Ex-Schalke-Profi Omar Mascarell im Interview: "Nach dieser Nacht hatte ich Angst, vor die Tür zu gehen"

Kerry Hau
14. Oktober 202108:48
Omar Mascarell verließ den FC Schalke 04 nach drei Jahren.imago images
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Nach zwei Jahren bei Eintracht Frankfurt und drei Jahren bei Schalke 04 verließ Omar Mascarell (28) die Bundesliga in diesem Sommer, um in seine Heimat Spanien zurückzukehren - allerdings nicht auf eine für ihn würdige Art und Weise. Mascarell zählte zu den Spielern, die nach Schalkes Abstieg in die 2. Liga von erzürnten Fans attackiert und sogar bis nach Hause verfolgt wurden.

Im Interview mit SPOX und Goal spricht der mittlerweile beim FC Elche unter Vertrag stehende Mittelfeldspieler erstmals über jene Nacht im April - und einige andere "Dinge", die auf Schalke "besser hätten laufen können".

Mascarell äußert sich aber auch zu guten Zeiten unter David Wagner und erklärt, warum er seinen Wechsel von Frankfurt nach Gelsenkirchen nicht bereut. Zudem spricht er über die aktuelle Situation der Eintracht und eines Landsmanns, der bei der SGE nicht zum Zug kommt.

Omar, nach fünf Jahren in Deutschland sind Sie zurück in der Heimat. Ein gutes Gefühl, oder?

Omar Mascarell: Ein unglaubliches Gefühl! Ich habe die Zeit in Deutschland sehr genossen, aber es hat mir gefehlt, nahe an meiner Familie und meinen Freunden zu sein. Deshalb kam für mich auch kein anderes Land in Frage. Spanien war meine erste Option, als klar war, dass ich Schalke verlasse.

Bei Ihrem neuen Arbeitgeber, dem FC Elche, kommen Sie schon auf fünf Einsätze. Ihr Vertrag läuft nur bis zum nächsten Sommer. Gibt es schon einen langfristigen Plan?

Mascarell: Bislang nicht, wir werden uns im Laufe der Saison zusammensetzen und sprechen, was das Beste für alle Seiten ist. Ich kann nur sagen, dass ich mich hier sehr wohlfühle und neben einem tollen Verein mit tollen Mitspielern auch eine sehr schöne Umgebung vorgefunden habe. Für mich war es nach einem so schlechten Jahr auf Schalke einfach wichtig, wieder ein bisschen Ruhe reinzukriegen und Spaß am Fußball zu haben. Elche hat mir das beste Gefühl gegeben - unabhängig von der Vertragsdauer. Ich bin sowieso keiner, der in die Zukunft schaut. Es geht um die tägliche Leistung - und dass man wieder das genießt, was man macht.

Das war in Gelsenkirchen zuletzt offensichtlich nicht der Fall.

Mascarell: Ich versuche immer das Positive zu sehen. Im Endeffekt hatte ich von drei Jahren auf Schalke nur ein richtig schlechtes, ich durfte mir meinen Traum von der Champions-League-Teilnahme erfüllen und die Kapitänsbinde tragen. Das werde ich nie vergessen. Ich bin aber realistisch genug, um zu sagen, dass ich es sehr bedauere, wie meine letzte Saison dort abgelaufen ist. Das war eine schreckliche Erfahrung - und leider habe ich mich nicht so verabschiedet, wie ich es gerne getan hätte. Wegen des Abstiegs. Wegen meiner Leistungen, die nicht gut genug waren. Aber auch wegen Corona, weil keine Fans in die Stadien durften.

Omar Mascarell bestritt 71 Pflichtspiele für Schalke 04.imago images

Mascarell: "Es gibt viele Egoisten im Fußball"

Was hat Sie in dem Abstiegsjahr persönlich am meisten mitgenommen?

Mascarell: Es gab einige Dinge, die besser hätten laufen können. Ich war immer loyal und ehrlich zu Schalke. Ich hätte das sinkende Schiff mehrere Male verlassen können, wollte Schalke aber nicht im Stich lassen. Diese Loyalität hätte ich mir auch vom Verein gewünscht.

Inwiefern?

Mascarell: Zu Beginn der vergangenen Saison hat der Verein mich ohne mein Wissen bei Hertha BSC angeboten. Michael Reschke hat dann nicht mir persönlich, sondern nur meinem Berater gesagt, dass man mich gerne nach Berlin verkaufen würde. Das hat sehr wehgetan. Ich wollte nicht weg. Ich war zu dieser Zeit der Kapitän und hatte das Gefühl, dass es einfach falsch wäre, in so einer Phase abzuhauen. Ich habe ja auch viele Freunde in der Mannschaft und im Verein gefunden, die mir bis heute viel bedeuten. Warum also hätte ich gehen sollen?

Vielleicht wollte Sie der Verein von der Gehaltsliste haben.

Mascarell: Zu Beginn der Corona-Krise habe ich als Kapitän sofort einer Gehaltskürzung zugestimmt. Das war überhaupt kein Problem für mich. Ich habe ehrlich gesagt keine Erklärung für das Verhalten gegenüber mir. Man hat mir im Laufe dann ja auch die Kapitänsbinde weggenommen, ohne mich darüber zu informieren oder die Gründe dafür zu nennen. Ich war vom einen auf den anderen Tag raus, das war sehr bitter. Aber so funktioniert der Fußball leider oft. Es gibt sehr viele Egoisten, einige vertreten nur ihre eigenen Interessen und verfallen in Aktionismus - gerade dann, wenn es schlecht läuft... Hauptsache, es rollen Köpfe.

