SPOX: Ilhan Mansiz, viele Fußballer werden nach ihrer Karriere Trainer, Manager, Spielerberater oder gehen wie Ihr Ex-Nationalmannschaftskollege Hakan Sükür in die Politik. Sie wurden Eiskunstläufer. Ganz einfache Frage: warum?
Ilhan Mansiz: Ich habe schon zu meiner aktiven Zeit gesagt, dass ich mehr kann, als nur Fußball zu spielen. Ich wollte in diesem Geschäft nicht bleiben, weil es mir zu eintönig ist. Ich wollte eine neue Herausforderung und neue Grenzen ausloten.
SPOX: Sie hatten eine recht erfolgreiche Fußball-Karriere.
Mansiz: Was heißt erfolgreich? Eine gute Karriere dauert zehn Jahre. Meine hat nur vier Jahre gedauert und dann war sie auch schon wieder vorbei.
SPOX: Dennoch ist es verwunderlich, dass Sie diesen Weg eingeschlagen haben, zumal Sie Chance hatten, weiter Profi-Fußball zu betreiben.
Mansiz: Es gibt viele Sportler, die nach ihrer Fußballerkarriere etwas anderes probiert haben. Manni Burgsmüller hat sich im American Football probiert - gut, nur als Kicker und der Bewegungsablauf und die Art ist mit dem Fußball sehr ähnlich. Mein neuer Sport ist dagegen etwas ganz Neues. Es war der Reiz da, zu zeigen, dass man in jedem Alter etwas Neues schaffen kann.
SPOX: Wie schwierig war die Umstellung?
Mansiz: Ich musste erstmal Schlittschuhlaufen lernen! Erst einmal ganz normales Laufen, dann die komplexeren Bewegungen. Das nimmt extrem viel Zeit in Anspruch. Es wäre das gleiche, wenn sich jemand mit 36 Jahren entscheidet, ab sofort Fußballer zu werden. Das muss er ja auch erst einmal lernen und extrem viel trainieren.
SPOX: Auslöser der Eiskunstlauf-Karriere war die TV-Show 'Buzda Dans', die türkische Version von 'Dancing on Ice'. Sie haben 2007 mitgemacht und gleich gewonnen.
Mansiz: Zu dem Zeitpunkt ging es körperlich mit dem Fußball nicht mehr. Ich hatte zwar nicht offiziell aufgehört, aber meine Knie haben es nicht mehr zugelassen. Ich wollte aber nicht nur rumsitzen und Urlaub machen. In dieser Zeit habe ich das Angebot bekommen, in der Show mitzumachen. Es hat gepasst, ich habe es angenommen.
SPOX: Ihre Fans waren total begeistert und auch die Einschaltquoten waren gigantisch. Wie hat ihr persönliches Umfeld reagiert?
Mansiz: Die Show damals war im Vergleich zu heute Kindergarten. Das war nicht vergleichbar, aber der Erfolg hat mir gezeigt, dass ich auch in dieser Sportart bestehen kann. Dennoch haben viele in meinem Umfeld gesagt: 'Junge, spiele doch noch einmal Fußball. Mit dem ganzen Aufwand für das Eislaufen schaffst du auch wieder das Comeback beim Fußball.' Aber das hat mich nicht mehr gereizt.
SPOX: Per Twitter bekommt man Ihren Tagesablauf so ein bisschen mit. Man hat das Gefühl, dass Sie in der Tat sehr viel Zeit investieren.
Mansiz: Ich bin eigentlich nur im Training. Wenn wir auf dem Eis sind, habe ich mit meiner Partnerin Olga Bestandigova Paarlauf-Einheiten. Zudem muss ich aber auch individuell besser werden. Man hat am Tag drei, vier Einheiten.
SPOX: Das große Ziel heißt Olympia 2014 in Sotschi. Klappt es?
Mansiz: Wir sind jetzt zehn Monate ohne große Unterbrechung auf dem Eis. Wir haben uns einen realistischen Zeitplan erstellt, momentan stehen wir ganz gut da. Nächstes Jahr fangen wir mit den Wettkämpfen an. Wenn die Entwicklung so weitergeht, dann klapp es auch mit Sotschi.
