FC Barcelona: Mehr La Masia, kein Katar, ein Grillabend mit Messi - und Haaland? Laportas Barca-Pläne

Mark DoyleKerry Hau
29. März 202117:00
Mehr La Masia, Grillen mit Messi - und Haaland? Joan Laporta will beim FC Barcelona die Zeit zurückdrehen und den Klub auf der Säule der eigenen Jugend, mit Messi und Haaland in die Zukunft führen.getty
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Mit einem Schuldenberg von knapp 1,2 Milliarden Euro steht der FC Barcelona am finanziellen Abgrund. Die Rückkehr von Joan Laporta macht Hoffnung auf Besserung - weil unter dem neuen alten Präsidenten die zuletzt vernachlässigte Nachwuchsakademie La Masia wieder in den Vordergrund rücken soll. Zu einer Verpflichtung eines Topstars könnte es im Sommer trotz allem kommen. Und was wird eigentlich aus Lionel Messi?

Ilaix Moriba war aus dem Häuschen. Der 18-jährige Mittelfeldspieler hatte gerade mit seinem schwächeren linken Fuß sein erstes Tor für die Profis des FC Barcelona erzielt. Und plötzlich sprang ihm ein jubelnder Lionel Messi in die Arme.

"Diesen Moment", sagte Moriba nach dem 2:0-Auswärtssieg der Katalanen gegen CA Osasuna am 6. März, "nehme ich mit ins Grab. Unvergesslich!"

Es war nicht nur ein besonderer Moment für Moriba, sondern für den gesamten Klub. Die freudige Umarmung von Moriba und Messi symbolisierte die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des FC Barcelona.

Sie war eine Erinnerung an das, wofür der Klub einmal stand. Und demnächst wieder stehen könnte. Für einen Klub, der den eigenen Nachwuchs wieder in den Vordergrund stellt.

Katar statt UNICEF: Barcas Wertebruch nach Laporta

Etwas mehr als 24 Stunden nach Moribas symbolischem Treffer in Pamplona wurde Joan Laporta zum zweiten Mal zum Präsidenten des FC Barcelona gekürt. Zuvor hatte er von 2003 bis 2010 die Geschicke des Klubs gelenkt - und musste im darauffolgenden Jahrzehnt zusehen, wie sich die Blaugrana immer mehr von ihren eigenen Werten distanzierten.

Einige Beispiele:

  • Die jahrelange und weltweit für viel Anerkennung sorgende Gratis-Trikotwerbung für UNICEF, das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, wurde für einen 150 Millionen Euro schweren Deal mit der Qatar Foundation über Bord geworfen.
  • Die berüchtigte Verpflichtung des brasilianischen Supertalents Neymar im Jahr 2013 führte zu einem Rechtsstreit mit dessen abgebendem Verein, der letztlich mit der Trennung des korrupten Laporta-Nachfolgers Sandro Rosell seinen Höhepunkt erreichte. Obendrein belegte die FIFA den Klub kurz darauf wegen Transfers von minderjährigen Spielern mit einer einjährigen Transfersperre.
  • Rosells Nachfolger Josep Bartomeu trieb das jahrelange Führungschaos vor allem mit dem "Barcagate" auf die Spitze, einem Skandal, an dem eine PR-Firma beteiligt war, die von Bartomeu angeheuert wurde, um Spieler und Trainer - aktuelle wie ehemalige - auf Social-Media-Plattformen in Verruf zu bringen.

Vor allem aber litt La Masia, die hauseigene Talentschmiede. Nicht unmittelbar nach dem Abgang von Pep Guardiola 2011, den Laporta drei Jahre zuvor vom Trainer der zweiten Mannschaft zum Verantwortlichen der Profis befördert hatte. Denn auch Tito Vilanova, Guardiolas Nachfolger, führte die erfolgreiche Ära fort.

2012, bei einem Ligaspiel gegen UD Levante, ließ Vilanova elf Spieler aus La Masia gleichzeitig ran. Doch spätestens seit 2014, als der Trainer im Alter von nur 45 Jahren tragischerweise an Krebs verstarb, blieb der eigene Nachwuchs mehr und mehr auf der Strecke.

Wichtig für La Masia: Pep Guardiola und Tito Vilanova (r.).imago images

La Masia bei Barca im Hintergrund: "Schade! Er ist so klein"

Als Lionel Messi mit zarten 13 Lenzen zu Barca kam, gaben ihm seine Mannschaftskameraden den Spitznamen "Zwerg". "Ich war im Alter von 12 Jahren 1,70 Meter groß", sagte der ehemalige Akademie-Spieler Roger Gribet im Gespräch mit SPOX und Goal. "Aber er war nicht einmal 1,50 Meter groß!"

