Borussia Dortmund hat für sein neues Champions-League-Trikot mit kaum sichtbarem Wappen harsche Kritik von den eigenen Fans geerntet. Aber wie kommt ein Trikot eines Profiklubs eigentlich zustande? Diesem Thema widmeten wir uns im Rahmen der Themenwoche "Fußball und Kunst" im Sommer 2017, sprachen dafür mit Verantwortlichen der Ausrüster-Firmen adidas und Jako. Der Text von damals.
Es gab mal eine Zeit, da war ein Trikot ein Trikot. Es war dazu da, um Fußballer voneinander zu unterscheiden: rot gegen blau. Seitdem hat das Trikot aber eine erstaunliche Wandlung durchlebt. "Es ist heute mehr als nur die Arbeitskleidung eines Spielers", sagt Christoph Rohmer von der Ausrüster-Firma Jako im Gespräch mit SPOX und Goal, "es ist die Visitenkarte eines Vereins." Eine Visitenkarte aber, die nicht verschenkt wird, sondern verkauft. Millionenfach. Und teuer.
Die Ausrüster balgen sich deshalb um die Vereine und Verbände und zahlen Geld dafür, dass ihre Logos auf den Trikots aufscheinen. Es ist schließlich die beste Werbung überhaupt. "Wenn wir ein neues Nationalmannschaftstrikot vorstellen, landet es auf den Titelseiten und in den Nachrichtensendungen", sagt Chefdesigner Jürgen Rank von adidas bei SPOX und Goal.
Mit den Sozialen Medien ist in den vergangenen Jahren darüber hinaus ein Sprachrohr entstanden, wodurch jeder nach Lust und Laune seine Meinung posaunen kann. Es ist ein schmaler Grat, auf dem die Ausrüster-Firmen seitdem wandeln, ein Grat zwischen öffentlicher Meinung und Verkaufszahl, zwischen Wagnis und Sicherheit. "Aus der Nation der 80 Millionen Bundestrainer wird die Nation der 80 Millionen Trikot-Designer", sagt Rank.
Mit adidas designt er für einen Welt-Konzern, Rohmer arbeitet mit Jako für ein mittelständisches Unternehmen. Auf dem Markt sind sie direkte Konkurrenten, die Entstehungen ihrer Trikots sind aber unterschiedlich aufwendig.
Vorgaben von Vereinen, Verbänden und Sponsoren
Bei Jako startet der Prozess der Trikot-Entwicklung für einen Bundesligisten knapp zehn Monate vor der offiziellen Präsentation - bei adidas ist er zu diesem Zeitpunkt schon längst abgeschlossen. "Ganz aktuell sind wir bei den Entwürfen für die Saison 2019/20", sagt Rank während erst kürzlich die Trikots für die anstehende Saison 2017/18 enthüllt wurden. Das Präsentieren und Ausliefern sind die finalen Schritte des Prozesses.
Der erste heißt bei adidas "Inspirations-und Brainstormingphase", bei Jako geht es um ein "umfangreiches Briefing und den Austausch von Ideen". Die Vereine teilen den Ausrüstern dabei ihre Vorstellungen mit: manche offener, manche exakter. "Haben die Vereine bereits konkrete Vorstellungen, sind dem Designer zwar kreative Spielräume genommen", erklärt Rohmer, "der Prozess gestaltet sich dadurch aber meist effektiver." Beim VfB Stuttgart ist ein weißes Trikot mit rotem Brustring etwa stets Standard, während sich andere Vereine experimentierfreudiger zeigen.
Beachtet werden müssen beim Design neben den Vorgaben der Vereine stets auch die der Verbände, erklärt Rank: "Es gibt etwa Regeln für Farben, Farbkontraste und die Positionierung von Logos."
Eine entscheidende Rolle spielt oftmals außerdem der Brust-Sponsor des Vereins. Während manche "im Sinne eines schönen Trikots über den eigenen 'Corporate-Identity-Schatten' springen", wie Rank es nennt, ist die Zusammenarbeit mit anderen komplizierter. Rohmer von Jako berichtet von einem Fall, als die Marke des Brust-Sponsors eines ausgestatteten Vereins für gute Laune stehen wollte. "Das schwarze Trikot, das wir unter anderem vorgeschlagen hatten, fiel also sofort wieder heraus", erklärt Rohmer, "denn Schwarz steht nicht für gute Laune."
Trikots: Wenn Fans mitreden
Immer wieder involvierten Ausrüster in den vergangenen Jahren auch Fans in den Entstehungsprozess eines Trikots. Bei adidas durften Anhänger etwa mit der digitalen Plattform Creator Studio das dritte Jersey ihres Vereins nach eigenen Wünschen gestalten. Die dabei entstandenen Trikots (unter anderem des FC Bayern und von Real Madrid) kommen in der neuen Saison zum Einsatz.
Jako versucht bei seinen Trikots stets die Wünsche der Fans mit einzubeziehen. "Das ist Teil unserer Philosophie", sagt Rohmer, aber "dabei sind wir auch an Grenzen gestoßen." Er erzählt vom Frankfurter Trikot für die Saison 2013/14. "Wir sind im Vorfeld in den direkten Dialog mit einzelnen Fans gegangen und haben dann versucht, all diese Meinungen auf einen Nenner zu bringen", sagt Rohmer. "Im weiteren Verlauf mussten wir jedoch feststellen, dass die Integration von so vielen Ideen in ein einziges Trikot kaum möglich ist."
