münchner gerade ein wenig erdrückt.
In seiner Heimat schieben sie das vor allem auf seine Einstellung. Die soll sich - wie etwa in seinem zweiten Bayern-Jahr unter den Fittichen von Niko Kovac - nämlich im Zuge seiner Verletzungspause verschlechtert haben. Die kolumbianische Trainer-Ikone Jorge Luis Pinto machte ihm zuletzt etwa gegenüber Radio Caracol schwere Vorwürfe: "James ist der Alleinschuldige für sein Schicksal. Wer die Lust am Training verliert und nicht diszipliniert ist, kommt im Fußball nicht weit. Man kann Zidane keinen Vorwurf machen. James ist derjenige, der seine Situation ändern und sich aufopfern muss."
In Madrid scheinen sie ihn noch nicht abgeschrieben zu haben. Auch wegen des üppigen Programms in den kommenden Wochen und Monaten, das Real bewältigen muss, steht eine Last-Minute-Trennung von James im Januar nicht im Raum. Kürzlich keimten zwar wieder einmal die üblichen Gerüchte um eine Wiedervereinigung mit seinem alten Coach Carlo Ancelotti auf, James selbst soll dem FC Everton und anderen Interessenten wie dem FC Arsenal aber relativ schnell deutlich gemacht haben, sich bei Real durchsetzen zu wollen.
Dass er sich privat in Madrid wohl fühlt, ist kein Geheimnis. Bleibt seine momentane Situation bis zum Sommer unverändert, ist ein Neuanfang jedoch unvermeidlich. Sein Vertrag bei Real läuft nur noch bis 2021. Der Klub dürfte nicht daran interessiert sein, ihn ablösefrei ziehen zu lassen.
Die nächsten fünf Pflichtspiele von Real Madrid
Datum | Uhrzeit | Gegner | Wettbewerb |
29. Januar | 21.00 Uhr | Real Zaragoza | Copa del Rey |
1. Februar | 16.00 Uhr | Atletico Madrid | LaLiga |
9. Februar | 16.00 Uhr | CA Osasuna | LaLiga |
16. Februar | 21.00 Uhr | Celta Vigo | LaLiga |
23. Februar | Noch unbekannt | UD Levante | LaLiga |