Die nationale Presse sprach von einem "Wunder". Die Spieler wurden wie Helden gefeiert. Sie hätten das "Unmögliche möglich gemacht". Mit 9:8 gewann die jordanische Nationalmannschaft im Elfmeterschießen in der Asiengruppe gegen Usbekistan und qualifizierte sich für das entscheidende Playoff-Spiel gegen Uruguay.
Erstmals in der Geschichte des Landes hat das Team von Trainer Hossam Hassan nun die Chance, an der Endrunde einer Weltmeisterschaft teilzunehmen. Alleine schon die Gelegenheit ließ die Fans nach dem Usbekistan-Spiel auf die Straßen Ammans strömen und den Erfolg mit Feuerwerk und Freudenschüssen feiern.
"Wenn in Jordanien ein Feuerwerk nach einem Fußballspiel zu hören ist, geht es normalerweise um Barcelona oder Real Madrid", erklärte ein Anhänger nach dem Spiel. Endlich habe die Nation die Möglichkeit, einen "wirklich jordanischen" Erfolg zu feiern.
Hauptsächlich Barcelona- und Real-Fans
"Es gibt viele Real- und Barca-Fans in Jordanien, vor allem unter den Jugendlichen", erklärt Qatari Nasser Al-Khelaifi, Präsident von Paris Saint-Germain sowie Direktor von "Al Jazeera Sport" ist.
Sein Sender spielt eine wesentliche Rolle: Der Spartenkanal zeigt hauptsächlich internationalen Sport und überträgt die Spiele der spanischen Liga sowie der französischen Ligue 1. Der nationale Fußball wird auch aufgrund von mangelnden Erfolgen nicht sonderlich hoch gehängt.
Dass die Nationalmannschaft in der aktuellen WM-Qualifikation derart durchstartet, ist daher gar nicht hoch genug einzuschätzen. International haben die Nationalspieler kaum Erfahrung. Der bisher größte Erfolg der "Nashama", wie das Team im eigenen Land bezeichnet wird, ist das Erreichen des Viertelfinales bei den Asienmeisterschaften.
Einzig Trainer Hassan nahm 1990 mit Ägypten an einer Weltmeisterschaft teil - allerdings noch als Spieler. Als Coach sorgte er nun dafür, dass Jordanien auf dem Weg in die Playoffs die stark favorisierten Japaner und Australier jeweils mit 2:1 besiegte. Zu Hause ist Jordanien im laufenden Wettbewerb sogar noch ungeschlagen. Dieser unerwartete Erfolg hat nicht nur sportlich einen positiven Effekt.
Konflikte zwischen Jordaniern und Palästinensern
Seit Jahren schwelt im Land ein Konflikt zwischen den ethnischen Palästinensern und Beduinen. Zwar besitzen die rund 1,8 Millionen Nachfahren der Flüchtlinge aus Israel und Palästina alle Bürgerrechte, doch beschweren sich einige, dass sie keine höheren Positionen innerhalb der Gesellschaft besetzen würden. Die Jordanier werfen den Palästinenser dagegen vor, sich nicht genügend mit dem Land zu identifizieren.
Selbst die heimische Liga belastet dieser Streit: Das prestigeträchtige Derby zwischen Al Faisaly, dem Klub der "East Bankers", und Al Wihdat, der Verein der "reinrassigen" Jordanier, wird immer wieder von Unruhen überschattet. Zuletzt wurden 2010 während des Derbys Flaschen und Steine geworfen, 150 Menschen verletzten sich dabei.
Besonders in den achtziger Jahren waren die Fan-Lager dermaßen zerstritten, dass Al Wihdat Konsequenzen zog und sich in "Al Daftain" umbenannte, was so viel bedeutet wie "der Verein der zwei Bänke". Damit sollte ein Zeichen gesetzt werden, um eine Einigung zwischen Jordaniern und Palästinensern voranzubringen. Doch der Gedanke hielt nicht lange, bereits drei Jahre später wurde der alte Name wieder zurückgenommen.
Unterstützung durch den Prinzen
Dass es Jordanien unter diesen Umständen schaffte, sich in den letzten Jahren auf den 70. Platz der FIFA-Weltrangliste vorzukämpfen, ist ein Verdienst der sportlichen Führung - und von Prinz Ali bin al-Hussein. Er ist Präsident des jordanischen Fußballverbandes und wurde vor zwei Jahren zum Vizepräsidenten des FIFA-Exekutivkomitees gewählt.
Al-Hussein, ein enger Vertrauter Joseph Blatters, ist sowohl für die Mannschaft, als auch für Fans eine finanziell wichtige Stütze. Im Vorfeld an das Spiel richtete er in einem offenen Brief das Wort an die Anhänger: "An alle Brüder und Schwestern, die stolz auf unsere Mannschaft sind! Mit Beharrlichkeit und Stolz, Herz und Aufopferung haben wir es weit gebracht. In meinem Herzen wohnt der Glaube, dass wir uns mit der Unterstützung eines jeden Jordaniers diesen WM-Traum erfüllen können", forderte der Prinz die Fans auf, ihr Team bedingungslos zu feiern.
Wichtige Spieler fehlen
Für das Rückspiel in Uruguay will er einen Flieger bereit stellen, damit möglichst viele Fans ihr Team unterstützen können. Schwer genug wird aber schon das Hinspiel. In Amman fallen wichtige Spieler aus: So wird Stammtorhüter Amer Shafi aufgrund einer Gelbsperre fehlen, einige andere Spieler haben kleinere Blessuren.
"Wir spielen gegen Uruguay, einer der Top-10-Mannschaften der Welt. Wenn man sich unsere Position anschaut, ist es ein bisschen wie David gegen Goliath", erklärte der Präsident. Ihr Soll hat die Mannschaft eigentlich jetzt schon erfüllt.
Die WM-Quali-Playoffs im Überblick