Die Kappe sitzt verkehrt herum, die rot-braune-Sonnenbrille reflektiert das Sonnenlicht, das Shirt ist ausgewaschen. In die wackelnde Handykamera hinein präsentiert der 1,68 Meter kleine Mann mit Wohlstandsbauch seinen großen Fang.
"Das ist nicht der Vela (Spanisch für "Schwertfisch", Anm. d. Red.), den ich wollte, aber ich habe ihn mal an Board geholt. Allerdings war es nicht in Spanien, sondern in Acapulco", so der Kommentar dazu. Dann legt er den 1,40 Meter großen, frisch aufgegabelten Schwertfisch mit triumphierendem Blick wieder hin.
Es könnte nur ein reines Poser-Video eines stolzen Anglers sein, das da auf Facebook hochgeladen wurde. Doch der Account trägt den Namen Miguel Herrera und gehört zu Mexikos Nationaltrainer. Und das Video diente nicht zur Selbstdarstellung des Hobbyfischers Herrera, sondern es war die Message des Trainers Herrera an den abtrünnigen Carlos Vela: Wir können auch ohne dich!
Kein Platz für Störfaktoren
Vela war 2010 aufgrund exzessiver Saufgelage nach einem Länderspiel für ein halbes Jahr suspendiert worden, fortan blieb sein Verhältnis zum Verband angespannt. Für die Playoff-Spiele gegen Neuseeland ließ ihn Trainer Herrera außen vor. "Ich brauche Spieler, die komplett darauf fokussiert sind, unsere WM-Teilnahme zu sichern", begründete er seine Entscheidung.
Im Februar reiste der Coach extra nach Europa, um nochmals das Gespräch mit Vela zu suchen. Doch Vela, der am Ende der Saison sagenhafte 35 Scorerpunkte auf dem Konto haben sollte, erklärte, er sei "mental und emotional nicht bereit" für die WM.
Für Herrera ein K.o.-Kriterium: "Für mich ist die Sache klar: Ich werde mich an die Menschen halten, die sich zu 100 Prozent mit der Nationalmannschaft identifizieren", erklärte er.
Vision vom Maracana
Schließlich hat der 46-Jährige, der Mexiko als vierter Trainer innerhalb eines Jahres während der Qualifikation übernahm und seine Mission am Ende erfüllte, große Ziele. "Wir müssen von Beginn an die Vision haben, dass wir ins Finale kommen können. Die Geschichte des Fußballs stützt meine Worte zwar nicht, aber wir haben ein tolles Team und großartige Infrastruktur in Mexiko. Es fehlt nur die Mentalität, um uns selbst solche Ziele zu setzen."
Herrera wiederum lebt die Mentalität, die er einfordert, konsequent vor. Bescheidenheit, unbedingter Wille, Teamgeist, Vision. Kein WM-Trainer verdient weniger (155.000 Euro pro Jahr), keiner agiert so hyperemotional an der Seitenlinie. Störfaktoren wie Vela haben keinen Platz in einem Team, mit dem er "Weltmeister werden" will.
Doch über allen Prinzipien steht für Herrera Geradlinigkeit. Heuchelei ist für ihn ein Schwerverbrechen. In erster Linie, weil er ihr selbst einst zum Opfer fiel.
Geprägt von der "größten Enttäuschung"
1994, als der Spieler Herrera von der WM träumte, erhielt er die mündliche Zusage von Trainer Miguel Mejia Baron. Doch am Ende stand er nicht auf der 23 Mann starken, finalen Kaderliste für die WM. Barons Wort war wertlos.
"Das war die größte Enttäuschung, das, was mir am meisten weh getan hat", erinnert sich Herrera. "Im Fußball gibt es viel Heuchelei und du musst lernen, nicht so zu sein wie diese Menschen. Wenn du etwas zu sagen hast, dann reiß dich zusammen und hab wenigstens die Eier, Leuten ins Gesicht zu sagen, dass du deine Meinung geändert hast."
Er selbst ändert seine Meinung selten. Seine Aufstellung veröffentlicht er regelmäßig am Tag vor Spielbeginn - auf seinem eigenen Twitter-Account. Sein Lineup gegen Kamerun ist seit Donnerstagabend bekannt.
"Ich will sehen, dass die Jungs sich umbringen"
Darunter ist auch Torhüter Guillermo Ochoa, dem manch mexikanischer Fan skeptisch gegenüber steht. Ochoa hat soeben seine letzte Saison beim AC Ajaccio hinter sich gebracht, das sang- und klanglos mit 23 Punkten aus der Ligue 1 abstieg. Mit 72 Gegentoren.
Doch die Gegentore waren für Herrera kein entscheidender Faktor. Er fragte einfach seine Abwehrspieler in Einzelgesprächen, mit welchem Schlussmann hinter sich sie sich am sichersten fühlten. Die Wahl fiel auf Ochoa.
Es ist weder ein gewöhnliches noch unumstrittenes Prozedere, das Herrera sich zu Nutzen machte. Doch dass er damit womöglich anecken könnte, selbst bei den eigenen Fans, juckt ihn nicht. "Ich bin kein Konformist", stellt er klar.
Das einzige, was für ihn zählt, ist das Ziel - so utopisch es auch klingen mag. "Ich will Weltmeister werden", gibt er vor. "Aber du musst überzeugt sein, dass du so ein großes Ziel erreichen kannst, um es zu erreichen. Ich will sehen, dass die Jungs sich umbringen. Sie haben Geschichte zu schreiben."
Miguel Herrera im Steckbrief