Das Unheil begann mit dem Aus von Erfolgstrainer Marcelino Garcia, der keine vier Monate nach dem größten Triumph in der jüngeren Vereinsgeschichte gehen musste, nachdem er die Funktion von Lim-Konzern Meriton Holdings infolge der zurückhaltenden Transferpolitik des Klubs infrage gestellt hatte.
Die Mannschaft, angeführt von Kapitän Dani Parejo, rebellierte daraufhin mehrere Tage, ehe sie unter Marcelinos überfordertem Nachfolger Albert Celades wieder den Trainingsbetrieb aufnahm. Die chaotischen Geschehnisse außerhalb des Rasens gingen aber nicht spurlos an den Spielern vorbei. "Wir wissen nicht, in welche Richtung sich der Verein bewegt. Es gibt überhaupt keinen Plan", klagte Parejo im Februar.
Heute spielt er ein paar Kilometer südlich von Valencia Fußball. Er und sein Mittelfeldpartner Francis Coquelin wurden an den FC Villarreal verscherbelt, Kritik und Widerstand werden unter Lim nun einmal nicht geduldet. Dazu verkaufte der Klub auch noch Torjäger Rodrigo Moreno an Leeds United und verlor in Ferran Torres sein wohl größtes Offensivtalent seit David Silva an Manchester City.
Valencias neuer Trainer wollte schon hinschmeißen
Die Fans liefen insbesondere nach dem Abgang ihres Lieblings Parejo Sturm. Der in den Sozialen Netzwerken sogar mit Morddrohungen konfrontierte Murthy kam nicht umhin, sich erstmals in seiner Amtszeit als Präsident über die offiziellen Vereinskanäle zu Wort zu melden und den plötzlichen Ausverkauf zu erklären.
"Alle Vereine müssen sparen, wir auch", sagte der 47-Jährige. "Ich kann aber versprechen, dass wir nach der Transferperiode eine Mannschaft haben werden, die dem FC Valencia gerecht ist."
Am Morgen des 6. Oktober stand fest, dass auch dieses Versprechen eine Lüge gewesen war. Der Klub hatte bis zur Schließung des Transferfensters keinen einzigen neuen Spieler verpflichtet. Ganz zum Ärger des neuen Trainers Javi Gracia, der wutentbrannt in Murthys Büro aufschlug, um nur wenige Wochen nach seiner Ankunft seine Kündigung einzureichen.
Lims Tochter: "Dürfen mit dem Verein machen, was wir wollen"
Murthy hatte sich auf dieses Szenario jedoch schon bestens vorbereitet und eine Klausel in Gracias Vertrag einbauen lassen, die dem Klub im Falle einer einseitigen Kündigung drei Millionen Euro bescheren würde. Gracia wollte diese Summe logischerweise nicht zahlen und machte, auch weil ihn die Mannschaft darum bat, weiter. "Wir müssen unsere Ansprüche nach unten schrauben", sagte der 50-Jährige, mit diesem Kader sei Europa "kein Thema" für Valencia.
Nach sechs Spielen stehen sieben Punkte auf dem Konto von Gracias Mannschaft. Weitaus bedenklicher als die tabellarische Situation ist aber die vergiftete Atmosphäre, die sich durch den gesamten Verein zieht. Exemplarisch für Lims Schreckensherrschaft stehen die Worte seiner Tochter Kim, die ihre Reichweite als Influencerin Anfang Juli nutzte, um Valencias Anhängerschaft noch mehr zu provozieren.
"Ich höre immer wieder von Kritik an unserer Familie. Tatsache ist: Der Verein gehört uns und wir dürfen mit ihm machen, was wir wollen", schrieb sie bei Instagram. Die Frage, die sich jeder Valencianista stellt: Was wollen Lim und sein Gefolge mit dem Klub machen? Der wirtschaftliche Ruin ist bereits erreicht, der sportliche droht erreicht zu werden.
Valencia-Legende: "So kann es nicht weitergehen"
Neun Trainer wurden seit 2014 verschlissen, Spieler kamen und gingen - meist auf Geheiß des portugiesischen Vermittlers Jorge Mendes, der aufgrund seiner engen Freundschaft zu Lim im Hintergrund ähnlich viel rumpfuscht wie bei den Wolverhampton Wanderers.
Darüber hinaus wurden fähige Führungskräfte wie Francisco Rufete oder Mateu Alemany mit teils fragwürdigen Methoden abgesägt. Alemany etwa erfuhr über die Medien von seiner Entlassung als Sportdirektor im November 2019, auf eine Begründung warte er "bis heute", so der 57-Jährige. Cesar Sanchez, sein Nachfolger, warf im Juni nach nur einem halben Jahr selbst hin. Ein neuer Kaderplaner wurde seither nicht bestimmt.
"Es passieren seltsame und traurige Dinge im Verein", weiß Valencia-Legende Gaizka Mendieta. "So kann es nicht weitergehen." Wie viele andere Beobachter glaubt auch der frühere Mittelfeldspieler, dass Lim weder in den Verein investiert noch sich um dessen fußballerischen Niedergang zu scheren scheint, weil er ihn schnellstmöglich verkaufen möchte.
Murthy dementiert diese Gedankenspiele immer wieder. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass man aber nicht allzu viel auf seine Worte geben sollte.