Liebe Freunde,
zu Beginn würde ich gerne mal mit einem weit verbreiteten Vorurteil aufräumen. Es heißt ja immer, die türkischen Fußball-Fans seien, nun ja, etwas emotionaler als an anderen Orten. Das könnt ihr mal komplett vergessen, stimmt absolut nicht. Es ist eine gnadenlose Untertreibung. Sie sind nicht etwas emotionaler - sie sind so unfassbar leidenschaftlich, dass man es fast nicht in Worte packen kann. Die Anhänger hier lieben und leben ihren Verein mit jeder Faser ihres Körpers.
Ich durfte das gerade erst wieder erleben, bei unserer Meisterfeier. So viel Freude. So viel Leidenschaft. Unglaublich. Und wenn ihr glaubt, ich würde übertreiben: Schaut euch einfach ein paar Fotos oder Videos davon an.
Meisterfeier mit über 100 Schiffen auf dem Bosporus
Den Titel haben wir auswärts am vorletzten Spieltag klar gemacht, aber feiern wollten wir natürlich mit unseren Fans beim letzten Heimspiel. Genau genommen: VOR dem letzten Heimspiel. Die Partie gegen Osmanlispor begann um 17 Uhr. Um 13 Uhr sind wir eine Stunde mit dem Boot auf dem Bosporus in Richtung unseres Stadions gefahren. Bei 30 Grad, schönstem Sonnenschein - und begleitet von über 100 (!) Schiffen mit tausenden von Besiktas-Fans. Sie standen auf den Dächern ihrer Boote, sangen, tanzten und schwenkten Bengalos.
Danach fuhren wir mit einem offenen Doppeldecker-Bus die letzten Meter durch ein riesiges Menschen-Meer zum Stadion, gingen dort auf den Balkon und feierten weiter mit unseren Anhängern - bis wir eine Stunde vor Spielbeginn in die Kabine gingen. Auf den ersten Blick vielleicht keine optimale Vorbereitung. Okay, auf den zweiten Blick auch nicht. Oder vielleicht doch? Denn wir waren so unter Strom, wir haben trotzdem 4:0 gewonnen. Die 90 Minuten waren eine einzige Stadion-Party. Unsere Anhänger machten so einen Lärm - ich hatte noch die ganze Nacht ein Pfeifen im Ohr.
Wechsel zu Besiktas der richtige Schritt
Das sind Erinnerungen, die ich ganz sorgfältig verpacke und an einem sicheren Ort meines Kopfes aufbewahre. So, dass sie mir nie verloren gehen und ich immer wieder davon zehren kann. Denn das sind die Momente, für die man Fußball spielt. Und ich bin unendlich dankbar dafür, dass ich so etwas nun schon zum dritten Mal erleben durfte. 2007 die Meisterschaft mit dem VfB Stuttgart, im vergangenen Jahr der erste Titel mit Besiktas - und nun die erfolgreiche Verteidigung.
Das zeigt mir, dass ich mit meinem Wechsel im Sommer 2015 nicht so viel falsch gemacht habe. Ich durfte zwei Meisterschaften erleben, habe über 70 Pflichtspiele absolviert, stand in allen sechs Champions-League-Partien in der Startelf und im Euro-League-Viertelfinale. Ich gebe zu: Das macht mich schon ein bisschen stolz.
Es gibt Anfragen aus Deutschland
Wie es nun weitergeht? Schauen wir mal. Es gibt die eine oder andere Anfrage aus Deutschland und dem Ausland, was ich als Wertschätzung für meine Leistungen empfinde. Aber Fakt ist, dass mein Vertrag in Istanbul noch ein Jahr lang läuft - und meine Familie und ich uns hier sehr wohl fühlen.
Das hängt natürlich mit diesem großartigen Verein zusammen. Mit dieser unglaublichen Stadt. Aber auch mit der Offenheit und Herzlichkeit, mit der uns die Menschen hier empfangen haben. Wir haben in unseren zwei Jahren hier bereits eine Menge Freunde gefunden. Und mein Türkisch ist mittlerweile auch so, dass man mich versteht. Zumindest hoffe ich das :-). Kürzlich habe ich auch das erste Mal ein Interview auf Türkisch gegeben. Und zumindest hat danach niemand behauptet, ich hätte nur unsinniges Zeug geredet. Vielleicht war das aber auch nur der Höflichkeit der Menschen hier geschuldet :-).
Sportlich wäre es für mich auch eine sehr reizvolle Aufgabe, mit dem Verein den Titel-Hattrick zu schaffen - und in der Champions League wieder gute Leistungen zu zeigen. Nichts weniger erwarten auch die Fans von uns. Wir werden alles dafür tun, sie nicht zu enttäuschen.
Herzliche Grüße,
Euer Andi
Andreas Beck im Steckbrief
Andreas Beck, geboren am 13. März 1987 in Kemerowo (Russland), durchlief sämtliche Junioren-Nationalmannschaften des DFB und spielte ab 2009 neun Mal für die Nationalmannschaft. Beck spielte über 200 Mal in der Bundesliga und wurde 2007 mit dem VfB Stuttgart Deutscher Meister. Ein großer Erfolg war auch die Europameisterschaft 2009 mit der U21-Nationalmannschaft. Nach über zehn Jahren in der Bundesliga wechselte Beck zu Beginn der Saison zu Besiktas in die Türkei.