Zu dieser Zeit war Barca mehr an der Technik eines Spielers interessiert als an seiner Physis. Doch unter Bartomeus Regentschaft änderten sich die Prioritäten.

"Die Vorstellung des Klubs ist eine andere als früher", sagte ein ehemaliger Nachwuchscoach schon 2017 zu SPOX und Goal. "Was man jetzt bei den Probetrainings in La Masia hört, ist 'Schade! Er ist so klein.' Heutzutage suchen sie nach physisch starken Spielern, nicht nach talentierten."

Und weiter: "Wir haben den Spielern beigebracht, zu konkurrieren, das Fairplay zu respektieren und schließlich zu gewinnen. Cruyff fragte immer, wie wir gespielt hatten. Er fragte nie nach dem Ergebnis. Aber Barca B spielt, um zu gewinnen, und sie tun das mit Spielern, die nicht im Alter von Spielern in der Entwicklung sind, und das ist im Grunde genommen Betrug an den Jüngeren."

Kein Wunder also, dass der Klub immer mehr Eigengewächse verlor - vor allem in Richtung England. Klubs aus der Premier League köderten viele Talente mit der Aussicht auf größere Verträge und mehr Spielzeit - ein Problem, das La Masia auch schon vor der Ära Bartomeu hin und wieder heimgesucht hatte.

Ex-Barca-Jugendspieler: "Der Weg zu den Profis ist zu lang"

Gerard Pique und Cesc Fabregas etwa wurden als junge Spieler weggelockt, kehrten aber zumindest wieder nach Barcelona zurück. Im vergangenen Jahrzehnt verließen jedoch deutlich mehr Spieler die katalanische Talentschmiede. Sergio Canos zum Beispiel ging 2013 im Alter von 16 Jahren nach Liverpool.

"Zwei Jahre vor meinem Abschied wechselten Hector Bellerin und Jon Toral zu Arsenal", sagt der Mittelfeldspieler, heute beim englischen Zweitligisten FC Brentford unter Vertrag, im Gespräch mit SPOX und Goal.

"Ich dachte mir nur: Wow! Solche Fußballer, wirklich? Aber wenn du zu Arsenal oder Liverpool gehst, hast du nicht so einen langen Weg zu den Profis. Bei Barca musst du in der U17, U18, U19 und dann bei Barca B spielen, bis du eventuell die Chance bei den Profis bekommst. Der Weg ist zu lang. Es sei denn, du bist unglaublich und schießt jedes Wochenende drei Tore."

Unter Bartomeu sollte es bei Barca sogar zum Trend werden, Geld durch den Verkauf von vielversprechenden Jugendspielern einzunehmen, anstatt potenzielle Superstars für die erste Mannschaft zu produzieren.

Das jüngste Beispiel: Carles Perez, der 2020 für elf Millionen Euro an die AS Rom verkauft wurde. "Sie reden bei Barca viel darüber, wie gut der eigene Nachwuchs sei und wie sehr sie Jugendspielern helfen wollen. Aber am Ende machen sie das Gegenteil", sagte Perez kurz nach seinem Wechsel zu den Italienern. Einige junge Spieler wurden sogar verschenkt (Adama Traore) oder ohne jegliche Bemühungen ziehen gelassen (Xavi Simons, Dani Olmo).

Der Tiefpunkt ereignete sich am 17. April 2018, als Barca zum ersten Mal seit 16 Jahren eine Startelf ohne einen einzigen Spieler aus La Masia aufbot. Der Identitätsverlust war komplett, die Botschaft klar: Für die Top-Talente der Akademie gab es im Camp Nou keine Chancen mehr auf einen Platz in der ersten Mannschaft.

Laporta versuchte dem Talentverlust zum ersten Mal 2015 entgegenzuwirken, hatte bei den Präsidentschaftswahlen aber das klare Nachsehen gegen den damals amtierenden Chef Bartomeu, der sich mit dem Triple schmückte, das in erster Linie der Genialität des Sturmtrios Messi-Neymar-Suarez zu verdanken war.

FC Barcelona: Ansu Fati als Lichtblick - und Vorbild

Laporta blieb dennoch trotzig - und überzeugt davon, dass der Verein gerettet werden musste. "Ich habe trotz des Triples kandidiert, um zu zeigen, dass es ein anderes Modell für Barca gibt", sagte der Anwalt schon 2017 zu SPOX und Goal.

