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WM-Euphorie im Kontrast

SID
Die Fans auf den Fanmeilen hatten Grund zum Jubeln
© getty

Am Tag der WM-Eröffnung sorgten fröhliche Fußball-Partys in der Arena São Paulo und auf Fan-Festen sowie Krawalle bei landesweiten Protesten für einen radikalen Stimmungskontrast.

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Eine grüngelbe Invasion auf Straßen und Plätzen, aber auch mindestens 17 Verletzte und mehr als 70 Verhaftungen bei landesweiten Krawallen: Das 3:1 der heimischen Seleção zum WM-Auftakt gegen Kroatien ließ das Stimmungsbarometer im Gastgeberland Brasilien nur kurz in die Höhe schießen. Die landesweite Bilanz der Proteste zeugt auch von einem gewalttätigen Auftakt der Fußball-Weltmeisterschaft.

Ob in São Paulo, Rio de Janeiro oder im deutschen WM-Vorrundenspielort Fortaleza - die kompromisslos agierende Polizeimacht stand sprichwörtlich zwischen den Fronten, trennte mit Schildspalier die ausgelassen feiernden Fußballfans von den Gegner der Turnier-Gigantomanie.

Unruhiger erster Tag

Jeder Ansatz von Störung wurde wie in São Paulo mit Knüppeln im Keim erstickt. In der Gastgeberstadt des WM-Auftakts startete der "Große Akt gegen die WM" offiziell am Donnerstagmorgen um 10.00 Uhr, aber bereits zwölf Minuten später zerstob die Militärpolizei mit Tränengas, Pfefferspray und harten Bandagen rund 200 meist jugendliche Demonstranten, um die Radial Leste, wichtigste Zufahrtstraße zur WM-Arena, freizuhalten.

"Die brasilianischen Autoritäten versprachen ein Fest bei der WM-Eröffnung, während die Polizisten auf brutale Weise friedliche Demonstranten in Sao Paulo niederhalten", klagt der brasilianische Ableger der Menschenrechts-Organisation Amnesty International in einer Pressemitteilung. Die Bilder des Journalisten-Heeres vor Ort zeugen aber auch von der Zerstörungswut der Protestler.

Auch wenn die Teilnahme an den Kundgebungen zahlenmäßig weit hinter den Massenprotesten des vergangenen Jahres während der WM-Generalprobe Confed Cup zurückblieben, erlebte auch Finalort Rio de Janeiro einen unruhigen ersten WM-Tag. Rund 1000 Menschen, Sympathisanten streikender Lehrer, zogen durch das Zentrum und lieferten sich schon mittags am Touristentreffpunkt Lapa wilde Handgemenge mit den Ordnungskräften.

Fanfest und Demonstrationen nebeneinander

Bizarre Szenen dann am Abend beim FIFA Fan Fest an der Copacabana: Während Neymar und Co. auf riesiger Leinwand rund 20.000 in Grün und Gelb gekleidete Partyfreudige im abgeschirmten Strandbereich zwischen bangem Schweigen nach dem Eigentor und frenetischem Jubel bei jedem eigenen Treffer pendeln ließen, hielt ein Polizeispalier rund 400 Personen vom "Sandsturm" ab.

Die "Batalhão de Choque", eine für zivile Unruhen ausgebildete Kampftruppe, zeigte ihr martialisches Gesicht bewusst demonstrativ und hatte dies auch nötig. Bei Protesten in Porto Alegre, Belo Horizonte und Brasília hinterließen vermummte Black Blocs in den Straßen eine Spur der Verwüstung. In Fortaleza, wo die deutsche Elf am 20. Juni auf Ghana trifft, entzündeten rund 60 Krawallmacher Müllcontainer vor dem Fan Fest-Gelände und warfen mit Steinen und hausgemachten Bomben um sich.

Und so entstand ein seltsames Klima, die Feierfreude nach Brasiliens Sieg hielt sich (noch) in Grenzen. Beim Krachen der Feuerwerkskörper, stets hörbares Signal des Triumphes, dachte gar mancher, von den Gewaltszenen auf den Straßen verängstigt, an Schüssen.

Quoten im Keller

Auch die Daheimgebliebenen waren nicht in WM-Laune. Mediengigant Globo verzeichnete als Rechteinhaber für das Free-TV einen Fehlstart, kam gerade einmal auf 35,1 Prozent Einschaltquote gegenüber 45 Prozent beim WM-Auftakt vor vier Jahren in Südafrika. Nur rund 60 Prozent der für die Statistik ausgewählten Fernseher waren in São Paulo eingeschaltet.

In die Untersuchung fließen dagegen aus technischen Gründen nicht die Pay-TV-Zahlen ein. Die WM wird in Brasilien gleich von drei Bezahlsendern auf mehreren Kanälen mit einem 24-Stunden-Programm in die Haushalte gebracht. Und dieses Trio setzt sicher voll auf WM-Euphorie.

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