Herr Kuntz, Ihr Team musste sich im EM-Finale denkbar knapp geschlagen geben. Wie groß ist die Enttäuschung darüber?
Stefan Kuntz: Wenn die erste Welle der Enttäuschung vorbei ist, werden die Jungs merken, dass sie viele positive Dinge mitnehmen können, da sie etliche Entwicklungsschritte gemacht haben. Diese Erfahrung wird ihnen im Laufe ihrer Karrieren sehr helfen.
Was ist Ihre Erklärung für die Niederlage?
Kuntz: Spanien ist es taktisch in der ersten Halbzeit anders angegangen, als wir erwartet haben. Immer wieder haben sie es geschafft, eine Seite zu überlagern und mit drei Mann Überzahl zu schaffen - da haben wir nicht optimal durchgeschoben. In der Halbzeit haben wir das korrigiert, das Spiel in den Griff bekommen und uns immer mehr Torabschlüsse erarbeitet. Als wir dann dachten, ein Tor für uns liegt in der Luft, kassieren wir zu einem psychologisch sehr ungünstigen Zeitpunkt das 0:2. Durch den Anschlusstreffer haben die Jungs dann aber bewiesen, dass sie so lange nicht aufgeben, bis der Schiedsrichter abpfeift. Davor habe ich den allergrößten Respekt.
Sie haben schon vor dem Spiel betont, dass Ihnen der Abschied von dieser Mannschaft sehr schwerfallen wird. Wie geht es ihnen jetzt?
Kuntz: Im Moment geht es mir noch gut. Am Abend steht noch eine kleine Feier mit Familien und Freunden der Spieler an, bei der wir noch mal ganz in Ruhe Zeit haben, uns von jedem zu verabschieden. In der Früh um 8 Uhr geht es dann zurück nach Frankfurt und von dort in den wohlverdienten Urlaub. Einige Spieler werden sich schlechte Worte über mich verkneifen müssen, da sie im schlechtesten Fall noch zwei Jahre mit mir zusammenarbeiten müssen. (grinst) Unter dem Strich bin ich unwahrscheinlich stolz, dass wir diese EM für Deutschland so hinbekommen haben.
Der Jahrgang 1996/97 hat in dieser Form das letzte gemeinsame Spiel für die U21 gemacht. Was bleibt von dieser Altersstufe für die Zukunft übrig?
Kuntz: Obwohl nur vier oder fünf von den Jungs wirklich Stammspieler in ihren Vereinen sind, haben sie bewiesen, dass die deutschen Talente mit allen in Europa mithalten können. Das freut mich am meisten und genau diese Erkenntnis habe ich mir im Vorfeld gewünscht. Im täglichen Umgang haben sie und auch die Medien nicht immer gesehen, wie gut sie tatsächlich sind. Es müssen nicht immer Dribbling, Geschwindigkeit oder eine Sensationsaktion sein. Auch mentale Stärke, Erfolgshunger, Ehrgeiz, taktische Fähigkeiten und Widerstandsfähigkeit zeichnen Top-Talente aus. Diese Dinge sind im Fußball unerlässlich und werden den Jungs auch im Verein helfen.
Also ist es nur eine Frage der Zeit, bis einige den Sprung in die A-Nationalmannschaft schaffen?
Kuntz: Das wünsche ich mir von Herzen, doch zum ganz großen Adler ist es noch ein Stückchen. Einige haben ja schon an der A-Nationalmannschaft geschnuppert und ihre Ambitionen durch das Turnier untermauert. Viele Andere sollten nun ein oder zwei Jahre auf diesem Niveau spielen, um sich dauerhaft für das A-Team zu empfehlen.
Sie haben Ihre Stärken in der Kommunikation und werden gefordert sein, einige Ihrer Spieler zu trösten. Wer tröstet Sie?
Kuntz: Meine Frau und mein Bruder sind da, die werden das schon hinbekommen. Als Trainer kann man aber nicht sagen, man sei stolz auf die Jungs und hängt dann niedergeschlagen in der Ecke. Ich bin davon überzeugt, dass alle durch diese Erfahrung im Endspiel wachsen werden - auch ich persönlich.