Schon aus der Entfernung hörten wir im beschaulichen Fagagna quietschende Reifen. Luigi legte in seinem AMG-Mercedes eine Vollbremsung vor unseren Füßen hin und bat uns einzusteigen. Als wir die freundliche Dame an der Hotel-Rezeption nach einem Taxi baten, rechneten wir mit vielem, nur nicht mit Luigi, der uns zum Trainingsplatz des DFB-Teams fahren sollte.
Er sprach weder Englisch noch Deutsch und wusste, dass wir die italienische Sprache nicht beherrschten, trotzdem redete er die komplette Fahrt über. Das einzige Wort, das wir verstanden, war "pronto". Und "pronto" schien sein Lebensmotto zu sein. Das merkten wir spätestens, als er mit 160 Km/h auf einen Kreisverkehr zuraste und kurz davor noch zwei Autos überholte - erlaubt war natürlich nur Tempo 50.
Dank seiner Fahrkünste kamen wir dementsprechend "pronto" am Trainingsplatz der U21-Junioren an, wo das Training bereits lief. Selbst den Weg vom Parkplatz zum Rasen wollte Luigi uns ersparen. So hielt ihn auch ein wild gestikulierender Ordner nicht auf. Er nahm die Bodenschwelle zur Einfahrt mit 40 Sachen und stellte sich in aller Ruhe neben den DFB-Mannschaftsbus.
Die wilde Reise zum ÖFB-Team
Und als wir dachten, turbulenter wird es in Italien für uns nicht werden, stand am Sonntag die Reise zum Trainingsgelände der Österreicher auf dem Programm. Das Dörfchen Corno di Rosazzo ist schon unter der Woche nur schwer zu erreichen - sonntags gleicht die Reise aber einer Odyssee.
Unsere Optionen pünktlich beim Termin zu sein, waren eine etwa 2,5-stündige Fahrradtour durch den Großraum Udine, eine etwa 100 Euro teure Taxifahrt oder eine Zugfahrt mit anschließender Vier-Kilometer-Wanderung. Ach ja, eigentlich haben wir mit einem Mietwagen geplant, der uns wegen eines Buchungsfehlers allerdings nicht zur Verfügung steht.
Option eins war zwischenzeitlich tatsächlich unser Favorit, aber ohne Fahrrad nicht realisierbar. Option zwei kam aus finanzieller Sicht nicht in Frage. Blieb nur noch die Zugfahrt. San Giovanni al Natisone gleicht einer Geisterstadt und das längst geschlossene Bahnhofsgebäude erinnert an eine verlassene Industriehalle. Unsere Hoffnungen hier doch noch ein Taxi zu ergattern, zerschlugen sich, als eine schüchterne Passantin unsere Nachfrage mit einem Lächeln quittierte und in gebrochenem Englisch sagte: "So etwas gibt es hier nicht."
Wir stellten uns schon auf einen schweißtreibenden Fußmarsch ein, als uns Kioskbesitzer Giaccomo eine vierte Option aufzeigte: Sein klimatisiertes Auto, was sich bei mehr als 30 Grad als eindeutig beste Variante herausstellte. So brachte uns der große Udine-Fan, der an den EM-Titel der Italiener glaubt, auf direktem Weg zu unserem Ziel: dem Trainingsgelände von Virtus Corno in Corno di Rosazzo.
Halloween im Sommer
Zwei Stunden vor dem vereinbarten Termin mit den ÖFB-Kickern Marco Friedl, Xaver Schlager, Hannes Wolf und Christoph Baumgartner setzten wir uns an den einzig überdachten Platz in näherer Umgebung: ein Wasserbrunnen, der - wie sich später herausstellen sollte - der kühlste Ort und zugleich auch Hotspot des Dorfes ist.
Im Zwei-Minuten-Takt trudelten eifrige Familienväter ein, die ihre Bügelflaschen per Trichter mit dem kühlen Nass befüllten und im Träger auf dem Fahrrad wieder nach Hause brachten.
Leider konnte niemand der angetroffenen Bewohner Englisch, wodurch es uns wohl für immer ein Rätsel bleiben wird, warum am Straßenrand zahlreiche Schlümpfe stehen und Plastik-Kürbisse mit wilden Grimassen von den Bäumen hängen. Statt Antworten auf diese Fragen bekamen wir von den gastfreundlichen Italienern allerdings stets kühles Wasser angeboten.
Lecker! Pizza Diavolo mit dem Präsidenten
In der Hoffnung, etwas über den ortsansässigen Klub Virtus Corno zu erfahren, fragten wir einen vorbeigehenden Jugendlichen. Dieser sprach zwar ebenfalls kein Englisch, aber zeigte sofort auf das große Banner am Stadion, das die österreichische U21 willkommen heißt. Wir nickten, doch bevor wir uns weiter erklären konnten, zückte er sein Handy und rief jemanden an.
Seiner wilden Diskussion entnahmen wir, dass er dachte, es gebe ein Problem. Per Translater-App fanden wir schließlich einen Weg der Verständigung. Als klar wurde, dass wir als Journalisten arbeiten und lediglich etwas über den Verein erfahren wollen, kam schon ein Wagen vorgefahren. Ein Mann stieg aus und streifte sich währenddessen sein Vereins-Poloshirt über. Es war Antonio, der Vater des Jungen und zugleich Präsident des Vereins.
Nach kurzer, aber komplizierter Erklärung und einem weiteren Telefonat mit einem gewissen Alberto fragte uns Antonio ob wir nicht Hunger hätten. Kurzer Blick auf die Uhr: noch anderthalb Stunden bis zum Eintreffen der Österreicher. Wir überlegten kurz, doch das magische Wort "Pizza'" überzeugte uns.
Zum zweiten Mal an diesem Tag stiegen wir zu einem Fremden ins Auto und zum zweiten Mal passierte uns tatsächlich etwas Gutes. Er brachte uns zu seinem Stamm-Italiener und lud uns auf eine Pizza ein. Beim gemeinsamen Essen entwickelte sich ein Gespräch mit Händen und Handys. Toni erklärte uns voller Stolz, dass die Jugendarbeit von Virtus zu den besten der Region zählt und Zweiligaspieler Davide Diaw noch vor sechs Jahren den Rasen des heimischen Stadio Comunale mähte.
Nach einer vorzüglichen Pizza Divola brachte uns der gemütliche Präsident pünktlich zum ÖFB-Termin - Entschleunigung statt "Taxi pronto".