SPOX: Sie sind jetzt seit gut einem halben Jahr Nachwuchsleiter beim HSV, wie ist der Status Quo bei der Jugend?
Bastian Reinhardt: Ich habe im letzten Jahr als Sportdirektor auch schon versucht, mir möglichst viele Jugendspiele anzuschauen, um nach Talenten zu suchen, die auch für unseren Profibereich interessant sein könnten. Daher habe ich einen guten Einblick bekommen und bin der Meinung, dass wir dort schon gute Arbeit leisten. Wir wollen uns natürlich weiter verbessern und haben das Ziel, jedes Jahr einen oder auch mal zwei Jugendspieler in den Profikader zu integrieren. Dabei hilft uns auch die Erfahrung von Frank Arnesen, der die Nachwuchsarbeit bei Chelsea sehr gut kennt, enorm weiter.
SPOX: Die U 19 steht souverän an der Spitze in der A-Junioren-Bundesliga. Welchen Anteil haben Sie am Erfolg?
Reinhardt: In erster Linie ist das schon der guten Trainerarbeit geschuldet. Wir haben eine sehr disziplinierte, taktisch gut ausgebildete U 19, die die Vorgaben des Trainers sehr gut umsetzt. Die großen Individualisten gibt es dort gar nicht, da hatten wir in den jüngeren Jahrgängen eigentlich größeres Potential vermutet. Aber das Team funktioniert hervorragend und so führen die Jungs ziemlich unangefochten die Tabelle an. Das zeigt, dass wir dort auf einem guten Weg sind. Wir versuchen, den Spielern beizubringen, dass es wichtig ist zu gewinnen aber eben auch guten Fußball zu spielen.
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SPOX: Kristallisieren sich bei der U 19 schon Talente heraus, die ziemlich sicher Profis werden?
Reinhardt: Der Schritt von der U 19 direkt in den Profikader ist beim HSV sehr groß. Der Weg führt meistens über die U 23, die wir versuchen sehr nah an das Profiteam zu binden. Daher trainiert die Reserve mittlerweile auch parallel zur ersten Mannschaft an der Arena. So sehen die Jungs, dass sie nah dran sind und wir können die Mannschaften auch regelmäßig gegeneinander antreten lassen. Thorsten Fink kann sich dann auch immer wieder Spieler der U 23 anschauen, er möchte gerne junge Spieler einbauen, weil die eben auch noch gut formbar sind.
SPOX: Wie läuft die Zusammenarbeit zwischen U 15 bis U 19 und dem Chefcoach ab?
Reinhardt: Thorsten Fink hat mit allen Jugendtrainern Kontakt aufgenommen und sein Konzept vorgestellt. Glücklicherweise passt es sehr gut zu dem, was wir vor seiner Amtszeit schon erarbeitet haben. Wir harmonieren gut, unter ehemaligen Fußballern spricht man ja bekanntlich auch eine Sprache
SPOX: Im Raum Hamburg ist der HSV noch die Nummer 1 für Nachwuchsspieler, wie groß ist die Konkurrenz bei der Jagd nach den Talenten?
Reinhardt: Bei den ganz jungen Spielern versuchen wir erst einmal die besten Hamburger zu bekommen. Je älter die Spieler sind, desto größer muss der Radius sein, in der U 19 scouten wir auch international. Was den regionalen Markt angeht, haben wir schon mehr Konkurrenz bekommen. Bremen, Hannover und Wolfsburg sind nicht weit und bei dem einen oder anderen spielt auch Geld nicht so eine große Rolle. Wir versuchen, die besten Spieler zum HSV zu holen, wenn die aus Norddeutschland kommen, ist das super aber am Ende nicht entscheidend.
SPOX: Was werfen Sie denn in die Waagschale, wenn Sie einen jungen Spieler oder seine Eltern vom HSV überzeugen möchten?