Ihr Tiefpunkt auf Schalke dürfte jene Nacht gewesen sein, in denen Sie und andere Spieler von eigenen Fans attackiert und verfolgt wurden.

Mascarell: Das war der Tiefpunkt, ja. Ich verstehe jeden Fan, der sich aufregt, wenn seine Mannschaft schlecht spielt. Ich habe, wie die gesamte Mannschaft, in der vergangenen Saison nicht auch nur im Ansatz meine Normalform erreicht. Ich kann mit Beleidigungen und Vorwürfen leben, kein Problem. Aber wenn es so weit geht, dass du Angst um dein Leben hast und dich nicht einmal in deinen eigenen vier Wänden sicher fühlst - das sollte einfach nicht sein. Nach dieser Nacht hatte ich Angst, vor die Tür zu gehen. Das hätte ich nie für möglich gehalten, weil ich auf Schalke auch vielen tollen Fans begegnet bin. Denen wünsche ich auch nur das Beste, weil sie es verdienen, dass ihr Verein wieder in der Bundesliga spielt. Ich hoffe nur, dass der Verein aus dieser Nacht gelernt hat und seine Spieler fortan besser schützt. So etwas darf nicht passieren.

Hand aufs Herz: Bereuen Sie es, 2018 von Eintracht Frankfurt zu Schalke gewechselt zu sein?

Mascarell: Nein, überhaupt nicht. Es war damals ein Karrieresprung, der mich als Spieler und Mensch weitergebracht hat. Die ersten sechs, sieben Monate unter David Wagner zum Beispiel, die waren unglaublich. Da hatte man das Gefühl, dass wir uns dauerhaft als Team etablieren können, das um die europäischen Plätze mitspielt. Danach lief es leider schlecht. Insgesamt bin ich Schalke aber sehr dankbar und will bald auch wieder zu Besuch nach Gelsenkirchen kommen, weil ich dort nach wie vor viele Freunde habe.

Und wie denken Sie über Ihre Zeit in Frankfurt?

Mascarell: Frankfurt ist wie ein zweites Zuhause für mich. Ich liebe die Stadt, ich liebe den Verein. Wir hatten eine tolle Zeit, gerade mit dem Pokalsieg 2018. Das sind Momente, die einem für immer in Erinnerung bleiben. Auch dort habe ich noch sehr viele Freunde, mit denen ich ständig in Kontakt bin. Generell bin ich sehr glücklich, dass ich die Gelegenheit hatte, fünf Jahre in Deutschland zu verbringen. Klar, die Temperaturen waren zum Teil etwas gewöhnungsbedürftig, aber es war aufregend, die Sprache zu lernen und sich mit der deutschen Kultur auseinanderzusetzen. Das hat mich menschlich extrem reifen lassen.

Wie bewerten Sie die Entwicklung der Eintracht seit Ihrem Abgang?

Mascarell: Im Großen und Ganzen gut. In den vergangenen Jahren waren dort Leute mit einer klaren Linie und Philosophie am Werk. Auf Schalke war es ja zum Beispiel so, dass ständig die Funktionäre und dadurch auch die Trainer gewechselt wurden. Wir Spieler wussten eigentlich nie, wer das Sagen hatte. Es gibt dir als Spieler auch ein gutes Gefühl, wenn du weißt, was der Verein vorhat. Auch mit dir.

Arbeiteten gerne zusammen: David Wagner und Omar Mascarell.getty

Mascarell macht sich für Eintracht-Talent stark

Ein Landsmann von Ihnen, Fabio Blanco, kann das gerade nicht unbedingt von sich behaupten.

Mascarell: Ich kenne Fabio seit Jahren, er ist eines der besten Talente im spanischen Fußball. Er hatte Angebote von europäischen Top-Vereinen, die die Champions League gewinnen wollen, und ich habe ihm empfohlen, zur Eintracht zu wechseln.

Jetzt spielt er in der U19 und macht nur teilweise im Profitraining mit. Wie schätzen Sie seine Situation ein?

Mascarell: Es ist nicht logisch, was gerade geschieht. Ich glaube nicht, dass es das ist, was sie ihm versprochen haben. Ich weiß, dass es eine Weile dauern kann, sich in der ersten Mannschaft zu etablieren, aber ich glaube nicht, dass er das Niveau erreichen wird, das der Trainer erwartet, indem er nur um das Spielfeld herumrennt, ohne mit der Gruppe zu trainieren.

Eintracht-Coach Oliver Glasner sagte auf einer Pressekonferenz, dass Blanco Zeit benötige, um sich anzupassen.

Mascarell: Ich war in meiner ersten Saison in der ersten spanischen Liga kein Stammspieler, ehe ich von Sporting Gijon nach Frankfurt wechselte. Dort habe dann sofort immer von Anfang gespielt. Ich war einer der aggressivsten Spieler in der Bundesliga, nachdem einige mir in Spanien gesagt hatten, es fehle mir an Körperlichkeit und Intensität. Außerdem spielt Gavi, einer von Fabios Teamkollegen in der spanischen U18-Nationalmannschaft, für die erste Mannschaft von Barca und ist mittlerweile auch Teil der A-Nationalmannschaft. Es lohnt sich, jungen Spielern Vertrauen zu schenken. Gerade welchen mit so viel Talent wie Fabio.

Die Profistationen von Omar Mascarell

VereinZeitraum
Real Madrid2013 bis 2014
Derby County2014 bis 2015
Sporting Gijon2015 bis 2016
Eintracht Frankfurt2016 bis 2018
Schalke 042018 bis 2021
FC Elcheseit 2021