Die Vorfreude auf das brasilianische Abenteurer ist Jürgen Klinsmann dreieinhalb Monate vor Beginn der Fußball-WM anzusehen. Lässig und strahlend schlendert der US-Nationaltrainer in diesen Tagen durch das Frankfurter Airport-Hotel "Garden Inn".
Die Zuversicht beim 49-jährigen Klinsmann ist groß. Und das, obwohl die US-Boys im abschließenden WM-Gruppenspiel am 26. Juni in Recife auf das Team von Bundestrainer Joachim Löw treffen.
Die Freundschaft der beiden, die Gastgeber Deutschland beim Sommermärchen 2006 gemeinsam zum dritten Platz geführt hatten, hat darunter nicht gelitten. "Natürlich habe ich Jogis E-Mail-Account nach der Auslosung nicht gelöscht. Wir drücken uns gegenseitig die Daumen", sagte Klinsmann schmunzelnd. Deutschland sei natürlich Gruppenfavorit, "aber wir rechnen uns absolut realistische Chancen aus, in die K.o.-Runde einzuziehen".
Deutschland aus der Fan-Perspektive
Aus seiner alten Verbundenheit zum DFB-Team macht der gebürtige Schwabe keinen Hehl. "Ich fiebere schon mit und sehe alles aus der Fan-Perspektive", berichtete Klinsmann, der eine WM "der Strapazen und des Willens" erwartet.
Allerdings ist für den Wahl-Kalifornier der WM-Gastgeber noch vor Deutschland der erste Anwärter auf den Titel. "Brasilien ist der Favorit Nummer eins. Sie haben den Willen, zu sagen, wir ziehen das durch. Und sie haben die individuellen Spieler, die Spiele entscheiden können", sagte Klinsmann am Sonntag in Frankfurt, wo sich die US-amerikanische Nationalmannschaft auf das Länderspiel am Mittwoch gegen die Ukraine auf Zypern vorbereitet.
Heimvorteil als Vorsprung
Der Heimvorteil der Seleção könne "der kleine Vorsprung" sein. "Sie sind die Umstände gewohnt und werden gut mit den kleinen Problemchen umgehen, die dort auftreten könnten", sagte der ehemalige Bundestrainer Klinsmann, der am 30. Juli seinen 50. Geburtstag feiert.
Trotzdem traut der Weltmeister von 1990 auch der Löw-Elf den Coup am Zuckerhut zu. "Die Basis der Mannschaft ist so, dass sie um den Titel mitspielen kann", sagte Klinsmann. Die Blessuren von wichtigen Spielern wie Sami Khedira (Kreuzbandriss) betrachtet er jedoch mit Sorge: "Mit jeder Verletzung kommen Zweifel mit dazu. Das tut schon weh, ich fühle mit. Ich wünsche Jogi Löw, dass er bei der WM personell aus dem Vollen schöpfen kann."
USA in die Top-Ten bringen
Klinsmann indes, der seit 2011 Trainer des letztjährigen Gold-Cup-Gewinners ist und seinen Vertrag jüngst bis 2018 verlängerte, will die US-Boys mittelfristig in die Weltspitze führen. "Unser Ziel ist es, irgendwann einmal in einem WM-Halbfinale zu stehen und dann zu sagen: 'Jetzt greifen wir euch an'", sagte der frühere Weltklasse-Stürmer. Sein Traum sei es, das US-Team in die Top Ten zu bringen. Bei der zurückliegenden WM in Südafrika waren die Amerikaner im Achtelfinale ausgeschieden.
Im Kader für den Test gegen die Ukraine stehen die vier Deutschland-Legionäre John Anthony Brooks (Hertha BSC), Fabian Johnson (1899 Hoffenheim), Alfredo Morales (FC Ingolstadt) und Julian Green (Bayern München).
Großes Lob für Ex-Klub
Dass er bei der WM 2014 nichts dem Zufall überlassen will, hatte Klinsmann mit der Ansetzung eines zweiwöchigen Trainingslagers in Sao Paulo im Januar bewiesen. Das US-Team konnte so bereits sein Hotel und die Trainingsanlage kennenlernen. "Jetzt haben wir das Gefühl, zu wissen, was auf uns zukommt", sagte der Ex-Torjäger.
Ein Lob sprach Klinsmann ("Der Titel ist im Prinzip vergeben") seinem Ex-Klub Bayern München aus. Der Tabellenführer hat nach 23 Spieltagen 20 Punkte Vorsprung auf Verfolger Borussia Dortmund. "Das ist bemerkenswert. Es ist schon sehr dominant, was die Bayern abliefern. Es spricht für ihre Klasse und Trainer Pep Guardiola", meinte der ehemalige Nationalspieler. Abschenken würde er selbst Spiele gegen die Münchner im Vorhinein aber nicht: "Nein, auf keinen Fall", betonte er - und zeigte sein berühmtes "Klinsi"-Lächeln.
Jürgen Klinsmann im Steckbrief