Verzögerung beim Stadionbau in Curitiba, drohendes Chaos am Flughafen von Fortaleza und schwere Vorwürfe gegen die örtlichen Behörden wegen angeblicher Zwangsumsiedlungenn: WM-Gastgeber Brasilien sorgte 141 Tage vor dem Eröffnungsspiel für neue Negativschlagzeilen und löste damit offensichtlich auch beim Fußball-Weltverband FIFA Alarmstimmung aus.
"Wir können keine Spiele ohne Stadion organisieren. Die Situation hat einen kritischen Punkt erreicht", stellte FIFA-Generalsekretär Jerome Valcke bereits nach der zweiten Station seiner Inspektionsreise durch Brasilien im WM-Spielort Curitiba unmissverständlich fest und fügte hinzu: "Die Sache ist delikat. Um ehrlich zu sein, ist die aktuelle Situation nicht gerade ideal. Der Stadionbau ist stark in Verzug und definitiv außerhalb der vereinbarten Frist für die Nutzung durch die FIFA sowie im Rahmen der Weltmeisterschaft."
Der Franzose machte sich und dem brasilianischen WM-OK aber auch Mut: "Wir müssen positiv denken. Aus diesem Grund haben wir uns mit den wichtigsten Entscheidungsträgern getroffen, um Lösungen zu erarbeiten."
Wird der Austragungsort gestrichen?
Der FIFA-General drohte dennoch damit, die Hauptstadt des Bundesstaates Parana als WM-Austragungsort zu streichen. "Wir hoffen, dass unsere Gespräche mit der Landesregierung und dem Stadtrat von Curitiba die gewünschten Ergebnisse bringen, damit die Stadt nicht als WM-Spielort gestrichen wird", sagte Valcke nach der Stadionbesichtigung, bei der ihm offenbar die Augen geöffnet wurden. Jede Deadline, die die FIFA gesetzt habe, sei missachtet worden, klagte er.
Die Arena hätte zu 90 Prozent fertiggestellt sein müssen, ist aber ein gutes Stück weit davon entfernt. In vier Wochen war die Einweihung der nach der Renovierung 40.000 Zuschauer fassenden Arena da Baixada von Atlético Paranaense geplant. Ein Wunschtraum, wie Valcke erklärte, der den Verantwortlichen ein neues Ultimatum setzte.
"Spätestens am 18. Februar müssen die lokalen Organisatoren beweisen, dass das Stadion WM-fähig ist", sagte der 53-Jährige. Anschließend werde der Weltverband entscheiden, ob Curitiba, wo vier Vorrundenspiele geplant sind, auf dem WM-Spielplan bleibt. Die Chancen stehen derzeit aber eher schlecht, wie selbst der zuständige Staatssekretär Mario Celso Cunha zugab: "Es sieht so aus, dass die Arena da Baixada nicht rechtzeitig zur WM fertig wird."
Cunha versprach aber, dass die Regierung und die Stadt fortan nicht nur den Fortschritt am Bau überwachen, sondern auch Prioritäten festlegen werde: "Wir arbeiten direkt mit unseren Fachkräften zusammen. Wir schultern eine sehr große Verantwortung, weshalb wir die Arbeiten mit dem nötigen Ernst angehen, um die Verpflichtungen von Regierung, Stadt und Clube Atlético Paranaense einzuhalten."
Sechs der zwölf Stadien hinterm Zeitplan
Insgesamt liegen derzeit sechs der zwölf vorgesehenen WM-Stadien hinter dem Zeitplan zurück. Auf den Baustellen in Sao Paulo, Brasilia und Manaus gab es sogar Todesopfer zu beklagen. In Curitiba waren die Arbeiter im Dezember wegen ausstehender Gehälter in einen Streik getreten.
Aber nicht nur bei den Stadion-Arbeiten meldet Brasilien Verzug, auch bei der Modernisierung der Infrastruktur tauchen immer neue Probleme auf. Am Flughafen von Fortaleza drohen während der WM (12. Juni bis 13. Juli) chaotische Zustände.
Nach massiven Verzögerungen wird die Renovierung des Airports erst nach der WM abgeschlossen, für die Dauer des Turniers soll ein provisorisches Zelt errichtet werden. In Fortaleza finden sechs WM-Spiele statt, darunter auch das zweite Gruppenspiel der deutschen Nationalmannschaft gegen Ghana am 21. Juni.
"Soziale Säuberung"
"Die Arbeiten liegen weit hinter dem Zeitplan. Trotz zahlreicher Gespräche wurden die Termine nicht eingehalten", sagte der für Luftfahrt zuständige Minister Moreira Franco. Die Arbeiten an dem Flughafen hatten bereits im März 2013 begonnen, nach Informationen des News-Portals G1 war zum Jahreswechsel aber erst ein Viertel abgeschlossen.
Für Aufregung sorgt auch ein Bericht der WM- und olympiakritischen Organisation Nationale Artikulation, die sich als Sprachrohr der brasilianischen Protestbewegung sieht. Demnach würden mehr als 250.000 Menschen wegen Bauarbeiten vor der Fußball-WM und den Olympischen Sommerspielen 2016 von Zwangsumsiedlungen betroffen. "Es gibt eine soziale Säuberung", sagte Nelma Gusmao de Oliveira von der Universität UES. Ziel der Maßnahmen sei es, ärmere soziale Schichten aus dem Umfeld der neuen Sportarenen zu entfernen.
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