SPOX: Niclas Heimann, Sie wagten einen ungewöhnlichen Schritt für eine deutsche Torwart-Hoffnung: Vor einem Jahr wechselten Sie vom FC Chelsea nach Österreich zu Red Bull Salzburg. Wie fällt Ihr Fazit aus?
Niclas Heimann: Durchweg positiv. Als im letzten Sommer mein Vertrag bei Chelsea auslief, wollte ich nach Deutschland, um Präsenz in der Heimat zu zeigen. Und ich muss zugeben: Als mir das Red-Bull-Interesse zugetragen wurde, dachte ich erstmal daran, dass in Österreich nur Skifahrer, aber keine Torhüter ausgebildet werden. Ich habe mir zum Glück dennoch alles angeschaut.
SPOX: Und?
Heimann: Der tolle Eindruck von meinem ersten Besuch hat mich nicht getäuscht: Die Bedingungen in Salzburg sind top. Ich habe mich in den zwölf Monaten verbessert wie noch nie, bin bei der zweiten Mannschaft Stammkeeper und wurde wieder vom DFB eingeladen. Red Bull war die richtige Entscheidung.
SPOX: Sie kamen bei der deutschen U 20 zum Einsatz, nachdem Sie länger nicht mehr berücksichtigt wurden. Warum?
Heimann: Mein letzter DFB-Einsatz war mit der U 18 gegen Frankreich - ein schwaches Spiel von mir. Seitdem wurde ich nicht mehr berücksichtigt. Vermutlich auch, weil bei Chelsea im Reserveteam die Einsätze zwischen mir und zwei anderen Torhütern aufgeteilt wurden und deswegen kein DFB-Scout nach London kam. Deswegen der Wechsel: Ich musste wieder auf der Bildfläche auftauchen. Ich ging zu Red Bull, bekam meine Spiele, zeigte meine Leistung und wurde sofort wieder zum Lehrgang eingeladen.
SPOX: Wie erklären Sie sich, dass Sie sich nach dem Wechsel zu Salzburg so verbessert haben?
Heimann: Mir bringt das Torwarttraining in Österreich mehr. Es ist wie früher in Leverkusen unter Rüdiger Vollborn, als der Schwerpunkt auf Technik gelegt wurde. In England hingegen wird einfach nur draufgeballert. Hauptsache, man hält den Ball, egal wie. Einheiten, in denen man mit links oder rechts Abstöße übt oder bei Paraden auf die Beinarbeit achtet, gab es nicht. Die Ausnahme war, wenn ich mit Petr Cechs privatem Torwarttrainer arbeiten konnte, den er aus Frankreich mitgebracht hatte.
SPOX: Haben Sie zwischendurch gedacht, dass Chelsea ein Fehler war?
Heimann: Nein, nie. Für die Persönlichkeitsentwicklung war Chelsea perfekt. Außerdem habe ich das viel höhere Trainings- und Spiel-Tempo kennengelernt und durfte immer wieder bei der Profi-Mannschaft dabei sein. Manchmal kam Didier Drogba danach noch zu mir und bat mich, eine Stunde länger zu bleiben. Oder Petr Cech gab mir Tipps. So etwas ist unbezahlbar.
SPOX: Was für Tipps?
Heimann: Zum Beispiel bei Flanken: Petr riet mir, nicht nur auf den Flankengeber und den herein fliegenden Ball zu achten, sondern auf die Bewegung des Stürmers, wie er zum Tor hinläuft. So kann man sich ableiten, wo der Ball landen wird.
SPOX: Wie enttäuscht sind Sie, dass es dennoch nichts mit der großen Chelsea-Karriere wurde?
Heimann: Nicht besonders. Ich war nie naiv und wusste von Anfang an, als ich mit 16 rüber gegangen bin, dass es sehr unwahrscheinlich ist, dass ich in drei, vier Jahren an der Nummer eins kratze. Darin wurde ich spätestens nach dem Weggang von Carlo Cudicini 2009 bestätigt, als jedes Jahr ein neuer dritter Torwart verpflichtet wurde. Erst Rhys Taylor, dann Ross Turnbull.
SPOX: Standen Sie in Kontakt zu Ron-Robert Zieler, dem es bei Manchester United ähnlich erging und der nach dem Wechsel zu Hannover schnell zum Stammkeeper aufstieg?
Heimann: Wir hatten einmal ein Freundschaftsspiel gegen United. Damals haben wir uns kurz gesehen und unterhalten, ansonsten hatten wir jedoch keinen Kontakt. Dennoch verfolgte ich natürlich seinen Werdegang. Dass er es so schnell geschafft hat, zeugt von seiner Klasse.
SPOX: Zieler ist nur ein Vertreter der neuen Torwart-Generation.
Heimann: Ich beobachte mit großem Interesse, wer da alles nachkommt: Zieler, Kevin Trapp, Oliver Baumann, Marc-Andre ter Stegen, sie sind alle meine Generation. Ohne Manuel Neuer und Rene Adler wäre das alles aber wohl nicht möglich gewesen. Sie sind die Pioniere.
SPOX: Und wer gefällt Ihnen besser: Neuer oder Adler?
Heimann: Eindeutig Adler. Neuer ist womöglich in der Spieleröffnung einen Tick besser, aber für mich ist Adler der kompletteste von allen. Seine Präsenz, seine Technik, einfach nur Weltklasse. Ich glaube, Rüdiger Vollborn hat sich mit Adler den aus seiner Sicht perfekten Torhüter geschmiedet.
Die Vollborns und Adler: Die Torhüter-Familie
SPOX: Wie würde Ihnen eine Rückkehr zu Leverkusen und Vollborn gefallen?
Heimann: Leverkusen wird stets ein besonderer Verein und die emotionale Bindung immer vorhanden sein, die sieben Jahre in der Jugendarbeit waren zu prägend. Zumal auch die meisten meiner Jugendtrainer bei Bayer noch tätig sind. Dennoch stand eine Rückkehr nie zur Debatte, Leverkusen ist mit Adler und Fabian Giefer ohnehin sehr gut aufgestellt.
SPOX: Interesse soll hingegen Schalke bekundet haben - was nicht weiter verwundert. Sie entsprechen Ralf Rangnicks Kriterien: Sie sind fußballerisch gut ausgebildet und ein mitspielender Keeper.
Heimann: Es gab Gespräche mit Schalke, aber es war nichts Konkretes. Ich weiß ohnehin nicht, wie Schalke plant. Erst hieß es Jens Lehmann, dann wurden Trapp, Zieler und Baumann genannt. Und noch stehen ja drei Torhüter im Kader: Ralf Fährmann, Mathias Schober und Lars Unnerstall. Daher befasse ich mich nicht mit dem Thema Schalke.
SPOX: Wie realistisch sind die Chancen, in Salzburg Eddie Gustafsson als Nummers eins zu verdrängen?
Heimann: Ich stehe noch ein Jahr unter Vertrag und obwohl Gustafsson sehr gut hält, möchte ich an der Nummer eins kratzen. Leider darf die Zweite von Red Bull nicht mehr wie früher in der zweiten Liga antreten, sondern muss in die dritte Liga, was wegen des niedrigeren Niveaus nicht förderlich ist für meine Entwicklung. Aber ich bleibe dabei: Ich traue mir die Bundesliga voll zu - egal ob in Österreich oder Deutschland!
Niclas Heimann im Steckbrief