Außerdem erklärt der 29-jährige Mittelfeldspieler von Borussia Mönchengladbach, warum er mit dem Begriff Komfortzone nichts Negatives verbindet - und Fernweh irgendwie kein Thema ist.
Christoph Kramer über ...
... Corona-Einschränkungen wie Kleingruppen-Training: "Man kann nicht wirklich gut an vielen Sachen arbeiten, aber wir versuchen, das Beste aus der Situation zu machen. Wir trainieren Flugbälle, Positionsspiel, von hinten rausspielen, Torschuss. Es ist nicht einfach ohne Körperkontakt, aber es geht ja darum, eine Belastung zu haben, die einem echten Fußballspiel möglichst nahe kommt. Wir arbeiten viel im technisch-taktischen Bereich. Es macht auf jeden Fall Spaß, wieder auf dem Platz zu stehen. Das ist viel besser, als zuhause zu laufen. Wir lösen das bei uns ganz gut."
... Schritte in Richtung Normalität: "Absolut. Da geht es uns nicht anders wie allen anderen, die ihren Beruf vermissen. Vor zwei Monaten wäre es undenkbar gewesen, dass man es vermisst, rauszugehen und zur Arbeit zu fahren. Jetzt schätzt man das, was ich sehr, sehr schön finde. Als Fußballer hat man sonst auch nicht jeden Tag Bock auf Positionsspiel, aber jetzt freut man sich darauf. Hoffentlich lernen wir aus der Coronakrise, dass das normale Leben eigentlich wunderschön ist."
... die gesellschaftliche Relevanz des Fußballs: "Es wird nur funktionieren, wenn alles wieder einen normaleren Anstrich bekommt. Ich glaube schon, dass der Fußball vielen Menschen Freude bereitet und einen gewissen Halt gibt, ohne es überzudramatisieren. Es geht aber gar nicht um uns Spieler, Trainer, Manager, Tabellenpositionen, sondern um das Produkt Bundesliga und unfassbar viele Arbeitsplätze. Allein um diese auch zu unterstützen, sollte der Ball irgendwann wieder rollen."
... sein Sinneswandel in Bezug auf Geisterspiele: "Sind eigentlich schon scheiße. Auch vor dem Fernseher. Aber man merkt in diesen Tagen, dass es noch blöder ist, gar nicht zu spielen. Und deshalb sind Geisterspiele willkommen, weil sie die einzige Lösung sind. Die Gefühle sind natürlich nicht so wie bei einem richtigen Spiel. Wenn man aber eines in diesen Tagen lernt, dann das: Man ist schon mit wenig zufrieden."
... Gladbachs Spielweise unter Marco Rose: "Wir haben viel Gutes beibehalten. Das Pressing und das hohe Anlaufen, was uns früher etwas gefehlt hat, sind dazugekommen. Wir konnten davor schon gut kontern und gut tief verteidigen und hatten ein ganz gutes Ballbesitzspiel. Das hohe Pressing hat uns aber gefehlt, wenn wir zurücklagen und aufmachen mussten. Jetzt bestimmt dieses Stilmittel unser Spiel in Phasen. Wir sind bestimmt noch nicht am Ende der Entwicklung angekommen, aber wenn man es mit der Saison davor oder anderen Jahren vergleicht, ist das die größte Veränderung: Alles verschiebt sich nach vorne, wir sind mannorientierter und denken offensiver. Jetzt sind wir mehr auf dem Sprung, es gibt mehr Sprints, mehr zu antizipieren. Dieser Stil tut uns unheimlich gut, wir können damit viel Power und Wucht entwickeln und jeden Gegner vor Probleme stellen."
... seine Spielanteile von "nur" 45 Prozent der Minuten: "Wir haben einen unfassbaren Konkurrenzkampf bei uns im zentralen Mittelfeld, in der Qualität wie der Quantität mit Benes, Strobl, Zakaria, mir, Neuhaus, der zurückgezogen werden kann, und Jonas Hofmann, der ab und zu auf der Sechs spielt. Die Zeiten des klassischen Stammspielers sind vielleicht auch etwas vorbei. Klar, gibt es eine Achse, die immer spielt, aber darum herum hat man Spieler, die verschiedene Stärken einbringen und je nach Spiel oder Situation besser passen als andere. Ich habe in etwa jedes zweite Spiel gemacht, was in vielen englischen Wochen absolut sinnvoll ist."
... Heimatliebe vs. Fernweh: "Ich finde die Bundesliga unfassbar geil. Ich hatte nie das Gefühl, ich muss mal in der Serie A oder in der Premier League spielen. Ich fand immer schon die Bundesliga das Allercoolste. Ich liebe die vollen Stadien, ich liebe die Fans, ich liebe die Infrastruktur, ich liebe alles, was mit der Bundesliga zu tun hat. Dann spielt da mit rein, dass ich in Gladbach meine fußballerische Heimat gefunden habe. Generell habe ich mir hier im Westen eine Komfortzone aufgebaut, nah an meinem Elternhaus, mit vielen Freunden aus meiner Jugend, die unheimlich wichtig für mich sind. Das sind für mich ganz wichtige Faktoren. Jetzt heißt es immer, dass man sich nicht weiterentwickelt, wenn man in seiner Komfortzone bleibt. Das Wort ist mir viel zu negativ behaftet. Es ist ein Synonym dafür, dass ich mich hier unfassbar wohlfühle. Ich bin mir sehr sicher, dass ich nur den besten Sportler aus mir machen kann, wenn ich mich rundum wohlfühle. Hier kann ich der Beste sein, der in mir steckt. Es gibt nichts Schöneres für mich, als vor der eigenen Haustür Fußball zu spielen."
... den Reiz des Unbekannten: "Ich weiß es nicht. Ich reise unheimlich gerne und tauche in andere Kulturen ein. Es gibt aber für mich kein schöneres Gefühl, als nach Hause zu kommen. Ich bin schlichtweg zufrieden. Das ist ein sehr unterschätztes und hohes Gut."