Einst wurde Hanno Balitsch mit Bayer Leverkusen Vizemeister, vor der Saison ist er zu seinem Heimatverein SV Waldhof Mannheim in die Regionalliga zurückgekehrt. Der 35-Jährige hat über 300 Bundesliga-Einsätze auf dem Buckel und ist sich dabei immer selbst treu geblieben. Ein Gespräch über abstruse Auslands-Angebote, den Wechsel von der Werkself zum 1. FC Köln und ein Wortgefecht mit Dieter Hecking.
SPOX: Herr Balitsch, Sie haben Ihre ereignisreiche Profi-Karriere vor über 15 Jahren in Mannheim begonnen und sind vor der Saison wieder zum SV Waldhof zurückgekehrt. Wieso sind Sie in die vierte Liga gewechselt?
Hanno Balitsch: Ich habe die Möglichkeit bekommen, beim ZDF einzusteigen. So bin ich unter anderem bei der EM als redaktioneller Mitarbeiter dabei und werde Bela Rethy mit meinen Einschätzungen zuarbeiten. Daher habe ich mit dem Fußball auf dem ganz hohen Niveau aufgehört und einen Verein gesucht, bei dem ich beide Tätigkeiten verbinden kann.
SPOX: Während Sie bei der EM in Frankreich sind, beginnt ja bereits die Vorbereitung auf die neue Saison. Wie sind Ihre Pläne für die nächste Zeit?
Balitsch: Mein Vertrag läuft aus und ob es weiter geht, hängt von mehreren Faktoren ab: Möchte der Verein, dass ich noch weiter spiele? Liege ich mit den Spielern noch auf einer Wellenlänge? Wenn ich wie ein Außerirdischer in der Kabine sitze, höre ich auf. Geld spielt dabei nicht wirklich eine Rolle - beim SV Waldhof wird man ohnehin nicht reich. (lacht)
SPOX: Sie haben für acht deutsche Vereine gespielt und 343 Bundesliga-Spiele bestritten. Hat Sie das Ausland nie gereizt?
Balitsch: Ich bin zwar ein großer Fan der englischen Liga und es gab teilweise auch konkretere Kontakte, aber ich schätze das Leben in Deutschland. Außerdem hatte ich nie einen ausschweifenden Lebensstil und habe hier ordentlich verdient. Dennoch hatte ich lukrative Angebote aus Ländern, in denen man sich nicht so frei bewegen kann oder die Gehälter nicht regelmäßig überwiesen werden. Aus Russland gab es beispielsweise Anfragen, bei denen es hieß: 'Wir zahlen so und so viel Geld netto und stellen gleichzeitig für Sie und Ihre Lebensgefährtin einen Bodyguard.' So wollte ich nicht leben.
SPOX: Den Anfang Ihrer Bundesliga-Karriere machten Sie beim 1. FC Köln, als Sie 2001 von Mannheim dorthin wechselten. Ihr erster Trainer im Oberhaus war Ewald Lienen. Wie war Ihr Verhältnis?
Balitsch: Wir haben zweimal zusammen gearbeitet und Ewald Lienen war für mich ein Glücksfall. Ihm ging es bei einem Spieler nicht ausschließlich um dessen sportliche Qualität, die bei Profis zweifelsohne im Vordergrund steht, sondern er achtete auch auf den Charakter des Spielers. Als wir in Hannover wieder aufeinandertrafen, wusste er zum Beispiel immer noch, was meine Freundin studiert hat.
SPOX: Nach dem Kölner Abstieg wechselten Sie zu Bayer Leverkusen. Gab es Fans, die Ihnen den Wechsel zum Nachbarn übel genommen haben?
Balitsch: Ein Wechsel von Köln nach Leverkusen läuft nie geräuschlos ab. Da gab es aus der Fanszene einige Anfeindungen unterhalb der Gürtellinie. Die Funktionäre hatten aber vollstes Verständnis dafür, dass der sportliche Reiz groß war. Leider hatten wir großes Verletzungspech, sind abgestürzt und haben uns erst am letzten Spieltag gerettet.
SPOX: Danach schlossen Sie sich für ein kurzes Gastspiel Mainz an, ehe Sie nach Hannover wechselten. Dort verbrachten Sie mit fünf Jahren Ihre längste Zeit bei einem Verein. Warum hielten Sie es bei 96 so lange aus?
Balitsch: Meine Partnerin und ich haben uns in Hannover privat wohlgefühlt und ich kannte bereits sowohl den Manager als auch den Trainer. Ich habe nicht nur 150 Bundesliga-Spiele für 96 gemacht, sondern war zwischenzeitlich auch Kapitän. Aber nach der schwierigen Saison nach dem Tod von Robert Enke war der Punkt gekommen, an dem ich nochmal etwas anderes wagen wollte.
SPOX: Sie sprechen die größte Tragödie in der Geschichte des Vereins an. Wie verarbeitet man so einen Vorfall als Team?
