Der Star ist der Trainer

Von Fatih Demireli
Glücklich in der Hauptstadt: Thomas Doll trat im Sommer die Nachfolge von Samet Aybaba an
© anadolu

Thomas Doll hat in der Türkei sein Trainerglück gefunden. Der ehemalige Bundesliga-Trainer des Hamburger SV und von Borussia Dortmund führte nicht nur seinen Klub Genclerbirligi ins Rampenlicht, sondern entwickelte sich zu einem gefragten Mann in der Süper Lig. Erste Interessenten sollen sich bereits gemeldet haben, doch sein Klub will ihn mit aller Macht halten.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Trainer haben in der Türkei kein leichtes Leben. "Wir haben 70 Milionen Trainer im Land und alle sind Experten", sagte einst Fatih Terim.

Selbst seine Qualitäten werden immer wieder in Frage gestellt. Dass sein Briefkopf mit Europapokalsieg und Serienmeisterschaften sowie Stationen wie Mailand und Florenz ausgestattet ist, interessiert die Kritiker nicht.

Cavcavs Trainerlaunen

Auch Thomas Doll hätte es sich vor seinem Wechsel zum Hauptstadtklub Genclerbirligi sicher einfacher machen können. Zwar steht der Klub nicht so im Rampenlicht wie Besiktas, Fenerbahce oder Galatasaray, aber dafür einen Präsidenten, der es sich in den letzten Jahren fast zur Lebensaufgabe gemacht hat, die Saison nicht mit dem Trainer zu beenden, mit dem sie begann.

Ilhan Cavcav (74), seit 1978 ununterbrochen Präsident des Klubs, wechselte in den vergangenen Jahren regelmäßig die Übungsleiter aus.

Wenn der direkte Vergleich rettet...

Vor zwei Spielzeiten waren es vier Trainer in einer Saison, 2008/2009 durften sich zwei Trainer versuchen, wobei der zweite direkt nach dem letzten Spieltag, als Genclerbirligi nur aufgrund des besseren direkten Vergleichs nicht in die 2. Liga abstürzte, das Weite suchen musste.

Nun also Thomas Doll. Der Deutsche hat in Ankara bis dato nicht nur Cavcavs Launen überlebt, sondern es in das Herz des alten Funktionärs geschafft. Doll darf regelmäßig in die Mehlfabrik des tüchtigen Geschäftsmannes zum gemeinsamen Tee vorbeischauen. Jetzt soll der 43-Jährige sogar seinen auslaufenden Vertrag verlängern. "Wir sind mit ihm sehr zufrieden, unser Trainer macht tolle Arbeit", sagt Sportdirektor Cem Onuk.

Keine Schulden, keine Fans

Genclerbirligi ist Siebter, spielt guten Fußball und das mit einer sehr jungen Mannschaft, die Doll vor der Saison noch mit vielen Schwierigkeiten zusammenstellen musste. Zahlreiche an den Schwesterklub Hacettepe ausgeliehene Spieler standen beim Trainingsauftakt plötzlich auf dem Platz. Doll musste gemeinsam mit Co-Trainer Ralf Zumdick fast 20 Spieler aussortieren und neue dazu holen. Nicht die einzige Schwierigkeit.

Zwar hat der Klub als einer der ganz wenigen in der Süper Lig keine Schulden, aber dafür auch fast kein Publikum. An guten Tagen sind 4.000 Fans im Stadion, zumal die Menschen lieber zum Lokalrivalen Ankaragücü gehen. "Wir müssen etwas machen. Wir brauchen die Leute im Stadion. Kein Klub kommt nach Ankara und hat Respekt. Deswegen sind wir auswärts auch stärker", so Doll.

Der Türkei-Twitter von SPOX

Torwart schwärmt

Die fehlende Unterstützung muss sein Team durch die Arbeit auf dem Platz aufholen und so eventuell neue Fans gewinnen. Mit Doll hat der Klub diesen Weg eingeschlagen und die Mannschaft zieht mit: "Er hat so viel Energie, die er auf uns überträgt, aber dabei die Disziplin nicht verliert", schwärmt Torhüter Serdar Kulbige. Bei Genclerbirligi ist der Trainer der Star.

Der Erfolg hat sich herumgesprochen. Beschwerte sich Doll noch zu Beginn über zu wenig Aufmerksamkeit in den Medien, wird Genclerbirigi inzwischen immer mehr wahrgenommen. In den unzähligen Fußballsendungen Sonntagabends gibt es zwar keinen Genclerbirligi-Experten mit am Tisch, aber immerhin werden die "Gencler" (zu dt. "die Jungen") vermehrt thematisiert und nicht nur als "der Gegner" von einem der großen Klubs abgetan.

Noch keine Entscheidung

Doll ist nach seiner glücklosen Zeit bei Borussia Dortmund und zum Teil beim Hamburger SV der Befreiungsschlag in der Süper Lig gelungen. Zwar liebäugelt Doll auch mit einer Rückkehr in die Bundesliga, aber ein Verbleib in der Süper Lig scheint ebenso nicht ausgeschlossen. Fraglich ist nur, bei welchem Verein.

"Mein erster Ansprechpartner ist Genclerbirligi. Wir werden noch im Februar die Gespräche aufnehmen, aber entschieden ist noch nichts", so Doll, der erst die Entwickung des Klubs abwarten will.

Duell mit Besiktas

Angeblich soll auch Besiktas, der Gegner am Freitagabend (18.45 Uhr im LIVE-TICKER), für die kommende Saison interessiert sein. Klub und Trainer dementieren. "Es ist nicht korrekt, dass vor so einem Spiel diese Spekulationen wieder aufkommen. Mein Berater hat mit Besiktas nicht gesprochen", so Doll.

Am Freitagabend werden dennoch alle Augen auf Doll gerichtet sein. "Ich bin nicht der Hauptdarsteller am Freitag, die Hauptdarsteller werden auf dem Platz stehen", so Doll. Mit einem Sieg im Inönü-Stadion wäre er allerdings spätestens am Sonntagabend wieder ein heißes Thema...

Alle Informationen rund um die Süper Lig