Ex-BVB-Nachwuchstrainer Benjamin Hoffmann im Interview: "Als U19-Coach ist man nicht Trainer von einem selbst"

Benjamin Hoffmann trainierte bis 2019 die U19 des BVB.
© imago images / Thomas Bielefeld
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Den haben aber auch einige Trainer nicht, weil sie schnell nach oben kommen wollen.

Hoffmann: Natürlich. Einige sehen vielleicht eher die eigene Karriere und nutzen diesen Posten als Sprungbrett, um in den Seniorenbereich zu kommen. Das wird den Spielern nicht gerecht, denn für sie und niemanden anderen sollten wir da sein. Als U19-Coach ist man Trainer dieser Jungs und nicht Trainer von einem selbst.

Wie also kann man den Job als Nachwuchstrainer aufwerten - müssten einfach deutlich höhere Gehälter gezahlt werden?

Hoffmann: Ich kann nur von mir sprechen und glaube nicht, dass es lediglich um das Finanzielle geht. Das ist sicherlich ein ausschlaggebender Punkt. Ein kleinerer Verein kann seinen Jugendtrainern natürlich nicht so viel zahlen wie dem eigenen Cheftrainer oder das, was man bei einem großen Klub wie Borussia Dortmund bekommen kann. Ein extrem wichtiges Thema ist in meinen Augen vor allem die Wertschätzung, die die Vereine ihren Jugendtrainern entgegenbringen. Diese hat mir persönlich am Ende beim BVB gefehlt.

Hoffmann: "Die Skibbe-Verpflichtung kam für mich urplötzlich"

Ihr Ende in Dortmund im vergangenen Jahr kam durchaus überraschend, genauso wie die Verpflichtung Ihres U19-Nachfolgers Michael Skibbe. Wie überrascht waren Sie davon?

Hoffmann: Das kam für mich urplötzlich. Mitte März 2019 bekam ich Bescheid. Ich habe zunächst wahnsinnige Enttäuschung gespürt, weil ich mich als der Gescheiterte fühlte, der die Ziele nicht erreicht hat. Ich konnte die Begründung des Vereins an diesem Tag auch nicht nachvollziehen. Es war kein schöner Tag.

Wie sah denn die Begründung aus?

Hoffmann: Man habe im Endeffekt irgendwann nicht mehr das Gefühl gehabt, dass ich die ideale Besetzung sei. Man wollte einen Trainer mit höherem Bekanntheitsgrad, der auch eine größere Erfahrung im Seniorenbereich mitbringt, um die Spieler darauf vorzubereiten.

Wie haben Sie darauf reagiert, dass man Ihnen stattdessen den Posten als sportlicher Leiter der Jahrgänge U12 bis U16 anbot?

Hoffmann: Ich habe aus dem Bauch heraus direkt gesagt, dass ich weiter Trainer sein möchte. Ich habe mir die neue Aufgabe zwar zugetraut, aber konnte sie mir zu diesem Zeitpunkt nicht vorstellen. Bildlich gesprochen habe ich bei der U19 vom Honigtopf gekostet, fand das super und wollte an genau dieser Stelle weitermachen.

Wer übt die für Sie angedachte Funktion denn aktuell aus?

Hoffmann: Niemand. Es hieß, dass man einen Ersatz für mich finden wolle. Soweit ich weiß, lief die Suche bisher erfolglos.

Hoffmann: So lief der Abschied aus Dortmund

Was wäre denn als sportlicher Leiter genau Ihre Aufgabe gewesen?

Hoffmann: Ich habe diesen Job einst selbst eingefordert, als ich noch im C-Jugendbereich arbeitete. Es geht um einen vorgeschalteten Chefcoach, der Ansprechpartner für die Trainer ist, sie begleitet, auch mal mit auf den Platz kommt und einen Überblick über alle Jahrgänge hat. Gerade in diesen Jahrgängen geht es extrem um die Ausbildung der Spieler, aber vielleicht könnte man sie da auch schon in ihrer Persönlichkeit und Mentalität weiterentwickeln - genauso wie die Trainer selbst.

Was wäre für Sie denn ein denkbares Szenario gewesen, um in Dortmund zu bleiben?

Hoffmann: Keine Ahnung, das ist ja hypothetisch. Ich wollte Trainer bleiben und auch niemandem den Job wegnehmen. Als Mainz auf mich zukam, ich dreimal vor Ort alles angeschaut und mit meiner Familie besprochen habe, war mein Entschluss für den FSV sehr schnell und sehr eindeutig.

Haben Sie sich anschließend aktiv umgeschaut oder war es reiner Zufall, dass FSV-Nachwuchschef Volker Kersting bei Ihnen anrief, als dort Ihr Vorgänger Bo Svensson den Verein verließ?

Hoffmann: Nachdem wir in Dortmund den Meistertitel geholt hatten, fuhr ich in den Urlaub und bin gedanklich davon ausgegangen, dass ich den neuen Job beim BVB antreten werde. Ich wollte dem Verein und auch Lars gegenüber, dem ich sehr viel verdanke, professionell sein. Unterschrieben hatte ich aber noch nichts. Als das Angebot aus Mainz kam, habe ich Dortmund sofort informiert. Lars kannte meinen Wunsch, hat sich sehr kooperativ verhalten und mir letztlich auch geraten, dorthin zu gehen.

Michael Skibbe wurde nun vorzeitig entlassen, da man nicht mit seiner Arbeit zufrieden war und er auch einen Gerichtsprozess dem Verein gegenüber verschwiegen haben soll. Zur neuen Saison wird der aktuelle U23-Trainer Mike Tullberg die U19 übernehmen. Was sagen Sie dazu?

Hoffmann: Mike ist ein junger, ambitionierter Trainer, der den vollen Fokus auf die Entwicklung der Spieler legt. Ich habe auch noch vereinzelt Kontakt zu meinen ehemaligen Spielern, weil ich sie teils über Jahre begleitet habe und wir viel miteinander erlebt haben. Wenn sie einem dann immer noch schreiben und ausdrücken, wie dankbar sie für die geleistete Arbeit sind, dann sagt das viel aus und ist mir ehrlich gesagt auch wirklich wichtiger als alles andere.

Hoffmann: "Jürgen Klopp war einfach sensationell"

Wie intensiv war denn in all den Jahren in Dortmund Ihr Austausch mit den jeweiligen Profitrainern?

Hoffmann: Jürgen Klopp war einfach sensationell. Es ist überragend, wie nahbar dieser Mensch ist. Er baut zu jedem Spieler eine individuelle Verbindung auf. Zu sehen, wie er mit den Spielern umgeht und wie authentisch er dabei bleibt, davon habe ich sehr viel für mich mitgenommen.

Wie war es bei Thomas Tuchel?

Hoffmann: Von ihm habe ich in taktischer und fußballerischer Hinsicht, aber auch was die Trainingsgestaltung und -inhalte angeht, so viel gelernt. Bei Thomas durfte ich extrem nah dran und auch bei den Sitzungen des Trainerteams dabei sein. Das war wirklich super. Ich hatte auch menschlich nichts an ihm auszusetzen. Die Zusammenarbeit mit Peter Bosz war leider viel zu kurz, aber ebenfalls herausragend.

BVB: Das Abschneiden der U17 und U19 der vergangenen Jahre

MannschaftErfolge
Borussia Dortmund U17Meister 2014, Meister 2015, Vizemeister 2016, Halbfinale 2017, Meister 2018, Halbfinale 2019, Vizemeister 2020
Borussia Dortmund U19Meister 2016, Meister 2017, Halbfinale 2018, Meister 2019, Vizemeister 2020