In Valencia ist Juan Mata ein Star. Nach dem Weggang von David Villa (Barcelona) und David Silva (Manchester City) umso mehr. Mit seinen 22 Jahren darf er sich schon Weltmeister nennen, in Europa ist der Linksfuß heiß begehrt. Entwicklungen, die man bei Real Madrid mit einem lachenden und einem weinenden Auge sieht.
Denn Mata stammt aus der Talentschmiede der Madrilenen. Doch anstatt ihn nach seiner Laufbahn von den eigenen Jugendmannschaften bis hoch zur zweiten Mannschaft, Real Madrid Castilla, im Verein zu halten zu, ließ man Mata 2007 zum FC Valencia wechseln - ablösefrei.
Vakuum nach Raul und Co.
Mata ist kein Einzelfall. Sein Beispiel scheint sinnbildlich für die Nachwuchsarbeit der Königlichen zu stehen. In den vergangenen Jahren hat es aus der Jugend auf Dauer kein Spieler mehr in die Stamm-Elf der Profis geschafft. Iker Casillas, Raul und Guti waren die letzten, denen dies gelang.
Doch woran liegt das? Woher kommen die Nachwuchsprobleme bei Real Madrid? Und wo liegt der Unterschied zum großen Rivalen, dem FC Barcelona?
El Clasico: Schaulaufen der Barca-Talentschmiede
Zu Beginn ein Blick zurück: Es war eines der prestigeträchtigsten Vereinsspiele des vergangenen Jahres. Der Clasico zog Ende November 2010 die Massen in seinen Bann. Am Ende blieb nach Barcelonas 5:0-Demontage ein Denkmal auf der einen und ein Scherbenhaufen auf der anderen Seite.
Als sich in den Tagen nach dem Treffen der Giganten die Gemüter allmählich abkühlten, wurde eifrig Ursachenforschung betrieben. Mesut Özil wurde in den Medien kurzerhand zum Sündenbock deklariert, die spanische Presse ging mit den Königlichen knallhart ins Gericht.
Doch ein ganz wesentlicher Aspekt, der in der Berichterstattung der folgenden Tage vielerorts angeführt wurde, war die unterschiedliche Interpretation der Jugendarbeit der beiden spanischen Riesen.
Nimmt man die Startaufstellungen im Clasico als Grundlage, ging das Nachwuchs-Duell mit 7:1 an Barcelona. Wo Valdes, Puyol, Busquets, Iniesta, Xavi, Messi und Pedro aus Barcelonas B-Mannschaft den Weg über die A-Elf in die Primera Division schafften, stand bei Real einzig Keeper Casillas beim Anpfiff auf dem Rasen.
Cruyffs Erbe
Das kommt nicht von ungefähr, vielmehr ist es das Resultat einer jahrelangen Entwicklung. Die Katalanen sind mittlerweile zum Vorbild für vereinseigene Jugendarbeit aufgestiegen, La Masia scheint das Maß aller Dinge zu sein.
"Barcelona ist geprägt von der Philosophie von Johan Cruyff. In den letzten Jahren hat man sich äußerst intensiv um den Nachwuchs gekümmert und gibt den Spielern die nötige Zeit", sagt Spanien-Experte und La Coruna-Sportdirektor Ricardo Moar im Gespräch mit SPOX.
Auf der anderen Seite drängt sich natürlich eine Frage ganz besonders auf: Woher kommen die Nachwuchsprobleme bei Real Madrid?
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Potenzial reichlich vorhanden
Vorweggenommen: Im Grunde haben die Königlichen kein Nachwuchsproblem als solches. Dass es seit Casillas, Raul und Guti kein Jugend-Kicker mehr auf Dauer in Reals Stamm-Elf geschafft hat, hat andere Gründe.
Denn an Potenzial mangelt es wahrlich nicht. Spielern wie dem 18-jährigen Alvaro Morata oder dem gleichaltrigen Pablo Sarabia werden von vielen Seiten herausragende Anlagen bestätigt. Beide durften auch schon in der spanischen U 19 ran. Gleiches gilt für Alex und Daniel Carvajal.