SPOX: Sie wollen in Sotschi für die Türkei starten. Gibt es Kontakt zum Verband?
Mansiz: Der Verband hat mich im letzten Dezember kontaktiert. Sie finden es großartig und wollen mich unterstützen. Da war ich aber erst vier Monate auf dem Eis. Wenn wir uns dem Verband vorstellen, möchten wir ernst genommen werden und deswegen haben wir uns darauf verständigt, dass wir uns melden, wenn wir soweit sind.
Ilhan Mansiz in Aktion bei "Buzda Dans"
SPOX: Sie machen nicht nur auf dem Eis eine neue Erfahrung. Sie haben bei einer türkischen Serie mitgespielt, das Quiz-Taxi in der Türkei gefahren. Hat es Ihnen gefallen?
Mansiz: Ganz ehrlich, das ist nicht meine Welt. Klar, es macht Spaß, aber der ganze Ablauf ist nicht geregelt. Man muss immer mit großen Verzögerungen rechnen. Für einen Sportler, der einen geregelten Ablaufplan hat, ist das schwer zu verstehen. Bei der Taxi-Show haben wir von morgens 10 Uhr bis nachts 2 Uhr gedreht, weil wir nicht wussten, wie viele Kandidaten wir brauchen, um die Sendung vollzubekommen. Es hat sich herausgestellt, dass vier gereicht hätten.
SPOX: Ihre Fußballerkarriere ist auch voller Überraschungen. Mit 28 sind Sie nach Japan gegangen. Haben Sie den Hang dazu, das Ungewöhnliche zu machen?
Mansiz: Einen Hang dazu habe ich mit Sicherheit. Ich bin nicht angekommen. Ich bin einer, der immer unterwegs sein muss. Mit 28 geht man nicht nach Japan, das ist mir schon klar, aber es sind immer die Umstände, die man sehen muss.
SPOX: Was waren das für Umstände?
Mansiz: Besiktas und Vissel Kobe waren sich schon länger einig. Und zu dem Zeitpunkt hatte ich auch keine andere Alternative. Ich hatte damals Gespräche mit Bayern München, Hertha BSC oder Fulham, aber ich habe mich für die Vertragsverlängerung bei Besiktas entschieden und damit alle anderen Türen verschlossen. Sechs Monate später wollte mich Kobe unbedingt verpflichten und Besiktas wollte mich quasi loswerden, deswegen war es das Beste, zu gehen.
SPOX: Wieso war Bayern keine Option?
Mansiz: Das war direkt nach der WM 2002. Wir haben uns darauf verständigt, dass wir in Kontakt bleiben, aber dann hatte ich innerhalb kürzester Zeit drei Knieoperationen. Das wurde zum Problem.
SPOX: Sie haben zuletzt bei Twitter "gedroht": Spielt gescheit, sonst muss ich mit 36 Jahren wieder anfangen. Ist der Reiz noch da?
Mansiz: Ehrlich gesagt schon. Wenn ich manchmal die Leute Fußballspielen sehe, denke ich: "Das kann doch nicht wahr sein!" Ich will niemanden unterschätzen, aber seit ich Eiskunstlauf betreibe, merke ich, wie wenig Fußballer trainieren. Im Fußball wird auch zu wenig auf persönliche Defizite eingegangen. Ich komme aus dem Fußballer-Metier und weiß, wie die meisten ticken und welchen Tagesablauf sie haben. Es ist schade, dass man zu wenig daraus macht.
SPOX: Gibt es eine offene Tür für den Fußball?
Mansiz: Manchmal denke ich schon: Mensch, warum nicht? Aber ich müsste einen Riesenaufwand betreiben, um noch einmal anzufangen. Außerdem habe ich jetzt eine neue Herausforderung. Ich muss das Thema Fußball abhaken.
SPOX: Sie hatten durchaus Chancen, wieder zurückzukehren. 1860 wollte Sie 2009 zum Beispiel haben. Warum haben Sie abgelehnt?
