Ganz Kolumbien kannte vor der Weltmeisterschaft nur eine Frage: "Wird Radamel Falcao rechtzeitig fit?" Der Starstürmer und Hoffnungsträger plagte sich noch immer mit leichtem Training herum, der Kreuzbandriss erwies sich letztlich als zu schwer. Dabei ist die Verehrung im eigenen Land so groß, dass der Stürmer vom AS Monaco sogar ein eigenes Videospiel hat: "Falcao vs. Aliens."
In Brasilien, in der bitteren Realität, müssen die "Cafeteros" nun auf ihren Anführer und Torgaranten verzichten. Man hoffte vergebens auf eine Wunderheilung des 60-Millionen-Mannes. Ein noch weithin unbekanntes Milchgesicht trägt nun die Hoffnungen der Nation auf seinen schmalen Schultern.
"Schmerzvoll und traurig", nannte Trainer Jose Pekerman den Ausfall seines Stars. Mit dem Aus für Falcao, der die Südamerikaner mit neun Treffern in der Quali fast im Alleingang nach Brasilien schoss, wurden für Pekerman die schlimmsten Befürchtungen wahr - als müsste Bundestrainer Joachim Löw neben Marco Reus noch auf Mesut Özil und Philipp Lahm verzichten.
Doch der Argentinier, der in Adrian Ramos (wechselt nach der WM von Hertha BSC zu Borussia Dortmund) nur einen Bundesligaprofi nominierte, glaubt nach dem ersten Schock weiter an sein Team. Das Viertelfinale soll es für die Kolumbianer bei der ersten WM-Teilnahme seit 1998 schon mindestens sein.
"Härteste Zeit meiner Karriere"
"Wir glauben an unsere Mannschaft", sagte Pekermann vor dem Auftakt in Gruppe C gegen Griechenland: "Wir haben hohe Ambitionen und sind bereit, etwas Großes zu erreichen." Und Falcao meinte: "Das ist die härteste Zeit meiner Karriere. Aber ich werde versuchen, die Mannschaft mit meiner Kraft so gut es geht zu unterstützen. Wir haben trotzdem tolle Stürmer."
Nach dem Ausfall des Heilsbringers Falcao hoffen Fans und Experten rund um den Geheimfavoriten nun auf den endgültigen Durchbruch von James Rodriguez. Das 22 Jahre alte Bürschchen vom Falcao-Klub Monaco wird in seiner Heimat schon als Nachfolger des legendären Carlos Valderrama gehandelt. Da der Ex-Spielmacher mit der Löwenmähne den Spitznamen "El Pibe" (Das Kind) trägt, ist der Flügelstürmer in Kolumbien mittlerweile nur noch als "El Pibe Nueva" (Das neue Kind) bekannt. Dabei ist Rodriguez nicht nur trickreich und passsicher, sondern im Gegensatz zu Valderrama auch nicht gerade lauffaul.
"Er war mein Held"
"Schon als Junge habe ich Carlos verehrt und wollte immer so sein wie er. Er war mein Held, und ich bin sehr stolz, seine Rückennummer 10 zu tragen", sagt Rodriguez, der mit Daniela Ospina, der Schwester des kolumbianischen Torhüters David Ospina verheiratet ist. Die Volleyball-Nationalspielerin schenkte Rodriguez, der im vergangenen Sommer vom FC Porto für 45 Millionen Euro ins Fürstentum gewechselt war, Töchterchen Salome. Sie ist sein ganzer Stolz.
Mit neun Treffern und 13 Vorlagen führte Rodriguez Monaco auf Platz zwei in der französischen Ligue 1. Mit seinen Ideen und Tempodribblings soll, nein muss der auch oft "James Bond" genannte Jüngling sein Team gegen die biederen Griechen um Innenverteidiger Sokratis (Dortmund) zum Sieg führen. Drei Punkte sind zum Auftakt vor den Partien gegen die Elfenbeinküste und Japan fest eingeplant.
"James ist der Spieler, der Kolumbien viele Jahre gefehlt hat", sagt Valderrama: "Er ist talentiert, spielt konstant, und er bringt große Leidenschaft mit. Er hat das Potenzial, um der beste kolumbianische Fußballer aller Zeiten und vielleicht einer der besten der Welt zu werden." Spätestens dann würde Rodriguez auch sein eigenes Videospiel bekommen.