Nach zwei verpassten Turnieren greift Dänemark bei der WM in Südafrika wieder an. Bei SPOX spricht der frühere HSV-Profi und Ex-Nationalspieler Stig Töfting über ein 18-jähriges Supertalent, eine weitere Granate, Nicklas Bendtner und das Erfolgsrezept der alten Dänen. Außerdem verrät er, dass Nationalcoach Morten Olsen eigentlich zu extrem ist, um einen Klub zu übernehmen.
SPOX: Im WM-Kader Dänemarks steht ein 18-Jähriger namens Christian Eriksen. In Deutschland fast gänzlich unbekannt, wird er in der Heimat als "nächster Michael Laudrup" gefeiert. Wer ist der Knabe überhaupt?
Stig Töfting: In Dänemark kannte ihn lange auch kein Mensch, aber dann stand er im Januar plötzlich in der Startelf von Ajax Amsterdam und hat sofort alle überzeugt. Was er in der Europa League und in der niederländischen Liga gezeigt hat, war einfach nur beeindruckend. Er ist ballsicher, bietet sich immer an und wirkt für sein Alter auf dem Platz ungemein erwachsen und reif. Wenn es den Begriff Supertalent nicht schon geben würde, für ihn hätte man ihn erfinden müssen.
SPOX: Ist er wirklich so gut?
Töfting: Nicht umsonst will ihn im Grunde jeder europäische Topklub verpflichten, wie ich gehört habe. Es ist aber gut, dass er sich für einen Verbleib in Amsterdam entschieden hat. Er kann noch ein, zwei Jahre warten, sich in Ruhe verbessern und dann wechseln.
ImagoSPOX: Ist der Vergleich mit Michael Laudrup angebracht?
Töfting: Er hat die gleichen Anlagen. Die Technik, der Spielstil, wie er den Ball mitnimmt, wie er dribbelt. Vieles erinnert in der Tat an Michael Laudrup, daher passt der Vergleich. Mit Mikkel Beckmann steht ein zweiter offensiver Mittelfeldspieler im Kader, der ebenfalls etwas von Laudrup hat. Er ist zwar schon 26 Jahre alt, spielt beim kleinen FC Randers und feierte erst in dieser Saison seinen Durchbruch - aber er ist ebenfalls eine Granate.
SPOX: Dänemark tritt mannschaftlich geschlossen auf, doch es fehlt die Kreativität. Könnten die beiden die Lösung sein?
Töfting: Bei Beckmann weiß ich nicht, ob der abrupte Schritt von der dänischen Liga zur WM nicht zu groß ist. Und bei Eriksen könnte es kontraproduktiv sein, ihn gleich im ersten Gruppenspiel gegen die Niederlande einzusetzen und ihn so womöglich kaputt zu machen. Er ist schließlich erst 18. Vom Talent her bringt Eriksen allerdings alles mit, um dem teils behäbigen und mühseligen Aufbauspiel neue Impulse zu verleihen.
SPOX: Mit der Kreativität im Mittelfeld ist es also nicht weit her. Welcher Mannschaftsteil macht Ihnen denn die wenigsten Sorgen?
Töfting: Die Innenverteidigung. Daniel Agger hat sich in Liverpool auch als Mensch weiterentwickelt, er gefällt mir sehr gut und passt perfekt zu Simon Kjaer, der zwar jung ist, aber sich schon als Teenager in der Serie A durchgesetzt hat. Auch bei Kjaer überrascht es nicht, dass halb Europa hinter ihm her ist.
SPOX: Was erwarten Sie von Angreifer Nicklas Bendtner?