"Ein Modell, das nicht Katar einbezieht, das nicht La Masia zerstört und das nicht bedeutet, auf den Transfermarkt zu gehen und Spieler um jeden Preis zu verpflichten. Ich wollte zeigen, dass es einen Verein gibt, der UNICEF auf seinem Trikot haben kann, der auf dem Spielsystem basiert, das von Johan Cruyff erfunden wurde, der La Masia stärkt. Das ist das Modell des Klubs, das wir aufgebaut haben und das Bartomeu und seine Leute zerstören."

Laportas großer Vorwurf: "Sie haben von den Top-Spielern der ersten Mannschaft profitiert, aber nicht daran gearbeitet, die Stars von morgen zu integrieren. Abgesehen von Sergi Roberto, der noch aus unserer Zeit stammt, haben sie keinen einzigen Spieler aus La Masia geholt. Das Gegenteil ist der Fall: Sie haben Spieler verkauft und einige sind gegangen. Und für unser Modell ist das sehr beunruhigend. Wir müssen Spieler mit Talent nach oben bringen. Und in Barcas Jugendbereich steckt viel Talent. Sehr viel."

Er hatte nicht unrecht. Trotz des drastischen Kurswechsels in der Vorstandsetage und in La Masia hatte Barca tatsächlich einige begabte Spieler auf dem Zettel, die nur Geduld und Chancen benötigten.

Ansu Fati bewies das auf spektakuläre Weise. Der vielseitige Angreifer explodierte im August 2019 und wurde mit 16 Jahren und 304 Tagen der jüngste La-Liga-Torschütze in der Geschichte Barcas.

FC Barcelona: Alex Collado das nächste La-Masia-Produkt?

Er brach auch im darauffolgenden Jahr weitere Rekorde, bevor sein bemerkenswerter und schneller Fortschritt durch eine Knieverletzung im vergangenen November gebremst wurde.

Fatis Aufstieg, zusammen mit dem von Moriba und Riqui Puig, weckte bei den Fans die Hoffnung, dass eine neue Ära des Erfolgs um einheimische Helden aufgebaut werden könnte. Und es sind noch mehr unterwegs.

Alex Collado, ein 21-jähriger Rechtsaußen und Kapitän von Barca B, wird in der kommenden Saison mit hoher Wahrscheinlichkeit in den Profikader aufrücken. Ihm dürften früher oder später Ilias Akhomach (16/Sturm), Alejandro Balde (17/linke Verteidigung), Pablo Paez "Gavi" (16/Mittelfeld) und Angel Alarcon (16/linke Außenbahn) folgen. Sie sind personifizierte Lichtblicke in einer der dunkelsten Phasen in Barcas Geschichte.

Laporta hat es sich nach seinem Comeback nun zur Aufgabe gemacht, zu den Wurzeln zurückzukehren. Schon während seiner Wahlkampagne betonte er im Gespräch mit SPOX und Goal: "Cruyff, La Masia, Katalonien, UNICEF und eine professionelle Organisation - dafür muss Barca wieder stehen."

Joan Laporta ist seit März wieder Präsident des FC Barcelona - und hat große Pläne.getty

FC Barcelona: Kommt Erling Haaland, bleibt Lionel Messi?

Was anderes bleibt ihm sowieso nicht übrig. Sein Vorgänger hat einen horrenden Schuldenberg in Höhe von knapp 1,2 Milliarden Euro hinterlassen. Allein 400 Millionen Euro gab Bartomeu für die drei teuersten Spieler der Vereinsgeschichte aus: Philippe Coutinho, Ousmane Dembele und Antoine Griezmann.

Gut möglich, dass einer oder sogar mehrere dieser Spieler verkauft werden müssen, um den Klub finanziell wieder in die Spur zu bringen. Anderenfalls wäre auch so mancher Top-Transfer wie von Erling Haaland, Andre Silva oder David Alaba nicht zu stemmen. "Wir", sagt Laporta, "wollen wieder ein Barca, das begeistert."

Ein Barca, bei dem Lionel Messi wohl noch häufiger Ilaix Moriba jubelnd in die Arme springen wird. Es sei denn, das Urgestein von La Masia lässt sich zu einem ablösefreien Wechsel im Sommer hinreißen. Unter Laporta scheint eine Verlängerung aber wahrscheinlicher als ein Abschied.

Der neue alte Präsident versprach Anfang März in einem Interview mit der katalanischen Zeitung LaVanguardia: "Das mit Leo werde ich bei einem gemeinsamen Grillabend regeln. Spieler wie er oder auch Pique, Sergio Busquets, Sergi Roberto und Jordi Alba können jetzt nicht gehen. Sie müssen sich mit einem Champions-League-Titel verabschieden."