"Zwei Profis wollen sich outen, aber..."

Tony Quindt outete sich 2009 und setzt sich seitdem öffentlichkeitswirksam für die Belange schwuler Fußballer ein
© tony quindt facebook
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SPOX: Sie sagen, Sie kennen schwule Profifußballer. Können Sie einen Einblick geben, wie diese das Versteckspiel im Leistungssport mit ihrem privaten Leben vereinbaren?

Quindt: Es sollte mittlerweile jedem klar sein, dass es schwule Bundesligaprofis gibt. Und die halten dieses - in Anführungszeichen - perfekte Leben für die Gesellschaft aufrecht. Der Leistungsträger mit einer hübschen Frau in einer perfekten Beziehung. Dafür gibt es extra Modelagenturen. Dort können Frauen gebucht werden für gemeinsame Auftritte, Beziehungen und auch Scheinehen. Sie tun also alles in der Öffentlichkeit, was eine richtige Freundin oder Frau auch tun würde.

SPOX: Machen das ausnahmslos alle schwulen Profis, weil es so etwas wie ein ungeschriebenes Gesetz gibt?

Quindt: Also es gibt viele, die das so durchziehen. Aber es gibt auch Ausnahmen, die offiziell einfach alleine leben und denen egal ist, was die anderen Menschen dann sagen. Eines verbindet aber beide Vorgehensweisen.

SPOX: Nämlich?

Quindt: Egal, ob in einer Scheinbeziehung oder als Single: Alle homosexuellen Fußballer nehmen große Mühen auf sich, um ihre sexuelle Orientierung heimlich ausüben zu können - oder um einfach nur ihren Freund zu treffen.

SPOX: Dieser mentale Druck und die Angst, erwischt zu werden, muss doch unmenschlich hoch sein?

Quindt: Es gibt auch Fälle, in denen schwule Fußballer sich aktiv von ihren Agenturfrauen getrennt haben, weil sie es nicht mehr ertragen haben. Bei Thomas Hitzlsperger stand vor seinem Outing ja auch eine mögliche Hochzeit mit einer Frau im Raum. Dieses Versteckspiel und die psychische Belastung, die damit verbunden ist, kann man meiner Meinung nach nicht lange aushalten.

Mit seinem Schwulen-Team, den Ballboys Hamburg, nimmt Quindt regelmäßig an Turnieren teil

SPOX: Einerseits fühlt sich kein Profifußballer bereit für ein Outing. Andererseits schützt die Gesellschaft diese Geheimnisse. Es dringt nichts an die Öffentlichkeit. Wie passt das zusammen?

Quindt: Wenn die schwulen Spieler sich in internen Kreisen outen, in der Schwulenszene oder auch gegenüber Journalisten, dann geht es auch immer um Agreements. Es geht schließlich um nicht weniger als die Existenz des Spielers. Nehmen wir mal an, ein Spieler würde von einem Journalisten oder von einer Gruppe zwangsgeoutet. Was würde passieren?

SPOX: Er würde wohl erstmal alles abstreiten.

Quindt: Richtig. Aber insgesamt wäre das für den Spieler noch viel schlimmer als das Versteckspiel, das er zuvor betrieben hat. Mit dieser neuen Belastung müsste er versuchen, weiter Leistung auf dem Platz zu bringen, sein Privatleben zu regeln und insgesamt seine Einstellung zum Leben im Griff haben - und das alles plötzlich unter Sonderbeobachtung der Medien und damit auch der Gesellschaft. Aber so wie ich diese Agreements und Vorgänge in den vergangenen Jahren beobachte, wird sich das kein Journalist trauen. Ich finde ohnehin, dass den Medien eine besondere Rolle zukommt.

SPOX: Nämlich?

Quindt: Schwule Fußballer, die sich nicht outen wollen, müssen geschützt werden. Ein Zwangsouting hilft niemandem.

SPOX: Schlagen wir nochmal die Brücke zu Ihnen. Hatten Sie damals einen konkreten Plan, als Sie den Entschluss gefasst haben, sich zu outen?

Quindt: Ich hatte mir schon etwas Vorlaufzeit genommen. Dann war aber doch auch viel Spontanität dabei. Ich wusste nicht und hatte Angst, wie das die Teamkollegen auffassen. Diese Gedanken: Was mache ich, wenn sie es nicht akzeptieren? Das hat mich permanent beschäftigt. Denn ich habe sehr gerne in dieser Mannschaft gespielt und hatte dementsprechend ganz viele Was-Wäre-Wenn-Gedanken im Kopf.

SPOX: Und wie haben Sie es letztlich angestellt?

Quindt: Ich habe einen Mann zu einer Mannschaftsfeier mitgenommen und ihn als meinen Freund vorgestellt. (lächelt)

SPOX: Wow! Offensiv.

Quindt: Ja, das sorgte erstmal für Gesprächsstoff. (lacht) Aber langfristig war es die absolut richtige Entscheidung.