SPOX: Herr Pienaar, in Europa würde man sich so sehr auf die WM in Südafrika freuen - wäre da nicht das Dauergetröte der Vuvuzelas.
Steven Pienaar: Als ich von der Kritik an den Vuvuzelas beim Confed-Cup gehört habe, habe ich es für einen PR-Gag gehalten. Wer kommt auf so eine Idee? Vuvuzelas und Südafrika gehören einfach zusammen, die kann man nicht verbieten. Als Fußballer musst du mit so etwas umgehen können.
SPOX: Ist es aber nicht schwer, sich mit seinen Mitspielern auf dem Platz zu unterhalten?
Pienaar: Nein. Das wäre ja genauso, wenn einige Bundesligaspieler fordern würden, dass Borussia Dortmund die Südtribüne verbieten sollte, weil die Fans zu laut ihre Mannschaft anfeuern und dadurch die gegnerischen Mannschaften einschüchtern. Ich bin davon überzeugt, dass wir den Gebrauch von Vuvuzelas nicht nur bei unseren Spielen, sondern auch bei anderen Fans sehen werden.
SPOX: Abseits der Vuvuzelas. Was müssen die Fußball-Fans aus aller Welt berücksichtigen, damit sie sich in Ihrem Heimatland Südafrika sicher fühlen können?
Pienaar: Es wird sehr viel Negatives über Südafrika und die Sicherheit geschrieben. Menschen aus Europa lassen sich dadurch abschrecken. Dabei ist Südafrika ein wunderbares Land, die Menschen aus der ganzen Welt werden es lieben.
SPOX: Aber es gibt doch sicher gewisse Dinge, die man beachten muss.
Pienaar: Sicherlich muss man sich an gewisse Regeln halten. Touristen sollten einige Gegenden meiden, so zum Beispiel die Townships nach Einbruch der Dunkelheit. Es gibt aber in jedem Land Gegenden, die man als Tourist meiden sollte, das wird es auch bei der nächsten WM in Brasilien geben.
SPOX: Haben Sie einen konkreten Ratschlag?
Pienaar: WM-Besucher müssen sich, solange sie in den Innenstädten bleiben, WM-Spiele oder die zahlreichen touristischen Attraktionen besuchen, kaum mehr Gedanken um ihre Sicherheit machen als in Deutschland oder dem restlichen Europa. Es wird eine tolle WM werden und die Menschen aus Südafrika werden mit den Freunden aus der ganzen Welt vor, während und nach den Spielen gemeinsam feiern. Davon bin ich überzeugt. Südafrika wird alles für die Sicherheit der ausländischen Besucher tun.
SPOX: Rainer Zobel, der aktuell in Südafrika als Trainer arbeitet, meinte kürzlich, dass sich viele Südafrikaner keine Tickets für die Spiele leisten können.
Pienaar: Die hohen Preise sind wirklich ein Problem für viele Südafrikaner. Nicht ohne Grund hat die FIFA die Ticketpreise für Südafrikaner von Beginn an deutlich gesenkt, um auch ihnen die Chance zu geben, die Spiele zu sehen. Dennoch werden viele meiner Landsleute nicht in der Lage sein, sich ein Ticket zu kaufen. Ich hoffe, dass die FIFA auch wieder Karten in den Townships verteilen wird.
SPOX: Sie selbst sind in Westbury aufgewachsen, einem der härtesten Stadtteile von Johannesburg. Ihr Haus war mitten in der Gegend, wo viele Drogengangs ihr Unwesen trieben. Erzählen Sie doch einmal vom damaligen Alltag.
Pienaar: Das tägliche Leben war nicht einfach, denn als Kind hast du kaum Möglichkeiten in Westbury. Wir sind damals in Hinterhöfe von Fremden geklettert, um deren Leergut zu stehlen und einzulösen. Das Geld brauchten wir dringend zum Leben, aber als Kind nimmst du das alles gar nicht so wahr, denn es ist ja dein tägliches Leben und du kennst kein anderes.
SPOX: Hat Sie Ihre Familie nicht davor bewahren können?
