Nach dem verlorenen EM-Finale tritt die deutsche U21-Nationalmannschaft den schweren Weg des Abschieds an. Die bittere 1:2-Finalpleite gegen Spanien bedeutete nicht nur das Ende des Turniers, sondern einer Mannschaft, einer Ära.
Leicht rot waren sie, sehr glasig waren sie, die Augen von Benjamin Henrichs. In der Mixed Zone des Stadio Friuli stellte er sich in der bitteren Stunde der Niederlage den Fragen der Journalisten. Immer wieder wischte er sich mit dem Zeigefinger die eine oder andere Träne aus dem Gesicht.
Vor allem angesprochen auf seine Mitspieler reagierte Henrichs emotional. "Das war eine brutale Mannschaft, hier ist richtig etwas zusammengewachsen. Es ist einfach so unglaublich traurig, dass das auseinandergeht", sagte er.
Für die Spieler der Jahrgänge 1996/97 - darunter auch Henrichs - war es das letzte Spiel für eine deutsche U-Nationalmannschaft. Vom aktuellen Kader bleiben künftig nur noch Markus Schubert, Arne Maier, Johannes Eggestein und Lukas Nmecha übrig. Für die DFB-Junioren endete nicht nur die EM bitter, der bevorstehende Abschied stimmte sie zusätzlich traurig.
gettyAmiri spendet Henrichs Trost: "Wichtig, dass ich für die Jungs da bin"
"Sinkende Köpfe, überall. Das ist extrem bitter, den Pott nicht geholt zu haben, weil wir eine richtig geile Mannschaft sind. Wir sind eng zusammengewachsen, echte Kumpels geworden", sagte Marco Richter.
Der unbändige Teamgeist dieser Mannschaft, der sich über zwei Jahre lang und seit dem Trainingslager in Natz vor rund einem Monat besonders entwickelt hatte, war in jeder Minute dieser EM spürbar. Ob im Training bei 38 Grad Celsius, ob beim Abschlag auf dem Golfplatz des Teamhotels oder beim ausgelassenen Jubel nach dem 4:2 im Halbfinale gegen Rumänien.
Man spürte ihn aber auch - besonders intensiv - wenige Minuten nach dem Abpfiff des Endspiels. Während die spanische Mannschaft gerade den Pokal auf dem Siegerpodest in den Nachthimmel von Udine streckte, saßen rund 15 Meter entfernt Henrichs und Nadiem Amiri auf dem Rasen. Arm in Arm.
Henrichs war aufgelöst vor Enttäuschung. "Ich versuche, den Jungs, die geheult haben wie Benni, zu helfen. Auch ich habe geweint, aber wichtig ist mir jetzt, dass ich für die Jungs da bin", erklärte Amiri im Nachhinein.
DFB-Junioren kassieren erste Niederlage seit Oktober 2017
Der Stachel saß nach dieser sehr erfolgreichen, gemeinsamen Reise sehr tief. Es war die erste Niederlage seit Oktober 2017 (1:3 gegen Norwegen). "In der Kabine war es gerade sehr ruhig - so ruhig wie es eben nach einer Finalniederlage ist. Jeder von uns ist enttäuscht und traurig. Es ist ein sehr bitterer Abend für uns alle", sagte Florian Neuhaus.
Für die meisten Spieler geht es nun erstmal in den Urlaub. Über diesen Sonntagabend in Udine schnell hinwegzukommen, das konnten sich nur die wenigsten Spieler vorstellen.
Trostspender Amiri versuchte dennoch, den Blick nach vorn zu richten: "Wir können alle stolz auf das sein, was wir mit diesem Jahrgang erreicht haben. Vor zwei Jahren wurden wir Europameister und auch jetzt haben wir ein geiles Turnier gespielt - es geht immer weiter." Rekordtorschütze Luca Waldschmidt sprach vom "Ende einer geilen Ära".
gettyMarco Richter: "Die Freundschaften bleiben"
Auch Trainer Stefan Kuntz ist davon überzeugt, dass das Positive dieser EM in Erinnerung bleiben wird: "Wenn die erste Welle der Enttäuschung vorbei ist, werden die Jungs merken, dass sie viele positive Dinge mitnehmen können, da sie etliche Entwicklungsschritte gemacht haben. Diese Erfahrung wird ihnen im Laufe ihrer Karrieren sehr helfen."
Kuntz meint Spieler wie Waldschmidt oder Marco Richter. Sie sind die Überraschungen dieser EM. "Das Turnier ist sicherlich der Höhepunkt meiner Karriere", sagte Richter.
Das war es sicher nicht nur aufgrund seiner persönlichen Leistungen, mit denen er sich für höhere Aufgaben empfiehlt, sondern eben auch aufgrund der Mannschaft.
Die DFB-Junioren mögen das Finale verloren haben, doch sie haben etwas anderes gewonnen. Richter: "Der Abschied fällt schon schwer und tut weh. Die Wege trennen sich zwar jetzt, aber die Freundschaften bleiben."