Vinyals, der seine Karriere als Aktiver bei Barca begann, spricht dabei über die Errungenschaften von Pep Guardiola, die Wichtigkeit von Taktik und erklärt, warum es die meisten Jugendspieler aus der Talentschmiede "La Masia" heute schwer haben, sich bei den Profis zu behaupten. Außerdem blickt er auf seine Zusammenarbeit mit dem gescheiterten "Wunderkind" Alen Halilovic zurück und schwärmt von einem Leistungsträger des FC Bayern.
Herr Vinyals, 2012 übernahmen Sie die A-Jugend von Barca. Zwei Jahre später gewannen Sie mit Ihrem Team die UEFA Youth League. Von den damaligen Spielern steht heute keiner im Kader der ersten Mannschaft. Woran liegt das?
Jordi Vinyals: Es hängt von so vielen Faktoren ab, ob ein Spieler aus der eigenen Jugend den Durchbruch schafft oder nicht. Und mit Durchbruch meine ich nicht, dass man einen Profivertrag bekommt, denn das ist gar nicht so schwer. Ich meine, dass man bei den Profis bleibt und mehr als nur eine sporadische Einsatzkraft darstellt. Und da gehört schon ein bisschen mehr dazu, als ein besonderes Talent zu sein und Titel wie die UEFA Youth League zu gewinnen. Entscheidend sind doch die Fragen: Hat der Klub einen Trainer, der jungen Spielern vertraut? Und: Steht der Klub dahinter, jungen Spielern die nötige Zeit zur Verfügung zu stellen, anstatt Spieler zu verpflichten, die schon Erstliga-Erfahrung mitbringen? Das Problem, das ich heute bei vielen großen Klubs sehe: Es fehlt die Geduld mit dem eigenen Nachwuchs.
Vinyals: "Xavi, Iniesta und Messi hatten auch Glück"
Sie würden also nicht sagen, dass sich "La Masia" in einer Krise befindet, sondern vielmehr, dass der Klub eine andere Strategie verfolgt als vor ein paar Jahren?
Vinyals: Ja. Die Auswahl an Talenten ist heutzutage sogar noch größer als vor ein paar Jahren, weil es mehr Talentförderprojekte gibt und mit erstklassigem Personal erstklassige Konzepte entwickelt wurden, um sich im Nachwuchsbereich zu verbessern. Xavi, Iniesta und Messi waren natürlich fantastische Talente, sie hatten aber auch Glück, dass man es bei ihnen nicht nur bei ein paar Chancen beließ, sondern sie langsam an die erste Elf heranführte. Sie waren nicht direkt Stammspieler, als sie aus der Jugend kamen. Sie hatten Trainer, die ihnen vertrauten. Und irgendwann kam einer, der es perfekt verstand, junge Spieler aus dem eigenen Hause in sein Team zu integrieren.
Pep Guardiola.
Vinyals: Er traute sich, unangenehme Entscheidungen zu fällen und große Namen zu opfern, um der Jugend eine führende Rolle aufzutragen. Man kann sagen, dass Guardiola einen Wendepunkt in der Geschichte des Klubs markierte. In Bezug auf die Integration von La Masia, aber auch in Bezug auf die Art, Fußball zu spielen und Gegner zu dominieren. Das machte es auch uns Jugendtrainern einfacher.
Vinyals: Spanien-Erfolg? "Nicht exklusiv durch Guardiola"
Inwiefern?
Vinyals: Die ballbesitzorientierte Spielweise, das Tiki-Taka, war keine Erfindung von ihm, sondern vor allem dank der Visionen von Johan Cruyff schon längst ein Teil der Barca-DNA. Guardiola ließ diese Spielweise auch praktizieren, als er Trainer der zweiten Mannschaft war. Sein Kunststück war, diese Spielweise auch auf dem höchsten europäischen Level im Seniorenbereich salonfähig zu machen. Jeder beneidete Barca plötzlich um das Tiki-Taka. Wir mussten unsere Arbeit nicht mehr verteidigen, sondern konnten weiter in Ruhe an unserer Philosophie feilen. Guardiola war insofern ein Wegbereiter, und zwar übrigens nicht nur für Barca. In vielen anderen Klubs wurde und wird bis heute eine ähnliche Strategie verfolgt. Ich führe immer gerne den FC Villarreal als Beispiel an, der für mich eine der besten Jugendakademien in Spanien hat.