Mansiz: Bei Sechzig wäre der Aufwand okay gewesen. Ich hatte sieben Operationen an beiden Knien und hatte dennoch Probleme. Die sind jetzt behoben, aber ich müsste trotzdem jeden Tag zur Behandlung. Bei 1860 kam hinzu, dass mir die Atmosphäre im Verein nicht gepasst hat. Jemand wie ich, der in der Türkei diese Atmosphäre erlebt hat, wird sich überall auf der Welt schwer tun. Diese Leidenschaft gibt es nirgendwo anders - vielleicht noch in Südamerika. Ich habe kapiert, dass ich nie mehr dasselbe Gefühl und die Atmosphäre wie bei Besiktas bekommen kann.
SPOX: Sie sind bekennender Besiktas-Fan, haben den Adler sogar überdimensional als Tattoo auf Ihrem Körper verewigt.
Mansiz: Ja, auf alle Fälle! Deswegen tut es mir umso mehr weh, wenn ich sehe, welche Fehler da gemacht werden.
SPOX: Besiktas hat in der vergangenen Saison alles gekauft, was Rang und Namen hat: Bernd Schuster, Ricardo Quaresma, Guti, Simao, Fernandes oder Hugo Almeida. Warum gab es dennoch keinen Erfolg?
Mansiz: Weil wir Türken alles zu schnell wollen. Gutes braucht Zeit. Man kann nicht erwarten, dass neue Spieler sofort den Erfolg bringen. Geld allein macht nicht glücklich, sonst müsste Fenerbahce jedes Jahr Meister werden.
SPOX: War Bernd Schuster ein Fehler?
Mansiz: Ich konnte das nur von Außen beobachten, aber ich hatte schon das Gefühl, dass er sich eine Stufe höher als die Leute in der Türkei gesehen hat und er war auch etwas zu arrogant, um Fehler zuzugeben. Seinen Rücktritt fand ich dann wiederum bemerkenswert, zumal er keine Abfindung gefordert haben soll.
SPOX: Ihr Ex-Mitspieler Tayfur Havutcu ist jetzt offiziell Trainer. Was halten Sie von der Entscheidung?
Mansiz: Ich hätte nicht erwartet, dass der Verein so viel Rückgrat beweist und Tayfur eine Chance gibt. Ich finde die Entscheidung gut. Tayfur ist ein feiner Kerl und hat auch eine gewisse deutsche Mentalität. Ich hoffe, dass er Erfolg haben wird. Aber klar ist, dass es sehr schwer wird.
SPOX: Nehmen wir an, dass er Sie anruft und um Ihre Hilfe bittet. Nicht als Spieler, sondern in einer anderen Funktion. Wie würde Ihre Antwort aussehen?
Mansiz: Ich kenne mich gut. Meine Persönlichkeit verbietet es mir, für jemanden anderes zu arbeiten. Ich möchte immer - egal, was ich mache - ganz oben sein. Außer eine Führungsrolle bei Besiktas würde für mich nichts in Frage kommen.
SPOX: Anderes Thema: Nuri Sahin und Hamit Altintop sind zu Real Madrid gewechselt. Sie kennen beide Spieler recht gut. Hätten Sie das erwartet?
Mansiz: Bei dem einem hat es mich nicht überrascht, dass er zu Real geht. Bei dem anderen schon. Nuri hat eine überragende Bundesliga-Saison gespielt und viel Potenzial. Ich kenne Hamit persönlich sehr gut, er ist ein sehr netter und feiner Kerl, menschlich klasse. Es ist für mich aber schwer zu verstehen, dass jemand, der bei Bayern auf der Bank sitzt zu einem noch größeren Klub geht, obwohl er mehr Spielzeit haben wollte.
SPOX: Guus Hiddink sagt, dass es Hamit trotz aller Qualitäten schwer haben wird, überhaupt zu spielen. Wie sehen Sie das?
Mansiz: Da muss ich Hiddink Recht geben. Bei Real wird es hundert Mal so schwer wie bei Bayern, weil die Qualität viel höher ist.
Besiktas im Profil