Terrazzino: Symbol für verwehrte Chancen?

Von Daniel Reimann
Marco Terrazzino (r.) wechselte in der Winterpause von Hoffenheim zum Karlsruher SC
© Getty

Marco Terrazzino galt einst als Hoffenheimer Vorzeige-Talent - jetzt ist er bei 1899 auf ganzer Linie gescheitert. Sein Berater schimpft noch heute über fehlende Rückendeckung, trügerische Versprechen und die angeblich widersprüchliche Hoffenheimer Jugendarbeit. Terrazzinos einziger Ausweg: Der Wechsel zum KSC. Doch auch dort ist der Druck auf den sensiblen Youngster enorm.

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"Man muss darauf achten, dass ein Zug nicht zu schnell fährt, sonst entgleist er." Dieser Satz stammt von Peter Groß. Und er war seinem Zögling und ehemaligen Hoffenheimer Vorzeige-Talent schlechthin gewidmet: Marco Terrazzino.

Vor rund zwei Jahren hatte Groß offenbar schon eine gewisse Vorahnung. Terrazzino war damals 17, alle Türen schienen ihm offen zu stehen.

Er war deutscher U-18-Nationalspieler, wurde mit Bojan Krkic und Hatem Ben Arfa verglichen. Der baldige Durchbruch in der bisweilen schillernden Mannschaft von 1899 in der Bundesliga war längst programmiert. 24 Monate später ist er Ergänzungsspieler beim abstiegsbedrohten Zweitligisten Karlsruher SC.

Bleibt man Groß' Metapher mit dem Zug treu, stellen sich heute einige Fragen: Ist der Zug zu langsam gefahren? Oder doch zu schnell? Ist er gar entgleist?

Fehlende Rückendeckung

Terrazzino hatte er schon in Hoffenheim einen Neuanfang versucht. Nachdem er sich bei den Profis nie durchsetzen konnte, ging es zurück in die zweite Mannschaft von 1899.

"Wir haben zusammen mit Marco festgelegt, dass es besser für ihn ist, wenn er ein festes Zuhause in der U 23 hat. Es ist nicht jedermanns Sache, bei den Profis zu trainieren und nur zum Spielen in die zweite Mannschaft zu kommen", erklärte Hoffenheim-II-Trainer Markus Gisdol letzten Herbst im SPOX-Interview.

Terrazzinos Berater Klaus Funk sieht die Sache im Nachhinein allerdings etwas anders: "Als es in der Rückrunde nach der Herbstmeisterschaft 2008 nicht mehr so gut lief, kam Marco als 17-Jähriger zu zehn Kurzeinsätzen und nach außen demonstrierte man: 'Wir setzen auf unsere eigenen Jugendspieler'. Da wollte man womöglich von der eigentlichen sportlichen Misere ablenken", sagt Funk im Gespräch mit SPOX.

Er moniert vor allem die fehlende Rückendeckung für seinen Schützling: "Marco kam zu einem ungünstigen Zeitpunkt, als junges Talent konnte er den Abwärtstrend nicht aufhalten. Natürlich sah er selbst nicht immer gut aus. Aber das muss ich so einem jungen Spieler auch zugestehen. Stattdessen wurde er trotz eines Profivertrages in die U 23 abgeschoben."

"Terrazzino wurde einfach sich selbst überlassen"

Auch Terrazzinos Entdecker und einstiger Jugendtrainer Groß bemängelt den frühen Hype um seinen Zögling rückblickend: "Er wurde damals viel zu schnell hochgeholt. Auch sein Körper war noch nicht ausreichend ausgebildet."

Tatsächlich ging es für Terrazzino seit seinem Wechsel zu Hoffenheim vor vier Jahren steil bergauf. Er schoss die B-Jugend zur Meisterschaft, brillierte in den deutschen Jugendnationalmannschaften und wurde 2009 mit der goldenen Fritz-Walter-Medaille für besondedre Leistungen im Jugendbereich ausgezeichnet. Doch dem Leistungsdruck im Profiteam war er offenbar nicht gewachsen.

Hinzu kam, dass die enorme Offensivkonkurrenz von Stammspielern und einigen millionenschweren Ersatzleuten die behutsame Förderung junger Eigengewächse und ihre Integration in die erste Mannschaft fast unmöglich machten.

Auch im Nachhinein ist das immer noch ein Dorn im Auge seines Beraters: "Ich verstehe nicht, wenn man junge Brasilianer für Millionenbeträge holt und denen die Zeit zugesteht, sich zu entwickeln. Aber ein Spieler, der aus der eigenen Jugend kommt, soll sofort funktionieren. Talente wie Marco Terrazzino oder auch Pascal Groß wurden einfach sich selbst überlassen. Dabei haben die Vereine doch gerade bei jungen Spielern eine Fürsorgepflicht!"

