"Trap lehrte mich das Aufschreiben"

Andreas Hinkel (l.) zu seiner Zeit in Stuttgart beim Training mit Giovanni Trapattoni
© imago

Andreas Hinkel hat im September 2012 nach 163 Partien in der Bundesliga und 21 Länderspielen für die deutsche Nationalmannschaft seine Karriere beendet. Seit vergangenen Sommer ist der 31-Jährige als Jugendtrainer bei seinem Heimatverein VfB Stuttgart angestellt. Im Interview spricht Hinkel über die Mischform seiner Tätigkeit, die Gründe seines Karriereendes und den Wandel zwischen zwei Welten.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

SPOX: Herr Hinkel, Sie haben im September 2012 Ihre Karriere beendet und sind seit dieser Saison beim VfB Stuttgart Trainer der U 12 und Co-Trainer der U 16. Wollte Sie keine längere Auszeit vom Fußball nehmen?

Andreas Hinkel: Nicht wirklich. Ich habe noch im Oktober den B-Schein gemacht. Ich musste 20 Einheiten an Stützpunkten absolvieren und habe daraufhin bei verschiedenen Vereinen hospitiert. Beispielsweise habe ich mir die Jugendabteilung meines ehemaligen Klubs Celtic Glasgow angeschaut. Ich habe mich also weiterhin viel mit der Materie des Fußballs beschäftigt.

SPOX: Und am 1. Juli 2013 ging es dann direkt los.

Hinkel: Genau. Die Vorbereitungszeit auf das Engagement beim VfB kommt auch noch hinzu. Ich habe mich im Vorfeld mehrfach mit den Verantwortlichen getroffen und auch schon bei den Trainingseinheiten zugeschaut.

SPOX: Wieso Trainer?

Hinkel: Ich habe mir vorgenommen, mir viele Dinge im Fußball anzuschauen und ein bisschen hinein zu schnuppern. Es ging auch deshalb mit der Trainertätigkeit los, da man unmittelbar nach seinem Karriereende schon noch eine Sehnsucht nach dem Fußballplatz hat. Daher habe ich nicht im Management angefangen. Nachdem ich die B-Lizenz absolviert hatte, kam der VfB als mein Heimatverein auf mich zu und wollte mich zurück holen. Das war für mich natürlich eine tolle Einstiegschance.

SPOX: Und bald folgt sicherlich die A-Lizenz?

Hinkel: Die kann man relativ schnell nach rund drei Wochen im Jahr erwerben. Das habe ich im Sommer oder Herbst 2014 vor. Mit dem Fußballlehrer möchte ich mir aber noch Zeit lassen und erst einmal ein paar Erfahrungen als Trainer sammeln. Das sind dann ja auch schon andere Umstände, wenn man zehn Monate lang unter der Woche in Köln sein muss.

SPOX: Wie ist es zu dieser Mischform zwischen U 12 und U 16 bekommen?

Hinkel: Diese Überlegung hat der Verein an mich herangetragen. Ich habe eine solche Konstellation bereits bei anderen Klubs gesehen und daher haben wir gedacht, dass wir das auch einmal ausprobieren könnten. Es ist interessant und auch für meine Entwicklung förderlich, dass ich zwei verschiedene Altersklassen beobachten kann.

SPOX: Wie ist Ihr Aufgabengebiet genau aufgeteilt?

Hinkel: In der U 16 übernehme ich Teile des Trainings, aber letztlich ist Heiko Gerber als Cheftrainer derjenige, der die Einheiten vorbereitet - so wie ich das dann bei der U 12 tue. Es herrschen in diesem Bereich, in dem man ja auch vieles vereinfachen muss, andere Trainingsformen und Ansprachen. Da kann man als ehemaliger Profi wirklich viel mitnehmen.

SPOX: Wie sind die Schwerpunkte bei 12- und wie bei 16-Jährigen gelegt?

Hinkel: Das ist im Prinzip wie in der Schule. Dort fängt man ja auch nicht mit dem Satz des Pythagoras an, sondern man baut langsam von unten auf. Bei uns geht es zunächst um die Basistechniken wie Passen und Schießen. Die Spieler in der U 12 befinden sich ja noch im goldenen Lernalter. Von Altersstufe zu Altersstufe wird es dann komplexer. In der U 16 arbeitet man an den Feinheiten und baut gruppentaktische Schwerpunkte ein, die die Spieler ein paar Jahre zuvor noch überfordert hätten.

