Ein Fragezeichen aus der Mottenkiste

Mario Krischel
20. Juni 201708:26
Bernd Leno war der Verlierer des deutschen Auftaktsieges gegen Australiengetty
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Die DFB-Elf sorgte mit einem über weite Strecken guten Auftritt gegen Australien für einen Auftaktsieg beim Confed Cup. Ein Trio ragte dabei heraus. Am anderen Ende muss sich Joachim Löw einer unangenehmen und mittlerweile nicht mehr gewohnten Frage stellen.

Die Erkenntnisse nach dem ersten Spiel

Den ersten Test hat das Perspektivteam mit einer guten Note bestanden, so viel steht nach dem Auftaktsieg gegen Australien fest. Aber der Deutsche wäre nicht der Deutsche, wenn er nicht vornehmlich nach dem Haar in der Suppe suchen würde.

Hätte Schiedsrichter Mark Geiger den ersten Abschnitt nach einer halben Stunde beendet, was so manch einer auf der halbleeren Ehrentribüne in Sotschi durchaus begrüßen würde, dann würde die Mängelliste für Löws Spielanalyse am Dienstagmorgen recht kurz ausfallen. Dann nämlich könnte der Bundestrainer den Fokus im anschließenden Training hauptsächlich auf den Torabschluss richten.

Zum Glück dauert ein Spiel aber nach wie vor 90 Minuten, wohl auch aus Löws Sicht, denn er war schon im Vorfeld ein Befürworter des Confed Cups. Er wolle diese "Mini-WM" nutzen, um vielen jungen Spielern die Chance zu geben, sich auf Turnier-Niveau zu präsentieren. Nach dem Sieg über Australien nahm er mit Freude zur Kenntnis, dass sich einige Akteure auf dem Feld seine Worte offenbar sehr zu Herzen genommen haben. Allen voran die offensive Riege um den bärenstarken Leon Goretzka.

"Die Spieler haben eine gute Qualität - deshalb sind sie auch hier", sagte Löw im ZDF über eine "sehr, sehr gute erste Hälfte". In Abschnitt zwei habe seine Elf "dann etwas den Faden verloren", zu Gute halten muss man dem Weltmeister aber auch, dass es trotz weniger offensiver Akzente nach dem 2:3 hinten nie wirklich gefährlich wurde. Zu harmlos waren die Australier, die zu Beginn erst überrannt wurden und später planlos schienen, was sie mit den vorhandenen Räumen anstellen sollten.

Doch gerade den Umstand, dass nicht alles perfekt war, begrüßte Löw. "Wir haben gemerkt, woran wir noch arbeiten müssen", blickte er auf das kommende Gipfeltreffen der Gruppe mit Südamerika-Meister Chile. "Chile wird ein Spiel auf einem anderen Level. Chile spielt mit einer unglaublichen Variabilität und Intensität, da müssen wir schauen, dass wir die Stabilität über 90 Minuten halten können, nicht nur über 60."

Nichtsdestotrotz haben Kapitän Julian Draxler und Co. einen guten Vorgeschmack darauf gegeben, was mit dem Potenzial der Mannschaft zu erreichen ist.

Das Trio infernale

Selten war eine Saison für einen Spieler so gut und gleichzeitig so schlecht wie für Leon Goretzka in diesem Jahr. Obwohl der FC Schalke seine schwächste Saison seit langem spielte und nicht international vertreten sein wird, wusste der 22-Jährige im Grunde Woche für Woche zu gefallen.

Goretzka ist gereift und vor allem auch gesund geblieben, dadurch hat er sich erneut für Joachim Löw empfohlen, der ihn ohnehin schon seit Jahren über den grünen Klee lobt. Den Confed Cup solle er nutzen, um so im kommenden Jahr für die WM-Endrunde mehr als nur eine Option zu sein.

Und Goretzka will seine Chance nutzen, das bewies er gegen Australien mit Nachdruck. Jeder Angriff lief über den Schalker, der einerseits mit klugen Pässen gefährliche Angriffe einleitete, andererseits selbst als Vollstrecker glänzte.