Auch in den niedrigeren Altersklassen der Real-Cantera sind durchaus vielversprechende Talente dabei. Enzo Zidane, Sohn vom großen Zinedine, bringt Beobachter mit seinen 15 Jahren schon ins Schwärmen. Cristian Benavente (16) erinnert von seiner Spielart - und auch frisurentechnisch - ein wenig an Ronaldinho.
Real-Nachwuchshoffnung Cristian Benavente in Aktion
Javier Portillo: Vom Mittelstürmer zum Weltenbummler
Doch dass sie eine ernsthafte Zukunft bei Real haben, daran darf gezweifelt werden. Einen Lichtblick bildet immerhin Esteban Granero, der in dieser Spielzeit bereits zu 21 Einsätzen kam, wenn auch oftmals nur für die letzten Minuten.
Zum unfreiwilligen Negativbeispiel entwickelte sich die Laufbahn von Javier Portillo. Während seiner Zeit in der Real-Jugend wurde er schon als Nachfolger von Alfredo Di Stefano und Raul gehandelt. Zwar wurde er in den Profi-Kader berufen, richtig durchsetzen konnte sich Portillo jedoch nicht. Nach zahlreichen Wechseln innerhalb Spaniens und Europas stürmt er mittlerweile für das akut abstiegsbedrohte Hercules Alicante.
Auch ein gewisser Jose Manuel Jurado sah nach seiner Zeit in Reals zweiter Mannschaft recht schnell keine Perspektive mehr. Heute spielt er für Schalke 04.
Nachwuchsproblem? Strukturproblem!
Der Unterschied zum Rivalen aus Barcelona? Die Mentalität, meint Moar: "Zwischen der Jugendarbeit und der Profi-Mannschaft klafft in Madrid eine zu große Lücke. Ich kann mir vorstellen, dass Mourinho vielleicht drei oder vier Spieler aus der B-Mannschaft kennt. Bei Barcelona ist das anders, da ist das alles sehr viel mehr miteinander verwoben, Guardiola setzt sich oft mit den Jugendtrainern zusammen. Dort lässt man die Nachwuchsspieler eben auch ab und zu mal bei den Profis mittrainieren, um ein Dazugehörigkeitsgefühl zu schaffen. Denen wird mitgegeben: Es ist schwer, für Barcelona zu spielen, aber eben nicht unmöglich."
Bei den Königlichen ist die Nachwuchsförderung erfahrungsgemäß zwar ebenfalls ausgesprochen gut, eine echte Chance bekommen die jungen Spieler aber selten.
"In Madrid muss alles sofort funktionieren, der Verein hat es eilig. Deshalb scheut man das Risiko, dem Nachwuchs eine lange Anlaufzeit zu gewähren. Real hat doppelt und dreifach soviel Druck wie Barcelona", so Moar.
So bleibt den meisten nur der Wechsel zu einem anderen Klub. Oftmals auch innerhalb der Primera Division, was wiederum zeigt: Das Potenzial ist vorhanden, die Klubführung jedoch zu ungeduldig.
Toril: "Haben sehr gute Ware"
Diesen generellen Trend beklagt auch Alberto Toril, Trainer von Real Madrid Castilla: "Im Moment haben wir eine sehr gute Ware, was Spieler angeht, die an die erste Mannschaft anklopfen. Wenn sie es doch nicht schaffen sollten, dann liegt das daran, dass wir unsere Arbeit nicht gut gemacht haben. Und scheinbar haben wir das bei Real Madrid in den letzten Jahren auch nicht getan. Seit Raul und Guti hat es kein Spieler aus unserer Jugend geschafft, Stammspieler in der ersten Mannschaft zu werden."
Randnotiz: Seit seinem Amtsantritt Anfang Januar hat Toril mit seiner Mannschaft in der Segunda Division B kein einziges Spiel verloren. Ob es einer seiner Schützlinge ins A-Team schafft, steht jedoch in den Sternen.
Mittelfristig wird sich daran auch erst einmal nichts ändern. Dafür müsste Real seine Struktur grundlegend umwälzen. "Man müsste die Mentalität wechseln, alle Trainer müssten die gleiche Idee haben. Das wird sechs, sieben, acht Jahre kosten. In Barcelona hat das ja auch gedauert", sagt Moar.
Zeit, die man in Madrid nicht gerne gewährt. Das Szenario mit Juan Mata sollte jedoch Warnung genug sein.
Der Kader von Real Madrid im Überblick