Frage: Paulo, so kurz vor der WM: Wie groß ist die Vorfreude bei Ihnen?
Paulo Sergio: Die ist unglaublich groß. Das ganze Land wartet seit Jahren auf den Anstoß und man hat in den letzten Wochen gemerkt, dass alle auf das Ereignis hinfiebern. Ich war zuletzt sehr viel unterwegs und bin beeindruckt, wie sehr der Fußball die Welt vereinen kann.
Frage: Bei aller Vorfreude müssen wir natürlich auch über Demonstrationen und Sicherheitsaspekte sprechen. Ronaldo forderte kürzlich ein rigoroses Durchgreifen gegenüber Demonstranten.
Sergio: Zuerst einmal kann ich die vielen Menschen in Armut verstehen, die sehr verzweifelt sind. Sie sehen, dass für die WM viel Geld ausgegeben wurde und wissen natürlich, dass ihre Proteste jetzt viel stärker wahrgenommen werden. Ich glaube fest daran, dass die WM für die Zukunft sehr viel Gutes bringen wird. Das Wichtigste ist: Es soll keine Gewalt geben.
Frage: Als Gastgeber und Rekord-Weltmeister stehen Ihre Landsmänner natürlich besonders unter Druck. Halten sie dem stand?
Sergio: Natürlich sind die Erwartungen enorm. Brasilien muss immer gewinnen, erst Recht zuhause. Unsere Spieler sind alle bei Topmannschaften unter Vertrag und können daher mit dem Druck umgehen. Trotzdem muss einfach sehr viel passen, um wirklich den Titel zu holen. Die Konkurrenz ist riesig.Frage: Sie sind bereits Weltmeister. Vor der WM 1994 war die Stimmung in Ihrem Land allerdings nicht gerade euphorisch.
Sergio: Das stimmt. Ich erinnere mich noch sehr gut an die Wochen vor dem Beginn. Wir hatten große Diskussionen um den Kader und dann kam Pele mit einem Interview. Er meinte, wir hätten keine Chance auf den Titel. Das hat uns viel Motivation gebracht. Wir sind als Team sehr eng zusammengerückt und plötzlich war die Stimmung super. Auf der Busfahrt zu den Spielen haben wir getrommelt, gesungen und getanzt. Dann sind wir auf den Rasen und haben zusammen gewonnen.
Frage: Auch von der deutschen Mannschaft hört man in den letzten Tagen viel vom guten Teamgeist. Wie schätzen Sie das DFB-Team ein?
Sergio: Sehr hoch. Die Breite im deutschen Team ist unglaublich. Dazu haben sie in der Offensive mit Götze, Müller und Özil sehr viel Talent und Torgefahr. Neben Spanien sehe ich Deutschland als gefährlichsten Gegner für Brasilien.
Frage: Sie klingen richtig euphorisch, wenn Sie über die WM sprechen. Traurig, dass Sie Ihre Karriere schon beendet haben?
Sergio: Ein bisschen. Für einen Brasilianer wäre das natürlich das Größte. Ich würde gerne noch im Team spielen. Am liebsten als Linksaußen, dann würde ich Neymar vorne mit Flanken und Vorlagen füttern (lacht). Aber im Ernst: Ich bin unglaublich dankbar, dass ich so eine schöne Karriere erleben durfte und durchweg gesund geblieben bin.
Frage: Neben der WM 1994 dürften auch der Champions-League-Sieg und die legendäre Meisterschaft im Fernduell mit Leverkusen unvergessen bleiben.
Sergio: Natürlich. Beide Spiele werde ich nie vergessen. Bei der Meisterschaft habe ich ein tolles Hackentor erzielt und dann kamen die Meldungen aus Unterhaching. Wir waren gerade in Ballbesitz, als das 2:0 vermeldet worden ist, da haben alle einfach laut gejubelt. Gegen Valencia habe ich dann den ersten Elfmeter verschossen, ich war am Boden zerstört und hätte Oliver Kahn später fast erdrückt vor Freude darüber, dass er mich gerettet hat.
Frage: Heute verläuft Ihr Leben etwas ruhiger. Sie sind Sie verstärkt als Botschafter und Spendensammler für verschiedene Charity-Aktionen tätig.
Sergio: Ein bisschen ruhiger... Gerade für "Stars 4 Kids" sind wir sehr viel unterwegs und bekommen viele positive Reaktionen. Für mich ist es besonders toll, dass mich hier in Deutschland nach so langer Zeit immer noch so viele Menschen erkennen und sich über ein Foto oder Autogramm freuen.
Frage: Liegt vielleicht auch daran, dass Sie als Duo mit Giovane Elber quasi die Alleinunterhalter der Bayern-Fans waren?
Sergio: Das ist möglich. Giovane und ich hatten immer viel Spaß und mit ihm im Angriff war es viel leichter. Die Gegner haben schließlich selten etwas verstanden, wenn wir uns etwas zugerufen haben (lacht). Zusammen mit den tollen Menschen in Rom war München meine schönste Zeit. Zum Glück spreche ich beide Sprachen noch immer recht gut, sodass ich die Klubs oft besuchen kann.
Frage: Zum Schluss die ultimative Entscheidungsfrage: Wären Sie lieber Trainer beim FC Bayern oder der brasilianischen Nationalmannschaft?
Sergio: Ohje, das ist sehr schwierig. Bayern ist einer der besten und größten Klubs der Welt mit einem unglaublich guten Kader. Aber ich bin Brasilianer, also muss ich meiner Heimat helfen. Aber im Ernst: Zurzeit ist mein Leben sehr gut und ich habe viel zu tun. Aber man darf ja nie etwas ausschließen!
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