Viele sagen, durch Guardiola seien überhaupt erst die Erfolge der spanischen Nationalmannschaft zwischen 2008 und 2012 möglich geworden.
Vinyals: Nicht exklusiv durch ihn. Man muss viel weiter zurückgehen. Cruyff war ein Genie, er brachte die niederländische Schule nach Barcelona. Es gab aber auch viele Leute im Hintergrund, die den ballbesitzorientierten Fußball in ganz Spanien zu einer Art Schule machten. Paco Seirul-lo zum Beispiel, ein Professor der INEFC, einer Fakultät der Sport- und Bewegungswissenschaften in Barcelona. Er entwickelte Konzepte und förderte viele junge Physiotherapeuten, die sich den Anforderungen des ballbesitzorientierten Fußballs verschrieben. Das war ein wichtiger Schritt zu dem Fußball, der heute in vielen Teilen Spaniens gespielt wird.
Vinyals: "Nur wenige, die das Spiel lesen und verstehen"
Was ist für Sie im Fußball wichtiger: Physis oder Taktik?
Vinyals: Es ist wichtig, fit zu sein, denn Fußball ist eine Sportart. Mehr als eine Sportart ist Fußball für mich aber ein Spiel. Und wenn du es verstehst, die Taktik zu beherrschen, bist du automatisch dazu fähig, das Spiel zu beherrschen. Wenn du dann noch zusätzliche Parameter wie Schnelligkeit, Kraft und Technik mitbringst, wird es schwierig, dich zu besiegen. Die Basis für Erfolg ist aber eine gute Taktik. Die Spieler müssen wissen, wie sie sich in welchen Situationen zu verhalten haben. Wie sie den Gegner anlaufen, wie sie sich aber auch nach Balleroberung positionieren. Man sollte sich nicht nur auf seinen Instinkt verlassen. Das ist etwas, das man seinen Spielern beibringen muss. Am besten schon in jungen Jahren.
Arbeiten Sie deshalb lieber mit jüngeren, lernfähigeren Spielern zusammen als mit bereits ausgebildeten?
Vinyals: Für mich ist es nicht entscheidend, ob ich mit Spielern aus dem Jugend- oder Seniorenbereich zusammenarbeite. Die taktische Ausbildung ist so mannigfaltig, dass man sie eigentlich nie abschließen kann. Im Profibereich, selbst auf dem allerhöchsten Niveau, sind nach wie vor viele taktische Defizite erkennbar. Es gibt nur wenige Fußballer, die in der Lage sind, das Spiel vollständig zu lesen und zu verstehen; die wissen, welche Aufgaben sie auf ihrer jeweiligen Position zu erfüllen haben. Deshalb sollte man nicht glauben, dass gerade junge Spieler ausgebildet sind, wenn sie ein Teil der Profimannschaft werden. Dann denken viele, es gehe nur noch darum, Leistung zu bringen. Nein, sie müssen weiter lernen. Genauso wie die älteren.
Jordi Vinyals im Steckbrief
geboren | 24. November 1963 in Barcelona, Spanien |
Größe | 1,80 m |
Spieler-Debüt | 1984 beim FC Barcelona |
Spieler-Stationen | FC Barcelona, CE Sabadell, CD Castellon, Real Betis, Real Oviedo, FC Villarreal, Terrassa CF, UE Figueres |
Trainer-Debüt | 2000 beim FC Villarreal |
Trainer-Stationen | Villarreal B, Palamos CF, Gimnastic de Tarragona, Algeciras CF, Terrassa CF, Real Jaen, UE Castelldefels, CE L'Hospitalet, CD Castellon, FC Barcelona A-Jugend, FC Barcelona B, Qingdao Huanghai |