Es gibt da dieses türkische Sprichwort: Beginne es wie ein Türke, beende es wie ein Deutscher. Es gibt noch ein paar Variationen, in denen auch Engländer oder Franzosen vorkommen, aber der türkische Volksmund nutzt vorwiegend die Version mit dem Deutschen.
Das Sprichwort ist insgeheim auch ein historisches Eingeständnis der Türken. Achtung, es folgt eine Verallgemeinerung: Der Türke beginnt etwas mit viel Inbrunst, Euphorie und Lust, aber auf der Strecke ist es dann doch der Deutsche, der effizient und gekonnt den Abschluss findet.
Am Donnerstagnachmittag wird man sehen, ob es wieder "Türk gibi başla, Alman gibi bitir" heißt oder ob sich türkische Aphoristiker neue Sprichwörter überlegen müssen. Deutschland und die Türkei haben sich um die Austragung der Fußball-Europameisterschaft 2024 beworben. Am Donnerstag wird UEFA-Präsident Aleksander Ceferin feierlich verkünden, wer den Zuschlag erhält, nachdem 17 Exekutivmitglieder der UEFA in Nyon abgestimmt haben.
EM 2024: Einziges UEFA-Kriterium ist ein hoher Gewinn
Wenn man Medien, Experten, Wettanbietern und dem DFB glaubt, ist Deutschland der klare Favorit. Für die Türkei ist es die fünfte EM-Bewerbung in Folge, wobei man 2020 aus freien Stücken zurückgezogen hatte, um sich auf die Bewerbung 2024 zu konzentrieren. Jedes Mal startete man mit viel Euphorie und stand am Ende mit leeren Händen da.
Man hört aus UEFA-Kreisen, die Türkei sei jetzt mal dran. Man hört aber auch, dass man nach der wahnwitzigen Idee, die EURO 2020 auf dem ganzen Kontinent veranstalten zu lassen, für 2024 eine sichere Nummer haben will. Das wäre in diesem Fall wohl Deutschland, das schon zahlreiche Großturniere erfolgreich ausrichtete.
Das einzige Kriterium, das bisher von einem UEFA-Funktionär für die Vergabe geäußert wurde, sind ordentliche Einnahmen. Sie sind laut Präsident Ceferin "absolut entscheidend" bei der Vergabe. Da alles andere offenbar gar nicht so wichtig ist, dürfte es bei beiden Bewerbern früh ein Aufatmen gegeben haben. Wären auch andere Kriterien "absolut entscheidend", dürfte eigentlich weder Deutschland noch die Türkei den Zuschlag für die EURO 2024 bekommen. Sie dürften sich eigentlich nicht mal bewerben.
Denn...
Keine Aufklärung der WM 2006, Türkei mit wirtschaftlichen Problemen
Wie kann man sich um ein Großturnier bewerben, wenn ganz offensichtlich der letzte Zuschlag eines Großturniers erkauft wurde und der Prozess der Aufklärung noch nicht mal ansatzweise abgeschlossen ist? Wie kann man sich um ein Großturnier bewerben und alle wirtschaftlichen Garantien in Euro geben, obwohl die eigene Währung immens an Wert verloren hat und das eigene Volk darunter leidet?
Wie kann man sich um ein Großturnier bewerben, United by Football oder Share Together als Slogan ausgeben, obwohl "Einigkeit" oder "Gemeinsamkeit" in eigenen Reihen derzeit nur ein Gerücht ist?
Große Sportevents der Gegenwart: Jeder darf mal
Die Bewerbung Deutschlands und der Türkei passt zur (sport-)politischen Situation der Gegenwart. In einer Zeit, in der Brasilien, Russland oder Katar Großturniere ausrichten dürfen oder Aserbaidschan Austragungsort für fünf EM-Spiele im Jahr 2020 sein darf, ist es völlig normal, dass es sich auch Deutschland und die Türkei erlauben, sich für eine EM zu bewerben, obwohl längst nicht alle Hausaufgaben gemacht wurden.
Dass beide Länder rein technisch so ein Turnier ausrichten könnten, darüber müssen wir nicht reden. In Deutschland könnte man wohl schon morgen das Eröffnungsspiel machen und es wäre genauso überragend, wie wenn man es in sechs Jahren machen würde. Und auch die Türkei ist infrastrukturell deutlich weiter als bei den letzten Bewerbungen. Bis auf in der Hauptstadt Ankara stehen überall schon neue Stadien.
Aber die standen auch in Russland am Ende richtig schmuck da und trotzdem gab's einen Nachgeschmack.
EM 2024: Nachgeschmack wird bleiben - denn Fußball ist mehr
Denn Fußball ist nicht nur ein schönes Stadion und eine saubere U-Bahn, die dorthin fährt. Fußball ist mehr als eine Einnahmequelle, die alles andere zur Nebensache macht, weil am Ende die Kasse stimmt. Der Fußball ist mehr, aber es ist reine Utopie daran zu glauben, dass dieses "mehr" je wieder Sonnenlicht erblicken wird.
Deutschland und die Türkei haben jeweils große Summen für PR-Unternehmen ausgegeben, damit ihre Bewerbungen am Ende besonders gut und besonders erfolgsversprechend dastehen.
Am Ende wird es einen Gewinner geben. Ein Nachgeschmack wird dennoch bleiben - und da hilft auch kein PR-Berater.