Es sind traurige Bilder, die man im Jahr 2020 von Ronaldinho gesehen hat. Übergewichtig und unfit wirkte er schon seit längerem, doch auch finanziell schien dem Brasilianer sein dauerhaftes Partyleben zuzusetzen. Anfang März 2020 wurde er in Paraguay verhaftet, weil er mit gefälschtem Ausweis eingereist war, um seine neue Biografie zu promoten.
Die Einnahmen dafür hatte Ronaldinho offenbar nötig, sonst hätte er sich kaum dem Risiko in Zeiten von Corona ausgesetzt. Zumal sein brasilianischer Pass schon Ende 2018 eingezogen worden war, weil er bis heute ein damals verhängtes Bußgeld von 2,2 Millionen Euro nicht bezahlt hat.
So feierte der einstige Weltstar seinen 40. Geburtstag hinter Gittern, ehe er nach 32 Tagen auf Kaution freigelassen wurde und anschließend mit seinem Bruder und Manager Roberto Assis als einzige Gäste in einem Nobelhotel auf den Prozess wartete. Nach einer Zahlung von 170.000 Euro durfte Ronaldinho zurück nach Brasilien reisen. Es war der vorläufige Tiefpunkt eines stetigen Abstiegs.
Ronaldinho bei Barca: Zweimal Meister, Champions-League-Sieger, Weltfußballer
Wenn man den Zeitpunkt sucht, an dem es für den früheren Weltstar abwärts ging, so landet man am Tag seines größten Triumphes: Im Mai 2006 führte Ronaldinho den FC Barcelona im Stade de France zum 2:1-Sieg im Champions-League-Finale gegen den FC Arsenal. Zudem gewann er mit dem Team von Trainer Frank Rijkaard zwei spanischen Meisterschaften in Folge und wurde zweimal unangefochten zum besten Fußballer der Welt gewählt. Der Mann mit dem Dauerlächeln, den schiefen Zähnen und dem emblematischen Surfergruß beim Torjubel war auf dem Höhepunkt angekommen.
Von da an ging es nur noch bergab: Der neben Ronaldo herausragende Akteur beim WM-Erfolg von 2002 konnte einer überalterten brasilianischen Nationalmannschaft keine Impulse geben, so dass die Selecao bei der WM in Deutschland schon im Viertelfinale an Frankreich scheiterte. Von diesem K.o.-Schlag erholte er sich lange nicht. "Danach hatte ich zu gar nichts Lust", gab der psychisch und physisch angeschlagene Ronaldinho später zu.
Zwar gab der Mittelfeldzauberer auch in der Saison 2006/2007 immer wieder Kostproben seines genialen Könnens, etwa in der Champions-League-Vorrunde mit einem Freistoß unter der Mauer hindurch ins Tor von Werder Bremen. Aber die Auszeiten, in denen R10 abtauchte, wurden immer länger. Ein Grund, warum Barca in den beiden folgenden Jahren völlig unnötig den Meistertitel an Erzrivale Real Madrid abschenkte.
Abschied von "Feldwebel" ten Cate der Anfang vom Ende
Hauptgrund für Ronaldinhos Absturz war der Abschied von Assistenzcoach Henk ten Cate zu Ajax Amsterdam. "Ten Cate hatte als Rijkaards Feldwebel gegolten und sein Abgang wurde zum Katalysator für den vollständigen Zusammenbruch der Disziplin in Barcelonas Kabine", schrieb Guillem Balague in seiner Pep-Guardiola-Biografie über den Niederländer, der Ronaldinho immer wieder vor der gesamten Mannschaft auf dessen Defizite hingewiesen und so angespornt hatte.
"Rijkaard und ten Cate bildeten ein perfektes Duo. Sie boten die allerbeste Guter-Polizist-/Böser-Polizist-Routine, aber wenn der Assistent nicht ab und zu mit der Faust auf den Tisch schlug, führte Rijkaards Nettigkeit ins Chaos."
Ten Cates Nachfolger wurde der ehemalige Barca-Profi Johan Neeskens, der bis zur EM 2000 Rijkaards Assistent bei der niederländischen Nationalmannschaft gewesen war. Schon bei der Elftal war dem Trainerduo deren lange Leine im Verhältnis zu den Stars vorgeworfen worden und auch bei Barca wurde sie zum Verhängnis.
Barca verspielt leichtfertig alle Titel in einer Saison
Der europäische Supercup 2006 in Monaco gab einen Vorgeschmack auf die kommenden zwei Jahre. Während sich UEFA-Cup-Sieger FC Sevilla konzentriert vorbereitete, feierten Ronaldinho und mehrere Teamkollegen mit Rijkaards Billigung die zahlreichen Auszeichnungen bei der UEFA-Gala bis in den frühen Morgen. Am Tag des Spiels weilte der Superstar bei einem Werbetermin, während seine Mitspieler im Fürstentum shoppen gingen. Am Abend gab es folgerichtig eine 0:3-Abreibung.
Dieser Negativlauf setzte sich fort mit der Niederlage bei der Klub-WM gegen Internacional Porto Alegre, dem Achtelfinal-Aus in der Champions League gegen den FC Liverpool und dem Pokal-K.o. im Halbfinale gegen Außenseiter Getafe, bei dem man nach einem 5:2 im Hinspiel noch 0:4 unterging. Und in der Liga verspielte Barcelona die dritte Meisterschaft in Folge gegen den alles andere als überragenden Erzrivalen aus Madrid, der am Ende bei Punktgleichheit dank des gewonnenen direkten Duells den Titel holte.
Noch schlimmer für Ronaldinho wurde es in der Saison 2007/2008, in der Barcas Nummer 10 nur 26-mal zum Einsatz kam und kaum noch die gesamten 90 Minuten spielte. Eine seiner größten Demütigungen erlitt er am Tag vor Heiligabend 2007, als ihn die eigenen Fans im Camp Nou nach einer mal wieder enttäuschenden Vorstellung beim 0:1 gegen Real gnadenlos auspfiffen. Schon zu diesem Zeitpunkt war der einstige Publikumsliebling in der Öffentlichkeit aufgrund seiner permanenten Fehltritte abseits des Platzes unten durch.