Antonio Puerta, Sevilla und Schalke: Tod und Freundschaft

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Kaum eine europäische Fußball-Stadt gedenkt einem verstorbenen Ex-Spieler so hingebungsvoll wie Sevilla Antonio Puerta. Dank eines Treffers gegen den FC Schalke 04 gilt er als Begründer der großen Ära des FC Sevilla - und steht symbolisch für die Freundschaft zwischen den beiden Klubs.

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Antonio Puerta ist zwar tot, in Sevilla aber trotzdem überall! Zum Beispiel an den Wänden der Bar des Fanclubs Al Relente, diesem Mosaik aus Schals, Trikots und Bildern. Etliche davon erinnern an den vielleicht beliebtesten Lokalmatadoren, den der FC Sevilla je hatte. Aufgewachsen im Viertel Nervion neben dem Estadio Ramon Sanchez Pizjuan, Fan seit Kindheitstagen, als Spieler Begründer einer Ära, 2007 tragisch verstorben.

"Ich lebe in den Wohnbauten neben dieser Bar", sagt Gaston Quintela zu SPOX und GOAL und zeigt aus dem Fenster. Hinaus in die sengende Hitze, die an diesem Mai-Vormittag längst erdrückend ist. "Ich kann mich daran erinnern, wie er als Kind in den Straßen hier gespielt hat." Eine davon trägt heute seinen Namen: Calle Antonio Puerta, sie führt an der Bar vorbei fast bis zum Sanchez Pizjuan.

Quintela ist Mitglied des Fanclubs Al Relente, den Puertas Opa Ende der 1950er-Jahre mitbegründet hat. Bis zu seinem Tod ging Puerta auch als Profi des FC Sevilla in der Bar ein und aus, genau wie es sein Vater bis heute macht. "Er kommt sehr oft vorbei. Erst heute morgen Morgen hat er hier gefrühstückt", sagt Quintela.

Antonio Puerta spielte von 2004 bis zu seinem Tod 2007 für die Profis des FC Sevilla. In 78 Pflichtspielen gelangen ihm zehn Scorerpunkte.
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Antonio Puerta spielte von 2004 bis zu seinem Tod 2007 für die Profis des FC Sevilla. In 78 Pflichtspielen gelangen ihm zehn Scorerpunkte.

FC Sevilla: Antonio Puerta begründete die Europa-League-Ära

Besuche müssen für Puerta Senior gleichermaßen beklemmend wie wunderschön sein. Erinnern sie ihn doch einerseits an den Tod seines Sohnes, aber gleichzeitig auch an dessen Stellung in der Stadt und größte Heldentat: sein entscheidendes Tor in der Verlängerung im Halbfinal-Rückspiel des UEFA-Cups 2006 gegen den FC Schalke 04. "Es war der Beginn unserer großen Ära, aber das wussten wir damals natürlich noch nicht", sagt Quintela.

Das Schalke um Marcelo Bordon, Lincoln und Kevin Kuranyi war die größte Hürde, im anschließenden Endspiel gelang ein lockeres 4:0 gegen den FC Middlesbrough. Sevilla holte damit den ersten Titel seit 1948 und erstmals überhaupt den UEFA-Cup. Fünf weitere Triumphe sollten im mittlerweile umbenannten Wettbewerb folgen, der FC Sevilla avancierte zum König der Europa League. Puerta erlebte aber nur mehr den zweiten Titel 2007 mit, als er im Elfmeterschießen traf.

Beim Auftaktspiel der darauffolgenden Saison gegen den FC Getafe kollabierte Puerta wegen einer erblich bedingten Herzkrankheit auf dem Platz. Anschließend schaffte er es zwar eigenständig in die Kabine, brach dort jedoch erneut zusammen. Insgesamt fünfmal musste er wiederbelebt, im Krankenhaus schließlich künstlich beatmet werden. Drei Tage nach dem Spiel verstarb Puerta im Alter von nur 22 Jahren.

Sevilla versank in Trauer, widmete sich mit allem Trotz aber schnell der Erinnerungsarbeit. Kaum eine europäische Fußball-Stadt gedenkt einem verstorbenen Ex-Spieler so hingebungsvoll wie Sevilla Puerta. "Es ist schon paradox, dass ihn sogar die jüngeren Generationen kennen und fühlen - ohne je einen Moment mit ihm geteilt zu haben", heißt es auf der Website von Al Relente.

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Antonio Puertas Opa war einer der Mitbegründer des Sevilla-Fanclubs Al Relente, sein Vater besucht die unweit des Estadio Ramon Sanchez Pizjuan gelegene Bar bis heute regelmäßig.
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Antonio Puertas Opa war einer der Mitbegründer des Sevilla-Fanclubs Al Relente, sein Vater besucht die unweit des Estadio Ramon Sanchez Pizjuan gelegene Bar bis heute regelmäßig.

Nervion und Ramos gedenken Antonio Puerta

Rund einen Kilometer von der Fanclub-Bar entfernt, befindet sich das Vereinsgelände seines Kindheitsklubs AD Nervion. "Centro Deportivo Antonio Puerta" heißt die Anlage mit seinem Mini-Stadion heute, an jenem Mai-Vormittag wirkt sie wie ausgestorben. Viel zu heiß ist es zum Fußballspielen, aber ein einsamer Mitarbeiter kümmert sich trotzdem um die Bewässerung des Kunstrasenplatzes.

Englisch spricht er zwar nicht, aber das Codewort "Antonio Puerta" löst ein Strahlen in seinen Augen aus und dient als Schlüssel in die Trophäen-Halle, in der es vor Puerta-Memorabilia nur so wimmelt. Für den Kontext: Puerta spielte hier von sechs bis acht, ehe er in die Jugendabteilung des großen FC Sevilla wechselte.

Dort traf Puerta auf Sergio Ramos, der sich nach dem Tod seines Kumpels wegen dessen jüdischen Glaubens einen Davidstern tätowieren ließ. Als Ramos mit der spanischen Nationalmannschaft die Europameisterschaften 2008 und 2012 und die Weltmeisterschaft 2010 gewann, trug er bei den Feierlichkeiten ein T-Shirt mit Puertas Gesicht und der Aufschrift: "Siempre con nosotros". Immer mit uns.

Eigentlich hätte Puerta diese Feste mitfeiern sollen, 2006 berief ihn Trainer Luis Aragones erstmals in die Nationalmannschaft. Ein kreativer linker Außenbahnspieler war er, Quintela erinnert sich an einen "fröhlichen, erfinderischen" Fußballer: "Es hat Spaß gemacht, ihm zuzuschauen." In Sevilla verehrten sie ihn aber nicht nur wegen seiner fußballerischen Klasse, sondern viel mehr wegen seiner Liebe und Treue für Stadt und Klub. Selbst Angebote von Manchester United und dem FC Arsenal konnten ihn nicht zu einem Abgang bewegen.

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