Josep Bartomeu ließ die "Bombe" fast beiläufig platzen. Nur wenige Sätze widmete der scheidende Präsident des FC Barcelona in seiner 35-minütigen Rücktrittserklärung der "European Premier League" - doch die hatten es in sich. Er habe "außergewöhnliche Neuigkeiten", sagte Bartomeu am Dienstagabend: Barca werde "in einer zukünftigen europäischen Superliga" mitspielen, die "die finanzielle Stabilität des Klubs garantiert".
Wie bitte? "EUR joking", wortspielte das englische Boulevardblatt Sun tags darauf, also: "Machst du Witze?" Zahlreiche Medien schrieben von einer "Bombe", die spanische Marca sieht eine "Gefahr für die Weltordnung des Fußballs". Der britische Guardian meinte, der europäische Fußball könnte dank des vergifteten Erbes von Bartomeu "nie mehr derselbe sein".
Wie ernst die Lage ist, machte spätestens eine Erklärung von DFB-Vize Rainer Koch am Mittwochnachmittag deutlich. Eine europäische Super League als "geschlossene Gesellschaft" von 18 bis 20 Vereinen "wäre ein Stich ins Herz des europäischen Fußballs und ist daher strikt abzulehnen", betonte das Mitglied im UEFA-Exekutivkomitee.
Rummenigge: "Keinen Kenntnisstand" von den Plänen
Die Gedankengänge würden den von der Europäischen Fußball-Union "seit vielen Jahren (...) höchst erfolgreich gewährleisteten solidarischen Interessenausgleich zwischen Nationalverbänden, Ligen und Vereinen in allen 55 UEFA-Mitgliedsverbänden massiv in Gefahr bringen". Kochs Forderung: Ein Festhalten an der Champions League, dem "Premiumwettbewerb des europäischen Vereinsfußballs". Dies sei auch im Sinne der Fans.
Ähnliches hatte Karl-Heinz Rummenigge vergangene Woche angeregt. Bayern München sei "sehr glücklich" mit der Königsklasse, meinte der Vorstandschef, das habe er auch UEFA-Präsident Aleksander Ceferin auch versichert. Außerdem seien die diskutierten Reformen der Champions League für die Zeit nach 2024, in der das Finalturnier aus dem Corona-Sommer institutionalisiert werden könnte, "interessant für alle". Von den Superliga-Plänen, beteuerte Rummenigge, habe er "keinen Kenntnisstand".
Doch Bartomeu bestätigte nun als erster Spitzenfunktionär die Hinterzimmerdeals, die bereits in der vergangenen Woche ans Licht gekommen waren. Wie die neue Eliteklasse mit Vereinen aus den fünf aktuellen Topligen in England, Spanien, Deutschland, Italien und Frankreich aussehen soll, wird immer klarer.
Superliga nach Vorbild der NBA?
Das spanische Sportblatt AS berichtete am Mittwoch, dass die "European Premier League" nach dem Vorbild der NBA konstruiert werde. 18 Klubs, darunter wohl drei deutsche, ermitteln in Hin- und Rückspielen Play-off-Teilnehmer, die dann um die "Klub-Europameisterschaft" spielen.
Laut AS sollen "die großen europäischen Vereine" - also nicht nur Barcelona - der Idee bereits grundsätzlich zugestimmt haben. Starttermin: September 2022. Auf- oder Absteiger sind in diesem exklusiven Klub der Super-Reichen nicht vorgesehen. Real Madrid bestätigte der Zeitung, dass es "informiert" sei, aktuell gebe es aber "nichts Neues". Klub-Boss Florentino Perez gilt als Fan der Pläne.
Von UEFA, die ihr Glitzerprodukt Champions League gefährdet sieht, kam erneut die erwartete Gegenreaktion - wortgleich zur vergangenen Woche. Und überhaupt: So eine Superliga sei doch "langweilig".
Das sehen manche Klubs ganz anders. Bartomeu berichtete mit "Stolz", dass es Barca ohne die Unterstützung "von Magnaten und Staaten" gelungen sei, zum wertvollsten Klub der Welt aufzusteigen. Dank der Superliga, die von der US-Bank JP Morgan mit fünf Milliarden (!) Euro finanziert werden soll, könne der Klub "in den Händen der Mitglieder bleiben", also seine Identität wahren.
Superliga als finanzieller Befreiungsschlag
Aktuell plagen Barca 488 Millionen Euro Schulden, die jüngste Bilanz weist Verluste in Höhe von 97 Millionen Euro auf - Tendenz in Pandemiezeiten: steigend. Eine Superliga wäre für viele der Top-Klubs auch angesichts der steigenden Corona-Belastungen ein finanzieller Befreiungsschlag.
Die nationalen Ligen empfinden die Pläne als Bedrohung. Spaniens Ligaboss Javier Tebas sprach von einem "Phantom-Wettbewerb". Sollte Barca mitmachen, bedeute dies den "Ruin" des Klubs. Bartomeu, der letztlich über den Dauerstreit mit Superstar Lionel Messi stürzte, zeige seine "Ignoranz gegenüber der Fußball-Industrie" und erlebe ein "trauriges Ende".
Und was sagt die FIFA? Präsident Gianni Infantino betonte zuletzt, der Weltverband habe kein Interesse an einer europäischen Superliga. Er setze auf die neue Klub-WM mit 24 Teams, die 2022 in China Premiere feiern soll. An diesem Turnier, erklärte Bartomeu, werde Barca ebenfalls teilnehmen - sofern das Nachfolge-Präsidium zustimme. Hauptsache, die Klasse klingelt.