Pienaar: Meine Familie hatte nicht viel. Meine Mutter hat versucht, alles für meine Geschwister und mich zu tun. Sie war sehr streng in ihrer Erziehung und hat immer versucht, uns von der Straße fern zu halten. Heute danke ich ihr dafür.
SPOX: Aber die Chance, auf die schiefe Bahn zu geraten, war schon groß?
Pienaar: In eine Gang hat es mich zum Glück nie gezogen. Wie schon gesagt, ich verdanke meiner Mutter und meinem Glauben an Gott alles. Ich erinnere mich noch genau an den Tag, als mir meine Mutter einen Plastikball gekauft hat, mit dem ich im Hof spielen durfte. Irgendwann hat mich dann ein Scout entdeckt und mich zu einer Sichtung eingeladen. Mit 12 habe ich dann meine Familie verlassen und bin auf ein Fußballinternat in Johannesburg gegangen. Ab da war ich nicht mehr auf der Straße. Mit 18 bin ich nach Europa gegangen.
SPOX: Sie wechselten nach Ihrer Zeit bei Ajax Amsterdam zum BVB. Dort sollten Sie der Nachfolger von Tomas Rosicky werden. Schlussendlich haben Sie Deutschland enttäuscht verlassen. Woran lag's?
Pienaar: Die Zeit bei Borussia Dortmund war für mich eine neue Erfahrung. Schon zu Beginn musste ich einen schweren Schicksalsschlag wegstecken. Mein Cousin, der wie ein Bruder für mich war, ist in Südafrika verstorben. Direkt nach dem Trainingslager musste ich zurück nach Südafrika und mich von meinem Cousin verabschieden. Die Presse hat das damals unwissend sehr negativ ausgelegt und behauptet, ich fühle mich nicht wohl in Dortmund, aber das war nicht der Fall.
SPOX: Sportlich lief es aber dennoch nicht.
Pienaar: Es stimmt, dass während der ganzen Saison sehr viel Unruhe im Verein herrschte. Wir hatten alleine drei verschiedene Trainer, das war für das ganze Team nicht einfach. Sicherlich habe ich in der Zeit auch nicht meinen besten Fußball gezeigt. Als dann der Wechsel zum FC Everton zustande kam, war ich regelrecht befreit und habe gemerkt, dass man wieder an mich glaubt. Dieser Glaube hat mir in Dortmund gefehlt.
SPOX: Wie war Ihr Verhältnis zu den Dortmunder Mitspielern? Es hieß, dass Sie damals sehr isoliert gewesen seien.
Pienaar: Ich kam von Ajax und dort waren wir eine richtige Gemeinschaft, die auch außerhalb des Platzes viel zusammen gemacht hat. Das war in Dortmund ganz anders, dort hat jeder nach dem Training sein eigenes Ding gemacht. Aber das ist in Deutschland so üblich, wie ich von anderen gehört habe. Probleme mit Mitspielern hatte ich keine. Natürlich gab es mal Meinungsverschiedenheiten auf dem Platz, aber sobald du vom Platz gehst, sind diese vergessen. Mit einigen Spielern habe ich sogar heute noch Kontakt und viele sehe ich ja auch bei der WM wieder.
SPOX: Ihr Wechsel von Dortmund nach Everton hat sich ausgezahlt. Sie haben sich längst in der Premier League etabliert. Wie schwer war die Eingewöhnung?
Pienaar: Jeder neue Spieler muss immer erst integriert werden, das geht nicht in ein paar Tagen. Ich habe mich aber sehr schnell an die englische Spielweise gewöhnt. Die größte Umgewöhnung waren die vielen Spiele und vor allem die nicht vorhandene Winterpause. In meiner Anfangssaison für Everton konnte ich zum ersten Mal Weihnachten nicht nach Hause zu meiner Familie fliegen, da wir am ersten Weihnachtstag ein Ligaspiel hatten. Ein weiterer Unterschied ist, dass das Spiel in der Premier League wesentlich schneller als in der Bundesliga ist. Es wird auch nicht so kleinlich gepfiffen. Mir kommt das sehr entgegen.