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Auf Hoffnung folgte Frustration

Trotz des Rückschritts in die zweite Mannschaft wollte es Terrazzino nochmal allen beweisen. Sein Neustart begann mit drei Toren in den ersten drei Partien höchst vielversprechend, geriet aber von Zeit zu Zeit immer mehr ins Stocken. Rückblickend ist seine Bilanz fast schon ernüchternd.

Letztlich stand er auch in der Regionalliga Süd nur dreimal über 90 Minuten auf dem Platz.

"Das war für mich unfassbar", klagt sein Berater an, "dass diesem jungen Talent auch in der U 23 keine volle Einsatzzeit gewährt wurde. Ausreden von mangelnder Fitness oder Konzentration kann man in diesem Fall nicht gelten lassen."

17 Spieltage später prangte auf Terrazzinos Torekonto noch immer die 3. Zu wenig für den Jungen, der seinen Vorschusslorbeeren auch in der U 23 nicht gerecht werden konnte.

Spätestens jetzt war Terrazzino klar, dass er in Hoffenheim keine Perspektive mehr hat. "Irgendwann war dann die Frustration so groß, dass er gesagt hat: 'Was soll ich denn noch hier? Ich muss weg!'", erinnert sich Funk.

Hoffenheims Jugendkonzept: Ein Widerspruch in sich?

In Hoffenheim schwört man auf die Philosophie: Junge Spieler aus der Region fördern und langsam an den Kader heranführenwerden. Nicht umsonst investieren die Kraichgauer große Summen in ihr Jugendkonzept und das Scouting sehr junger Talente. Marco Terrazzino, eines der größten seines Jahrgangs, diente dafür lange als Parade-Beispiel. Jetzt ist er gescheitert.

Macht sich Hoffenheim beim Thema Jugendarbeit vielleicht etwas vor? Wenn es nach Terrazzino-Berater Funk geht, dann schon: "Mit dem Verkauf von Terrazzino und Groß nach Karlsruhe wurde die mangelnde Wertschätzung dieser Talente deutlich. Das tut weh, zumal sie das Aushängeschild von Hoffenheim waren. Und das entspricht bestimmt nicht dem Wunsch eines Dietmar Hopp..."

Auch Manuel Gulde, Dominik Kaiser oder Denis Thomalla sind hoch veranlagt, alle drei werden im Profikader gelistet. Gulde und Thomalla brachten es bisher immerhin auf ein paar Kurzeinsätze. Mehr aber auch nicht.

Es gebe hier keine klare Linie, bemängelt Funk: "Lippenbekenntnisse wie in der Vergangeneheit nützen nichts. Wenn man schon so viel Geld in die Jugendarbeit investiert, muss unterm Strich auch mehr dabei herauskommen."

Bahn frei in Karlsruhe

Marco Terrazzino ist jetzt weg aus Hoffenheim. Er hat in Karlsruhe einen Vertrag bis 2013 unterschrieben. Mittelfristig scheint dort der Weg in die Stammelf frei zu sein - auch wenn er bislang noch zur zweiten Garde gehört.

Spieler wie Delron Buckley, Alexander Iashvilli und Christian Timm sind allesamt älter als 30 Jahre. Die neue Generation - Macauley Chrisantus, Patrick Dullek und eben Terrazzino - scharrt mit den Hufen und macht Druck auf die Alten.

KSC-Präsident Ingo Wellenreuther gibt den Youngsters Hoffnung: "Das ist die Philosophie des Vereins: Perspektivisch auf junge Spieler zu setzen. Das wird das Konzept der Zukunft beim KSC", verkündete Wellenreuther bei der Verpflichtung von Terrazzino und dessen Kumpel und Mitspieler Pascal Groß. Aber was sollte er auch anderes sagen?!

"Es geht um die Existenz des Karlsruher SC"

Für Terrazzino könnte es ein Wechsel vom Regen in die Traufe sein. Der Druck dürfte im Zweitliga-Abstiegskampf ungleich größer sein als in Hoffenheim. "Es geht um die Existenz des Karlsruher SC", sagt Wellenreuther. Dessen müssen sich alle bewusst sein.

Nach der Demission von Uwe Rapolder, der Terrazzinos Wechsel letztlich abgenickt hatte, steht jetzt mit Rainer Scharinger schon wieder ein neuer Trainer in den Startlöchern. Neuer Trainer, Abstiegskampf - ein gefährlicher Nährboden für den sensiblen Terrazzino?

"Die Ereignisse in Hoffenheim haben ihn gestärkt. Der Schritt über den Karlsruher SC wird seiner Karriere gut tun", ist Entdecker Groß felsenfest überzeugt.

Marco Terrazzino Zug hat wieder Fahrt aufgenommen auf dem Weg zum Ziel. Er muss nur einen unplanmäßigen Umweg nehmen.

Marco Terrazzino im Steckbrief

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