SPOX: Wie zeitintensiv ist diese erste Phase Ihres Trainerdaseins?

Hinkel: Ich bin rund um die Uhr beschäftigt. Die U 16 trainiert sieben Mal die Woche plus das Spiel am Wochenende. Montag, Dienstag und Donnerstag finden zwei Einheiten statt, darunter das Schulkooperationstraining. Am Mittwoch ist frei. Die U 12 trainiert dagegen drei Mal. Dazu kommt das Technik- und Athletiktraining, das vor den Einheiten stattfindet.

SPOX: Hatten Sie schon während Ihrer aktiven Zeit geplant, was Sie später einmal machen möchten?

Hinkel: Das konnte ich damals noch nicht detailliert sagen, aber Giovanni Trapattoni lehrte mich jedenfalls das Aufschreiben. In der Zeit unter ihm beim VfB fing ich an, besondere Trainingseinheiten, die ich zuvor nicht kannte, zu protokollieren. Viele Dinge wiederholen sich im Fußball, so dass man was das Training angeht davon profitiert, sich außergewöhnliche Einheiten zu merken. Mit der Zeit hat sich dann eben so ein Gefühl dafür entwickelt.

SPOX: Wie gedenken Sie nun, Ihre Karriere nach der Karriere aufzubauen?

Hinkel: Wie gesagt, ich möchte in mehrere Bereiche hineinblicken, dazu gehört auch irgendwann das Management. Als Trainer will ich mich langsam und gesund entwickeln und schauen, was dann auf mich zukommt.

SPOX: Sie haben sich als Profi im Spätsommer 2010 einen Kreuzbandriss zugezogen und zwei Jahre später mit 30 aufgehört. Wieso eigentlich so früh?

Hinkel: Ich wollte zunächst einmal auf höchsten Niveau schauen, ob mein Knie in Ordnung ist. Diese Möglichkeit habe ich dann beim SC Freiburg wahrgenommen. Auch wenn ich nicht sehr viel gespielt habe, konnte ich ein Jahr lang unter professionellen Bedingungen bei einem Bundesligisten trainieren. Es war mir persönlich einfach wichtig festzustellen, dass das Knie in Ordnung ist. Das war der Fall, ich konnte auch auf einem ordentlichen Niveau spielen - aber nicht mehr auf dem vom früher.

SPOX: Wollten Sie nicht in einer unteren Liga die Laufbahn ausklingen lassen?

Hinkel: Nein, das wäre nicht mein Ding gewesen. Klar, dort hätte ich mehr verdienen können als jetzt als Jugendtrainer in Stuttgart (lacht). Aber das war für mich keine finanzielle Frage. Es spielten einfach viele Faktoren eine Rolle, die zu der Entscheidung zum Karriereende beigetragen haben. Das war auch nicht leicht. Doch in meinem damaligen Alter wollte ich nicht auf langfristige irgendwelche Verträge spekulieren und meiner Familie - ich habe drei kleine Kinder - zumuten, möglicherweise noch ein paar Mal den Verein wechseln zu müssen.

SPOX: Sie haben von der Sehnsucht nach dem Rasen gesprochen. Mit drei Vereinen spielten Sie in der Champions League und haben 21 Länderspiele auf dem Buckel. Gibt es auch Sehnsucht nach ausverkauften Stadien?

Hinkel: Nein, das nicht. Es war richtig aufzuhören. Ich habe mich schon als Profi zwischen zwei Welten bewegt, zwischen der beruflichen und der privaten. Der Fußball ist eine Welt für sich, aber ich habe mir mein "normales" Leben mit meinen Bekannten und Freunden immer bewahrt. Die standen für mich vollkommen außerhalb des Fußball-Kosmos. Ich konnte auch meinen beruflichen Erfolg und diesen Wechsel zwischen Champions League und Normalität einordnen. Das war und ist auch jetzt für mich nicht besonders schwierig.

Andreas Hinkel im Steckbrief