Reinhardt: Wir kümmern uns dann schon intensiv und ich tausche mich persönlich mit den Eltern aus. Man darf die Jungs aber natürlich auch nicht verrückt machen. Wenn die glauben, sie sind ganz kurz davor Profi zu werden, dann ist das in dem einen oder anderen Fall auch nicht gut. Daher muss man schon genau schauen wie der Spieler es verkraftet, wenn man ihm eine langfristige Strategie aufzeigt. Intern haben wir immer eine klare Perspektive für die Jungs.
SPOX: Welche Anforderungen stellt der HSV an junge Spieler?
Reinhardt: Wir möchten eigentlich Spieler ausbilden, die alles können, das ist nur in der Realität schwer umsetzbar. Heute wird schon mehr der Fokus auf den technisch-taktischen Bereich gelegt, die Athletik ist aber Grundvoraussetzung. Ohne Robustheit und niedriger Verletzungsanfälligkeit wird es schwer, den Sprung zum Profi zu schaffen. Dazu kommt noch die Einstellung, die stimmen muss, Disziplin und Ehrgeiz sind unerlässlich. Das sind schon enorm hohe Anforderungen, die heute an die Jungs gestellt werden.
SPOX: Was fördern Sie beim HSV neben diesen Dingen besonders?
Reinhardt: Das Wichtigste ist und bleibt die Bereitschaft, zu lernen, sich jeden Tag zu verbessern und sich nicht auf dem Erreichten auszuruhen. Letzten Endes schaffen es dann die Jungs, die das harte Programm mit Schule und Training am besten verkraften und nebenbei die Bodenhaftung nicht verlieren. Da werden dann auch viele als große Talente gefeierte Spieler am Ende noch links überholt.
SPOX: Wie sorgt der Verein für die vor, die es nicht packen?
Reinhardt: Wir achten sehr genau darauf, dass die Jungs die Schule nicht vernachlässigen. Die Ausbildung neben dem Fußball ist sehr wichtig, denn es ist ja nur ein ganz kleiner Teil, der am Ende mit Fußball Geld verdient und ein noch geringerer Teil, der nach der Karriere ausgesorgt hat. Die meisten Spieler begleiten wir ja auch über viele Jahre und übernehmen selbstverständlich auch Verantwortung abseits des Platzes.
SPOX: In Hamburg steht Uwe Seeler für lebenslange Vereinstreue, heute wird schon bei Vertragsunterzeichnung über einen möglichen Wechsel gesprochen? Arbeiten Sie auch an der Identifikation mit dem HSV?
Reinhardt: Das ist bei uns ziemlich leicht. Die Spieler sind stolz, für den HSV spielen zu dürfen und sie haben auch in ihren Schulen einen immens hohen Status. Wir versuchen trotzdem immer wieder, die HSV-Familie zusammenzuhalten, haben im letzten Jahr ein Foto mit allen Mannschaften auf der Tribüne geschossen, um eben auch zu zeigen, dass alle zusammengehören, die die Raute auf der Brust tragen. Beim anschließenden Grillfest durfte dann der E-Jugendliche neben dem Profi sitzen und ihm Fragen stellen.
SPOX: Umso wichtiger, die Jungs emotional zu binden, wenn der Scheich aus Manchester die Geldbörse zückt...
Reinhardt: Es gibt mittlerweile überhaupt keine Notwendigkeit mehr, Deutschland zu verlassen, auch wenn englische Vereine bereit sind, im Jugendbereich viel Geld zu zahlen. Am Ende ist damit aber oft eine Umsiedlung der ganzen Familie verbunden, der Spieler ist dann mit seiner Leistung auf einmal mit verantwortlich für seine Eltern. Es gibt genug Beispiele, wo dieser Weg nicht funktioniert hat, wir klären da auch oft die Eltern auf. Ich halte es für absoluten Unsinn, wegen der Kohle oder irgendwelcher großer Namen nach England zu gehen. Die beste Entwicklung findet im gewohnten Umfeld statt. Englische Klubs scouten überall und raffen erst einmal alles zusammen, ohne darüber nachzudenken, dass eine Menge Jungs hinten runterfallen.