Tobias Nubbemeyer stieg mit dem Hombrucher SV in die B-Junioren-Bundesliga auf, während die Herren in der Landesliga spielen. Der 24-Jährige und seine Mannschaft halten sich dort wacker. Im Sommer geht es zu RB Leipzig als Co-Trainer der U19.
SPOX: Herr Nubbemeyer, mit 24 Jahren haben Sie schon das eine oder andere Jahr als Trainer hinter sich. Angefangen hat alles mit einer U12 bei Ihrem Heimatverein.
Tobbias Nubbemeyer: Damals spielte ich im älteren Jahrgang der B-Jugend. Unser Jugendleiter Christian Wielers fragte mich, ob ich nicht in den Trainerbereich hineinschnuppern möchte. Direkt die erste Einheit hat richtig viel Spaß gemacht, ich war gleich drin.
SPOX: Wann kam dann der Moment, an dem Sie sich sagten: Ich will mehr als das?
Nubbemeyer: Eigentlich sofort. Ich will jetzt nicht sagen, dass es Liebe auf den ersten Blick war, aber mit diesem ersten Training habe ich mich sofort wiedergefunden. Ich habe mich total gut gefühlt. Die C-Lizenz habe ich noch im ersten Jahr gemacht.
SPOX: Ein wenig später musste dann auch die Spielerkarriere in den Hintergrund treten, mit 22 Jahren war Schluss. Fehlt Ihnen der aktive Fußball nicht?
Nubbemeyer: Wenn ich Zeit hätte, würde ich definitiv noch spielen. Aber das Trainersein ist irgendwann zum Full-Time-Job geworden. Es ist jetzt nicht mehr kombinierbar, aber es fehlt mir schon. Egal welches Fußballspiel ich sehe: Ich bin zu 100 Prozent Trainer, aber das Herz wird immer Spieler bleiben.
Nubbemeyer: Ich gebe dem Fußball allen Platz, den er braucht. Fußball geht vor, das war schon immer so. Egal ob Schule oder Studium, ich habe es immer zurückgestellt.
SPOX: Das hat sich gelohnt. Sie spielen mit Hombruch in der Bundesliga, die erste Herrenmannschaft misst sich in der Landesliga. Nach dem Aufstieg haben Sie 20 Spieler ausgetauscht. Wie setzt sich die Mannschaft nun zusammen?
Nubbemeyer: Wir haben zwei Spieler aus Bochum bekommen. Sonst habe ich versucht, aus den regionalen Vereinen im Umkreis immer den Besten wegzuholen. Ein Großteil der Mannschaft ist weiterhin aus Landesliga- und Bezirksligaspielern zusammengesetzt worden.
SPOX: Trotzdem fand sich das Team nach derart vielen Veränderungen sehr schnell, zumal für viele Spieler es ja auch einen großen Sprung darstellt, in der Bundesliga zu spielen.
Nubbemeyer: Definitiv. Wir haben super in der Vorbereitung gearbeitet und sind sehr gut in die Saison gestartet. Diesen Start haben wir uns wirklich verdient. Wir haben aber beispielsweise keinen Fahrdienst, die Spieler sitzen teilweise stundenlang im Zug, um bei uns zu trainieren. Wir sind vier bis fünf Mal die Woche auf dem Platz, die Spieler bekommen kein Geld. Wir Trainer arbeiten auf Basis der Aufwandsentschädigung.
SPOX: Trotzdem läuft es mit derzeit Rang neun nicht so schlecht.
Nubbemeyer: Die Trainingsbeteiligung liegt bei fast 100 Prozent, es fehlt eigentlich nie jemand. Ich lege viel Wert auf die Materialien, dafür nehmen wir dann auch Geld in die Hand. Im Training brauchen wir einen Top-Standard, das ist unser täglich Brot. Mit Jens Schüler und Robin Timm habe ich zwei sehr gute Co-Trainer, so dass wir oft in Kleingruppen arbeiten. Wir möchten den Spielern viel individuelles Feedback geben.
