SPOX: Hallo, Herr Rauffmann. In Deutschland merkt man, dass es Winter wird. Man friert langsam wieder. Diese Probleme haben Sie gerade sicher nicht?
Rainer Rauffmann: (lacht) Nein, damit habe ich wirklich nicht zu kämpfen. Wir haben hier auf Zypern noch etwa 25 Grad.
SPOX: Sie leben nun schon seit rund zwölf Jahren auf Zypern. Wohl nicht nur des guten Wetters wegen?
Rauffmann: Mit Sicherheit nicht. Das Leben generell ist hier sehr, sehr angenehm. Ich bin ja auch mit einer Zypriotin verheiratet, habe eine kleine Tochter - das macht es natürlich perfekt hier.
Rainer Rauffmann: Der König von Zypern
SPOX: Erzählen Sie mal von diesem angenehmen Leben.
Rauffmann: Das Besondere an Zypern ist eigentlich leicht zu beschreiben: Wenn man morgens aufwacht, hat man gleich die Sonne im Gesicht. Dadurch hat man gleich ein ganz anderes Lebensgefühl. Man wacht mit einem Lachen auf und man geht viel beschwingter in den Tag hinein.
SPOX: In Deutschland hatten Sie vor Ihrem Wechsel nach Zypern zumindest sportlich gesehen kaum noch Grund zum Lachen.
Rauffmann: Mein Name war eigentlich tot in Deutschland. Auch aus eigener Schuld.
SPOX: Warum?
Rauffmann: Ich will es mal so sagen: Ich war nicht so seriös, wie man sich einen Profi-Fußballer hier in Deutschland vorstellt, habe auch mal Fünfe grade sein lassen und im Training nicht immer das gegeben, was die Trainer sehen wollten. Und dafür musste ich damals bezahlen. Aber im Endeffekt ist ja dann doch noch alles gut geworden...
SPOX: ... weil Sie nach Zypern gingen. Wer gab Ihnen den entscheidenden Tipp?
Rauffmann: Es kam ein Anruf des damaligen Pressesprechers von Omonia Nikosia, der lange in Deutschland studiert und gearbeitet hatte. Der hat mir nahe gelegt, dass ich das unbedingt versuchen sollte. Dann habe ich mir gedacht: Gut, fahre ich eben mal da runter und gucke mir das an. Und aus dem Angucken sind nun mittlerweile zwölf Jahre geworden.
SPOX: Sie haben also gleich gemerkt: Das könnte das Richtige für mich sein?
Rauffmann: Richtig. Ich habe mich von Anfang an heimisch gefühlt, weil die Leute sehr freundlich sind und mich unheimlich herzlich empfangen haben.
SPOX: Bevor Sie nach Nikosia gingen, hatten Sie etliche Zweitligaspiele auf dem Buckel und spielten auch in der Bundesliga. Der große Durchbruch gelang allerdings nie. In Zypern gelang Ihnen dann jedoch nicht nur der Durchbruch, sondern eine unfassbare Karriere.
Rauffmann: Das kann man schon so sagen.
SPOX: Wie kam es dazu?
Rauffmann: Ich habe nach drei Monaten meine jetzige Frau kennen gelernt. Sie hat mir eigentlich alles beigebracht, was man wissen muss hier auf Zypern. Wie die Leute ticken, wie man sich verhalten muss. Diese Ratschläge habe ich befolgt - und alles ist gut gegangen.
SPOX: Klingt einfach.
Rauffmann: Das war es irgendwie auch.
SPOX: Auch sportlich war es offenbar ganz simpel. Wissen Sie eigentlich, wie viele Tore Sie geschossen haben?
Rauffmann: Mit Europacup-Spielen und Einsätzen für die Nationalmannschaft 236 Tore, glaube ich.
SPOX: Allein in der Liga waren es in 152 Partien 181 Treffer. Da kriegt man ganz große Augen, wenn man das liest.
Rauffmann: (lacht) Klar sind das tolle Zahlen. Aber man muss auch sehen, dass ich hier auf Zypern damals bei der besten Mannschaft gespielt habe, die das ganze Spiel auf den Mittelstürmer zugeschnitten hat. Dadurch habe ich jedes Spiel meine Chancen bekommen, und ein paar habe ich eben auch rein gemacht.
SPOX: Ein paar ist gut. Schon in Ihrer ersten Saison wurde Sie mit 42 Treffern Torschützenkönig, was Ihnen in der Folge noch dreimal gelang. Von den Fans auf Zypern wurden Sie vergöttert.