Letztlich entschieden sich Ausrüster, Fans und Verein gemeinsam für ein traditionelles Trikot, erzählt Rohmer, das eines der bestverkauften von Jako überhaupt war. "Es lohnt sich, den Fans und dem Verein ganz genau zuzuhören", sagt Rohmer. Trotzdem wurde nach den gemachten Erfahrungen beschlossen, dass der Verein der optimale Ansprechpartner sei, um die Wünsche der Fans zu kommunizieren. "Er kann die vielfältigen Ideen seiner Anhänger für uns entsprechend bündeln", erklärt Rohmer.
Die Teams der Ausrüster
Im Rahmen all dieser Grenzlinien, die Vereine, Verbände, Sponsoren und manchmal auch Fans ziehen, arbeitet der Ausrüster mit seinem Team erste Vorschläge aus. "Bei uns umfasst die Arbeitsgruppe immer vier Personen", erklärt Rohmer von Jako. Er selbst ist als Vertreter der Sponsoring-Abteilung für den Austausch mit den Klubs verantwortlich. Darüber hinaus umfasst das Team einen Designer, einen Produktentwickler, der sich um die Kommunikation mit den Produzenten kümmert, sowie eine Assistenzkraft.
So kompakt das Team bei Jako ist, so groß ist es bei einem gigantischen Betrieb wie adidas. "Es sind eine ganze Menge Kollegen beteiligt", holt Rank aus und zählt unter anderem Ingenieure, Materialforscher sowie Marketing- und Sportmarketing-Experten auf.
Die Vorschläge, die diese mal kleineren, mal größeren Ausrüster-Teams entwerfen, werden schließlich dem entsprechenden Verein präsentiert. "Wir stellen den Klubs mindestens drei Konzepte vor, die sich hinsichtlich ihrer Idee sehr unterscheiden", sagt Rohmer, der betont, dass jeder einzelne Entwurf eine schlüssige Idee transportieren müsse. "Wir wählen niemals eine Farbe, nur weil sie dem Designer gefällt."
Aussagen und Prominenz der Vereine
Polarisierende Entwürfe schließt dieses Vorgehen trotzdem nicht aus. In der abgelaufenen Saison spielte Jako-Verein Bayer Leverkusen etwa in ungewohnten blau-grünen Trikots. Diese Farben sollten als Hommage an die Bayer AG verstanden werden. "Das Trikot wurde viel gelobt aber auch kritisiert und war deshalb präsent", sagt Rohmer. Es war eben ausgefallen und gerade ausgefallene Trikots werden oftmals hervorragend verkauft, "weil sich die Leute denken: So ein Trikot bekomme ich vielleicht nie wieder".
Welches Design letztlich vorgeschlagen wird, hängt bei adidas laut Chefdesigner Rank vornehmlich "von der Aussage ab, die der jeweilige Verein treffen will". Der Aufwand, der dann letztlich in die Ausarbeitung dieser Aussage gesteckt wird, hängt dagegen von der Prominenz des Vereins ab. "Es liegt auf der Hand, dass wir den Vereinen, die weltweit die größte Aufmerksamkeit genießen, ein besonderes Design bieten möchten", erklärt Rank, "schließlich verkaufen diese Vereine auch die meisten Trikots."
Bei Jako lautet die Prämisse dagegen, dass jeder ausgestattete Profi-Verein ein absolut individuelles Design bekommt - sogar in der Regionalliga, wo laut Rohmer nur etwa 20 Prozent der Klubs in eigens designten Jerseys spielen. "Für Vereine wie Mannheim, Essen oder Cottbus ist das in wirtschaftlicher Hinsicht super", erklärt Rohmer, "da sich individuelle Trikots deutlich besser verkaufen als Katalog-Trikots."
Vom Platz auf die Straße
Von den ersten grob ausgearbeiteten Vorschlägen des Ausrüsters entscheidet sich der Verein für einen, der in der folgenden Entwicklungsphase exakt nach Detail-Wünschen des Klubs angepasst wird. "Wir kommunizieren mehrmals wöchentlich miteinander", sagt Rohmer. Solange, bis alle Beteiligten zufrieden sind. Abschließend entscheidet der Klub, ob das Trikot bereits am letzten Spieltag der alten Saison, oder erst in der Vorbereitung auf die neue präsentiert werden soll.
Topmodern wirken sie dann meist, die Trikots, die eigentlich Visitenkarten sind. Sie werden ein oder zwei Jahre von den Spielern getragen und dann vergessen. Irgendwann bekommen sie den Titel "retro", nachdem sich erst über Design und Schnitt lustig gemacht wurde.
"Die zirkuszeltartig weiten Trikots der Neunziger sind über die Jahre schmaler und enger geworden", erklärt Rank die aktuell augenscheinlichste Entwicklung. Genau wie in der Mode ändern sich die Trends auch im Trikot-Design rasant. Derzeit verschmelzen diese beiden Bereiche gar.
Trikots sind laut Rank zunehmend "ein fester Bestandteil der Streetwear-Kultur". Rohmer von Jako denkt noch einen Schritt weiter: "Womöglich werden Trikots bald nicht mehr für Spielzeiten designt, sondern für kürzere Zyklen." Für Mode-Zyklen, er spricht von Herbst/Winter- und Frühjahr/Sommer-Trikots. Und einst hieß es nur: rot gegen blau.