SPOX: Andere Vereine trainieren zum Beispiel mit einem Footbonauten. Eifersüchtig?
Nubbemeyer: Wir trainieren immerhin genauso auf Kunstrasen wie Hoffenheim auch. Der Footbonaut ist natürlich toll für die Elite, allerdings schulst du da drin zum Beispiel keine Zweikampfführung. Wenn ich ihn hätte, würde ich ihn natürlich benutzen. Wir versuchen aber, die Werte ins Training zu bringen, die wir trainieren können - und das wollen wir besser machen als die anderen.
SPOX: Sie haben unter anderem ein Zertifikat vom Institut für Fußballmanagement und Praktika bei Augsburg und Hoffenheim absolviert. Woher kommt der größte Einfluss?
Nubbemeyer: Ich habe meinen eigenen Kopf, ich denke das kann jeder aus meinem Umfeld bestätigen. Ich will immer dazulernen. Dafür suche ich Trainer mit Erfahrung, die viel zu sagen haben. Ich bin an Qualität und Erfahrung interessiert, da ist es egal, ob es der A-Lizenz-Ausbilder oder jemand vom Institut ist.
Nubbemeyer: Ich will niemanden aus der Masse hervorheben, denn ich konnte bis jetzt schon viele coole Persönlichkeiten kennenlernen. Wenn ich jemanden nennen müsste, dann vielleicht meinen damaligen Trainer in der ersten Mannschaft von Gievenbeck Maik Weßels und meinen ehemaligen Jugendtrainer SebastianHeinrich. Die haben mich mit meinen 17, 18, 19 Jahren positiv beeinflusst.
SPOX: Im Training setzen Sie vor allem auf Spielformen. Was ist der Hintergrund?
Nubbemeyer: Ich will eine selbstständige Mannschaft haben. Wenn man zu viele Übungsformen macht, hat man am Ende eine Mannschaft, die super ausführen kann, aber nicht handelt. Übungsformen sind auf Abspulen aus. Diese kann man gerne bis zur U13 einbauen, danach gibt es für mich hauptsächlich nur noch Entscheidungstraining. Ich arbeite in Spielformen, weil ich gute Entscheidungen haben möchte und Spieler, die diese Entscheidungen selbstständig treffen.
SPOX: Wie darf man sich das in der Praxis vorstellen?
Nubbemeyer: Es ist meistens so, dass wir vom letzten und vom nächsten Spiel ausgehen. Wir sehen die Spiele an, nehmen Szenen heraus und entwickeln dann daraus das Training. Im Grunde zerlegen wir das Spiel in seine Bestandteile und setzen sie dann wieder zusammen. Wir spielten Anfang Mai das Halbfinale im Westfalenpokal gegen den VfL Bochum. 60 von 80 Minuten waren wir sehr gut. 20 Minuten lang wurden wir allerdings nach hinten gedrängt und bekamen den Ausgleich. Daher haben wir angesprochen, wie wir uns verhalten müssen, wenn es nicht läuft.
SPOX: Wie sieht verdeutlicht an einem Beispiel die Vorbereitung auf ein Spiel aus?
Nubbemeyer: Gegen Bayer Leverkusen haben wir bewusst versucht, so zu lenken, dass sie über den Flügel kommen müssen. Deshalb haben wir für dieses Spiel gezielt das Verhalten der Verteidiger am Flügel trainiert. Die Gegebenheiten sind so, dass wir uns meist am Gegner orientieren müssen, weil wir oft die unterlegene Mannschaft sind. Wenn wir das aber gut gemacht haben, sprechen wir es auch in der nächsten Woche nochmal an, um es positiv zu verfestigen.
SPOX: Welchen Anteil haben Videoanalysen?
Nubbemeyer: Unser Fokus liegt stark auf der Nachbereitung. Wir machen zwei Analysen zum Spiel. Meist eine für die Offensive und eine für die Defensive. Dann trainieren wir auf dem Platz. Was die Jungs im Video gesehen haben, sollen sie auch auf dem Platz mitkriegen. Und genau da baue ich Spielformen ein, um die Jungs vor Entscheidungen zu stellen.