Töfting: Ich warne davor, zu große Hoffnungen in Bendtner zu setzen, nur weil er der vermeintlich größte Star im Kader ist und einige wichtige Tore in der WM-Qualifikation geschossen hat. Für die Weltspitze fehlt noch etwas, auch wenn er den richtigen Instinkt mitbringt und sich gut im Strafraum bewegt. Dass er dennoch Mängel in der Schnellkraft und Technik hat, ist offensichtlich. Argentinien hat Milito und Messi, Spanien hat Torres und Villa, England hat Rooney, Portugal hat Ronaldo - und Dänemark hat Bendtner. Bendtner, dem in der Premier League ganze sechs Treffer gelangen. Man muss es in Relation setzen.
SPOX: Wer soll dann vorangehen?
Töfting: Uns fehlen die absoluten Leitwölfe, daher muss die Mannschaft die Verantwortung auf mehrere Schultern verteilen. Bei der WM sind Spieler wie Jon Dahl Tomasson, Christian Poulsen, Daniel Agger, Jesper Grönkjaer und Dennis Rommedahl gefragt.
SPOX: Von Liverpools Abwehrspieler Agger abgesehen alles Spieler, die ihren Zenit überschritten haben.
Töfting: Das kann sein. Aber so schlecht waren sie in der abgelaufenen Saison gar nicht. Tomasson hat in Rotterdam immer getroffen, wenn er eingewechselt wurde, und immerhin zwölf Saisontreffer erzielt. Er ist ein Phänomen. Ähnlich überzeugend war Rommedahl in Amsterdam und Grönkjaer beim FC Kopenhagen. Zugegeben, Poulsen stagniert seit zwei Jahren, aber auf ihn war im Nationaltrikot immer Verlass.
SPOX: Klingt nach Zweckoptimismus.
Töfting: Nein. Es ist Fakt, dass Dänemark immer nur erfolgreich sein konnte, wenn die Spieler füreinander einstanden und geschlossen aufgetreten sind. Von Michael Laudrup abgesehen hatten wir noch nie einen Superstar in der Mannschaft, daher ist es jedem bewusst, dass der Einzelne etwas beitragen muss, wenn die Mannschaft etwas erreichen will. Deswegen glaube ich auch, dass wir mindestens das Achtelfinale erreichen. Die Niederlande sind wohl nicht zu schaffen, aber wir sind besser besetzt als Japan und verhalten uns taktisch klüger als Kamerun.
SPOX: Welche Rolle spielt Trainer Morten Olsen? Nachdem Dänemark unter ihm die WM 2006 und die EM 2008 verpasst hat, war nicht unbedingt zu erwarten, dass die WM-Qualifikation gelingt.
Töfting: Er wurde letztes Jahr 60 Jahre alt - und das merkt man auch. Morten hat sich verändert und ist ruhiger geworden. Sein Temperament ist zwar noch immer vorhanden, aber er reagiert nicht mehr so heftig. Ich mochte schon immer seine Mentalität, aber teilweise war es schon krass, wie er sich verhalten hat. Früher wollte er alles alleine erledigen. Mittlerweile ist jedoch die Gewissheit eingekehrt, dass er Verantwortlichkeiten abgeben muss. Deshalb hat er den Trainerstab vergrößert. Eine kluge Entscheidung.
SPOX: Es heißt, er habe Ambitionen, eine Klub-Mannschaft zu übernehmen.
Töfting: Das habe ich auch mitbekommen. Beim dänischen Verband hat er einen Vertrag bis 2012, aber man weiß nie. Die Bezahlung als Dänemarks Nationaltrainer ist ein Witz im Vergleich zu dem, was beispielsweise in der Bundesliga zu verdienen ist.
SPOX: Andererseits war er als Klub-Trainer nicht unbedingt erfolgreich.
Töfting: Das kann man so sagen. Bei Bröndby, in Köln und in Amsterdam wurde er überall gefeuert. Prinzipiell glaube ich, dass Mortens Arbeitsweise besser zu einer Nationalmannschaft passt, weil er enorm viel von seinen Spieler fordert. Er verlangt so viel, dass man es als Spieler eigentlich nur für eine gewisse Zeit mit ihm aushält. Ein Jahr pausenlos Morten Olsen hätte nicht mal ich geschafft. (lacht).