Rauffmann: Auf der Insel sind rund 50 Prozent der Einwohner fanatische Anhänger von meinem Klub Omonia. Von daher war ich natürlich sehr beliebt beim Großteil der Zyprioten.
SPOX: Nur wegen Ihrer Tore?
Rauffmann: Die haben sicherlich einen Teil dazu beigetragen. Aber die Leute mochten und mögen einfach auch meine Art. Ich habe immer versucht, freundlich zu sein, bin eigentlich mit jedem hier immer gut ausgekommen. Selbst meine Gegenspieler haben mich immer respektiert. Ich bin hier auch nie angeeckt.
SPOX: 2002 haben Sie dann die zyprische Staatsbürgerschaft angenommen. Eine schwere Entscheidung?
Rauffmann: Eine sehr leichte Entscheidung! Ich wollte der Insel etwas zurückgeben. Zypern hat mir eine Familie gegeben, Zypern hat mir ein Zuhause gegeben. Da wollte ich einfach etwas zurückzahlen.
SPOX: Durch die Einbürgerung wurden Sie auch ins Nationalteam berufen. In Ihrer ersten Partie haben Sie gleich gegen den amtierenden Europameister Frankreich gespielt...
Rauffmann: ... und leider knapp verloren. Aber ein paar Jahre zuvor wäre es völlig undenkbar und unrealistisch gewesen, Leuten wie Zinedine Zidane oder Marcel Desailly auf diesem Niveau gegenüberzustehen.
SPOX: Und, wie war's?
Rauffmann: Ich war vorher verletzt und hatte nur Luft für 60 Minuten. Mein Gegenspieler war Marcel Desailly. Der war ein Tier. Weil ich etwas zurückhängend gespielt habe, musste ich die rechte Seite gegen Liliam Thuram zumachen. Und der ist ständig nach vorne gerannt. Dennoch haben wir uns gut geschlagen. Auch wenn wir verloren haben, war es ein tolles Erlebnis und sicherlich einer der Höhepunkte meiner Karriere.
SPOX: In Deutschland waren Sie gescheitert, auf Zypern sind Sie quasi der König - müssen Sie sich manchmal kneifen?
Rauffmann: Man kann es vielleicht so ausdrücken: Manchmal komme ich mir vor wie in einem perfekten Film.
SPOX: 2004 mussten Sie Ihre Karriere dann wegen einer schweren Knieverletzung beenden. Die Verehrung der Zyprioten für Sie ist aber geblieben.
Rauffmann: Die Verehrung ging auch nach dem Karriereende nahtlos weiter. Die Einstellung der Leute mir gegenüber hat sich nicht geändert. Im Gegenteil: Die Verehrung ist eher noch schlimmer geworden.
SPOX: Wie sieht das im täglichen Leben aus?
Rauffmann: Wenn man hier spazieren geht, dann sind die Leute immer freundlich. Fast jeder will mich zum Kaffee trinken einladen oder bietet mir ein Bier an. Sie wollen den engen Kontakt. So sind die Menschen hier einfach. Ganz anders als in Deutschland, wo jeder sein eigenes Leben lebt. Hier wollen die Menschen miteinander sein, man kommt schnell ins Gespräch.
SPOX: Was ist ihre Erklärung: Warum passen Zypern und Rainer Rauffmann so gut zusammen?
Rauffmann: Wir sind beide verrückt, würde ich sagen.
SPOX: Was Fußball angeht, sind die Zyprer sehr intensiv.
Rauffmann: Hier kommt der Fußball fast noch vor der Familie. Wenn man hier das Radio an hat, dann wird den ganzen Tag nur über Fußball geredet. Ab und an kommt mal ein Lied, aber dann sofort wieder Fußball. Das ist echt der Wahnsinn.
SPOX: Wie viel Deutscher steckt eigentlich noch in Ihnen?
Rauffmann: Man kann seine Herkunft nicht verleugnen, und das will ich auch nicht. Ich verfolge noch immer interessiert, was in Deutschland passiert, vor allem natürlich im Fußball. Ich würde schon sagen, dass ich trotz meiner tollen zwölf Jahre und der zypriotischen Staatsbürgerschaft noch immer ein halber Deutscher bin.
SPOX: Gibt's denn etwas, das Sie vermissen?
Rauffmann: Ganz klar: Knödel!