Balitsch: Der Prozess der Trauer ist bei jedem anders abgelaufen. Robert war als Freund und sehr guter Torwart der absolute Fixpunkt der Mannschaft und jeder hatte eine individuelle Beziehung zu ihm. Unter diesen Umständen kann man sich kaum auf Fußball konzentrieren und es ist kein Zufall, dass wir nach dieser Tragödie eine monatelange Pleitenserie hatten. Andreas Bergmann als Trainer und Jörg Schmadtke als Manager haben viel Fingerspitzengefühl bewiesen - es war eine Riesenleistung, dass wir am Ende die Liga gehalten haben.
SPOX: Sie kehrten daraufhin nach Leverkusen zurück und feierten 2011 mit der Vizemeisterschaft Ihren größten Erfolg. Sah man damals den besten Hanno Balitsch aller Zeiten?
Balitsch: Ja, ich habe in der Endphase unter Jupp Heynckes meinen besten Fußball gespielt. Ich hätte nicht gedacht, dass er mich mit 30 Jahren nochmal so viel weiterbringt. Aber sein Training und sein menschlicher Umgang waren einmalig und haben mich auch nach über 300 Bundesliga-Spielen weiterentwickelt.
SPOX: Trotzdem entschieden Sie sich nach nur zwei Jahren für den 1. FC Nürnberg, wo ausgerechnet Dieter Hecking, mit dem Sie 2008 in Hannover in einer Halbzeitpause aneinander gerieten, an der Seitenlinie stand. Was war damals vorgefallen?
Balitsch: Wir lagen zur Pause hinten und ich habe mir mit Dieter Hecking ein kurzes Wortgefecht geliefert. Ich habe ihm widersprochen und Dinge gesagt, die mir in dieser Situation als Spieler einfach nicht zustanden. Im Nachhinein hätte ich meine Gedanken besser heruntergeschluckt. Da er in diesem Moment sehr emotional war, hat er mich ausgewechselt und für eine Woche freigestellt. Danach habe ich unter Hecking bis zu seinem Abschied alle Spiele bestritten, deshalb hatte ich keine Angst, dass unsere Beziehung noch belastet sein könnte. Vielmehr haben mich solche Fehler als Mensch und Spieler weiterentwickelt.
SPOX: Sie tragen Ihr Herz auf der Zunge. Wie muss ein Trainer sein, dem Sie aus der Hand fressen?
Balitsch: Trainer wünschen sich mündige Spieler, die ihre Meinung vertreten und auch auf dem Platz eigenständige Entscheidungen treffen können. Ich habe Dinge immer intern angesprochen und mich deshalb auch nicht mit vielen Trainern gerieben.
SPOX: In den Medien haben Sie mit Ihren klaren Aussagen aber immer wieder für Schlagzeilen gesorgt...
Balitsch: Heute würde ich anders mit dem Boulevard umgehen und mir auf die Zunge beißen, denn das verfolgt mich bis in die Gegenwart. Auch wenn es meinem Charakter widerspricht, hätte es mir das Leben einfacher gemacht. Allerdings ist mein ausgeprägtes Gerechtigkeitsempfinden zu oft durchgebrochen und deshalb hatte ich mit einigen Personen aus den Boulevard-Medien Probleme.
SPOX: Sind Sie zu direkt?
Balitsch: Nein, unter dem Strich muss man nach der Karriere in den Spiegel schauen können und ich bin mit mir selbst im Reinen. Ich musste zwar viel einstecken, wenn ich dem Boulevard die Stirn geboten habe, aber ich bin mir selbst treu geblieben. Aus meinem Umfeld habe ich dafür sehr viel positive Resonanz erhalten.
SPOX: Derzeit kommt immer wieder die Kritik auf, dass im Profifußball Typen wie Sie fehlen. Warum sind die meisten Spieler vorsichtiger?
Balitsch: Mit meiner ehrlichen, direkten Art habe ich mir nicht nur Freunde gemacht. Wenn man zu allem Amen sagt und Everybody's Darling ist, hat man seine Ruhe. Ich kann jeden verstehen, der das so handhabt. Aber die Entwicklung ist bedenklich: Mittlerweile wird jedes Interview dreimal vom Verein gegengelesen und weichgespült.
SPOX: Trotz Ihrer offenen Art haben Sie Ihr Privatleben aus den Medien herausgehalten.
Balitsch: Für mich war es wichtig, dass mein Privatleben aus dem Zirkus Profifussball herausgehalten wird, weil mein Umfeld die Schattenseiten nicht erleben soll und ich einen Rückzugsort brauche. Als Profi ist man eine Person des öffentlichen Interesses und jeder meint, dass er dich auch als Privatperson immer beobachten, fotografieren oder beurteilen darf. Das wollte und will ich meiner Familie unter keinen Umständen zumuten.
Hanno Balitsch im Steckbrief