"Er war sehr präsent und hat sehr viel gearbeitet, Zweikämpfe gewonnen in der Defensive, hat überragende Läufe in die Tiefe gemacht, das ist schwer zu verteidigen, wie man beim dritten Tor gesehen hat", bewertete Löw hernach. "Er ist in einer sehr guten Form und macht einen sehr guten Eindruck."

Hilfe erhielt Goretzka gegen schüchterne Socceroos vor allem von Joshua Kimmich und Julian Brandt. Das Trio stach mit perfektem Kurzpassspiel und schnellen Kombinationen ins vordere Drittel heraus. Immer wieder fanden sich die drei auf der rechten Seite wieder und überrannten die gegnerische Abwehrreihe.

So fiel das 1:0, so hätte das 2:0, 3:0 und 4:0 fallen müssen und so fiel das 3:1, das Goretzka nach mustergültiger Vorlage von Kimmich schließlich selbst erzielte.

Zufriedenheit war bei Kimmich und Goretzka nach Abpfiff jedoch kaum spürbar, auf der Bank wurde noch eifrig diskutiert, wie auch Chile geknackt werden kann. Jedenfalls nicht mit einer zweiten Hälfte wie gegen Australien. Ja, befand Goretzka, "das muss besser werden."

Die ungewohnte T-Frage

Gemäß dem ungeschriebenen Gesetz der Rotation durfte sich Bernd Leno am Montag zwischen den Pfosten im Olympiastadion zu Sotschi positionieren.

Anfang des Monats verhalf Löw Kevin Trapp beim Testkick in Dänemark zum Länderspieldebüt. Der PSG-Schlussmann machte seine Sache ordentlich und durfte kurz darauf in der WM-Qualifikation gegen San Marino wieder auf der Bank Platz nehmen. Beim lockeren 7:0 war Marc-Andre ter Stegen an der Reihe. Der Wahl-Katalane konnte froh sein, dass es das Wetter in Nürnberg gut mit ihm meinte, andernfalls wäre es ob nicht vorhandener Beschäftigung ein sehr trister Abend geworden.

Dass es für Leno am Rande des Schwarzen Meeres nicht ganz so gemütlich werden würde, war im Vorfeld eigentlich klar. Immerhin konnte die Nummer 48 der Weltrangliste gegenüber der 204 auch auf Bundesliga-Erfahrung zurückgreifen. Doch was die Socceroos dann ablieferten, kam wohl auch für Leno überraschend. Die Australier kamen knapp 40 Minuten nicht kontrolliert aus der eigenen Hälfte und waren offensiv so gut wie nicht vorhanden.

Das Unheil nahm dann aber recht unerwartet und schnell seinen Lauf. Erst Rogics zaghafter Versuch, der ohne Mustafis Hilfe gen Eckfahne geflogen wäre, dann sein Dropkick, den Leno unter sich durchflutschen ließ. "Da kann er nicht so viel richtig machen", meinte Löw später, musste dann aber auch einsehen, dass besonders Gegentor Nummer zwei in der 56. Minute nicht mehr zu beschönigen war. "Den kann er schon festhalten."

Vorausgegangen war ein Nachschuss, den Tomi Juric erst mit der Brust abfälschte und sich anschließend artig bei Leno bedankte, weil der Leverkusener den einfachen Ball wieder aus den Händen rollen ließ.

Dem DFB-Team stellt sich bei einem offiziellen Turnier also seit Ewigkeiten wieder ernsthaft die T-Frage. Und natürlich wurde selbige nach Lenos Auftritt unweigerlich in eine für den Leverkusener ungünstige Richtung gelenkt. Vor dem Eröffnungsspiel schenkte Löw ihm das Vertrauen, "weil er in den letzten Spielen nicht gespielt hat. Wir haben 100 Prozent Vertrauen in ihn." Offen ließ der Bundestrainer, auf wen in der zweiten Partie setzen werde.

Das scheint Leno nun selbst geklärt zu haben. Alles andere als ein erneuter Wechsel wäre vor dem Chile-Spiel eher eine Überraschung, auch wenn Löw seinen Schützling in Schutz nahm: "Er hat mal einen Fehler gemacht, das ist für mich kein Problem." Das Gesetz der Rotation bringt ihm aber wenigstens eine willkommene Ausrede.

Australien - Deutschland: Die Daten zum Spiel