FIFA-Boss Joseph S. Blatter hat mit höchst fragwürdigen Aussagen die anscheinend unmenschlichen Arbeitsbedingungen im WM-Gastgeberland 2022 Katar verharmlost. "Uns tut das sehr leid, was da passiert", sagte Blatter am Freitag in Zürich: "In jedem Land der Welt kann es passieren, dass es Todesfälle auf Baustellen gibt, insbesondere auf WM-Baustellen." Einem möglichen WM-Entzug erteilte der 77-Jährige eine klare Absage: "Wir wollten Katar, und wir ziehen das durch."
Die britische Zeitung "The Guardian" hatte über zahlreiche Todesfälle auf den Baustellen für die WM im Emirat am Persischen Golf berichtet. Allein 44 nepalesische Gastarbeiter sollen zwischen dem 4. Juni und 8. August ums Leben gekommen sein, zur Hälfte an Herzversagen oder bei Arbeitsunfällen.
FIFA kann nicht eingreifen
"Wer ist dafür verantwortlich?", fragte der 77 Jahre alte Schweizer: "Die Verantwortung für die Arbeitsrechte liegt bei den Unternehmen, und es gibt dort auch viele europäische Unternehmen."
Die FIFA werde "die Augen nicht verschließen", sagte der Präsident, könne aber nicht intervenieren: "Die Intervention kann nur von Katar selbst erfolgen." Die Führungsspitze des Emirates habe dies bereits angekündigt. Blatter wird demnächst persönlich nach Katar reisen und dem neuen Emir einen "Höflichkeitsbesuch" abstatten. Das katarische WM-Organisationskomitee habe der FIFA zudem eine Arbeiter-Charta gesandt, aus der hervorgehe, "dass sich verschiedene Ministerien mit diesem Thema befassen", so Blatter.
Blatter fährt nach Katar
Auf die Frage, ob dem Emirat die WM entzogen wird, sollten die Menschenrechts-Verstöße anhalten, reagierte der FIFA-Boss dünnhäutig. "Sie blicken in die Zukunft, ich kann das nicht", sagte er: "Ich fahre jetzt nach Katar und werde Katar auf seine Verantwortung aufmerksam machen. Wir haben aber viel Zeit was Katar angeht, dort wird erst in neun Jahren gespielt."
Über das Geschehen am Persischen Golf könne die FIFA zwar "nicht einfach hinwegsehen", sagte Blatter, schränkte aber im gleichen Atemzug ein: "Wir haben 209 Verbände und in jedem gibt es verschiedene politische, kulturelle und soziale Organisationen und wir können in diese Sachen nicht eingreifen. Wir können nur etwas tun, wenn wir hören oder sehen, das etwas nicht klappt. Dann können wir sagen: Wir wollen helfen."
Politischer Einfluss bestätigt
Die Politiker "werden immer wiederkommen", sagte der 77-Jährige: "Sie können den politischen Aspekt nicht wegnehmen, weil diese Wettbewerbe in eine Kategorie gekommen sind, die eine solche Wichtigkeit hat, dass sich nicht nur Sportler darum reißen."
Bei der Vergabe der Olympischen Spiele 2020 nach Tokio Anfang September in Buenos Aires sei der gesamte politische Hochadel der Bewerber anwesend gewesen. "Das gleiche ist hier 2010 passiert", sagte Blatter mit Blick auf die umstrittene WM-Vergabe vor drei Jahren an das Emirat Katar. Im Anschluss wurden immer wieder Korruptionsvorwürfe laut - bis heute ohne stichhaltigen Beweis.
Rechtliche Schritte unmöglich
FIFA-Boss Joseph S. Blatter hat zumindest indirekt den möglichen rechtlichen Schritten der unterlegenen Bewerber der WM-Ausschreibung 2022 eine Absage erteilt, sollte die Endrunde in Katar im Winter stattfinden. "Die offiziellen Dokumente der FIFA, die allen Kandidaten gegeben wurden, besagen, dass der Wettbewerb mit 32 Mannschaft en stattfindet", sagte Blatter: "Vermutlich, ich betone vermutlich, finden die Weltmeisterschaften im Juni/Juli statt - dass ist keine Muss-Formulierung, sondern eine Kann-Formulierung."
Im Zuge der Diskussion um einer Winter-WM in dem Wüstenstaat hatten die bei der Vergabe 2010 unterlegenen Nationen mit dem Gedanken gespielt, gegen den Weltverband zu klagen. Katar habe sich schließlich für eine Sommer-WM beworben, hieß es. Das FIFA-Exekutivkomitee hatte am Freitag bekannt gegeben, dass die Entscheidung über eine Verlegung der WM 2022 erst nach der WM 2014 fallen werde.