SPOX: Wir haben nun viel über die Anpassung an den Gegner gesprochen. Wie würden Sie Ihre eigenen Spielprinzipien kennzeichnen?
Nubbemeyer: Wir spielen in dieser Saison in einem 3-4-3. Wenn wir den Ball nicht haben, wollen wir hoch attackieren und den Gegner vor Schwierigkeiten stellen. Wenn wir ihn gewinnen, soll es schnell zum Tor gehen. Alternativ können wir auch mal abwarten und setzen dann Nadelstiche. Aber es geht mit Ball schnell und zielgerichtet nach vorne, mit einem klaren Plan zum Tor. Wenn wir den Ball verlieren, versuchen wir, schon im Ballbesitz ein so gutes Netz aufgebaut zu haben, dass wir ins direkte Gegenpressing gehen können.
SPOX: Das Ziel ist also, in der Hälfte des Gegners zu spielen. Das klingt nach RB-Fußball.
Nubbemeyer: Das ist kein Zufall.
SPOX: Oft wird an der Ausrichtung im Ballbesitz Kritik geübt. Wie ist das bei Ihrer Mannschaft?
Nubbemeyer: Das ist von Spiel zu Spiel unterschiedlich. Wir versuchen grundsätzlich schon, den schnellen Weg zum Tor zu suchen und gezielt in die Räume zu spielen, in die wir wollen. Aber wir haben uns in der Rückrunde so entwickelt, dass wir den Gegner mit Kurzpassspiel locken können.
SPOX: Wie kam der Kontakt nach Leipzig zustande?
Nubbemeyer: Dort sieht man sich ja nicht nur nach Spielern um. Ein Yussuf Poulsen oder Emil Forsberg kamen auch nicht von Arsenal, sondern von kleineren Vereinen. Leipzig betreibt auch ein Trainerscouting. Auf ein Gespräch hin haben sie mich beobachten lassen. Da ging es darum, dass sie die Grundzüge ihrer Spielphilosophie auch bei meiner Mannschaft wiederfanden, genauso aber in meinem Coaching. Sie haben das sehr genau analysiert.
SPOX: Mit wem hatten Sie aus Leipzig vorrangig Kontakt?
Nubbemeyer: In Leipzig habe ich die Gespräche vorrangig mit dem Akademieleiter Frieder Schrof und dem sportlichen Leiter U16-U19 Achim Beierlorzer geführt. In diesen Gesprächen haben wir uns über die sportliche Philosophie, als auch über persönliche Werte ausgetauscht.
SPOX: Dann werden Sie auch kein Problem damit haben, sich in das bestehende Konzept einzufügen?
Nubbemeyer: Das können Sie so stehen lassen.
SPOX: Welche Art von Rückmeldungen haben Sie bekommen, nachdem ihr Wechsel bekannt wurde?
Nubbemeyer: Andere Amateurtrainer haben mir Erfolg und Glück gewünscht. Man freut man sich darüber, wenn es jemand aus diesem Kreis in ein Nachwuchsleistungszentrum schafft.
SPOX: Inwiefern haben Sie Respekt vor der Aufgabe in Leipzig und auch vor der nicht immer vorurteilfreien Beurteilung des RB-Konzepts?
Nubbemeyer: Ich bringe einen gesunden Respekt, aber auch viel Freude mit. Mit den Vorurteilen beschäftige ich mich nicht, für mich zählt Qualität und Leistung. Ich lasse mir da keine Meinung von anderen aufdrängen.
SPOX: Wo soll es langfristig für Sie hingehen?
Nubbemeyer: Ich freue mich erst einmal darauf, als Co-Trainer anzufangen, weil ich in meinem Alter noch viel lernen kann. Momentan lebe ich den Moment. Mein Ziel ist es, eine Top-Ausbildung zu erhalten und meine Stärken bestmöglich ins Trainerteam der U19 einzubringen.