Mittlerweile ist Ochoa eine Kultfigur - in Mexiko und anderen Ländern. Die Band "Los Tres Tristes Tigres" widmete ihm nach dem 0:0 gegen Brasilien, als Ochoa mehrfach sensationell rettete, einen ganzen Song. Dort werden neben seinen Qualitäten als Torhüter auch dessen Haarpracht besungen.
Im Internet wurde der sympathische Mexikaner prompt zum Motiv zahlreicher Memes. Ein User erweiterte seinen Wikipedia-Eintrag um den Zusatz: "Mexikanischer Jesus".
Bereits zuvor war Ochoa im World Wide Web ein Thema. Seit Jahren kursieren absurde und nachweisbar falsche Gerüchte, wonach der Torhüter an seiner rechten Hand sechs Finger habe und deshalb mit einem Spezialhandschuh spiele. Daran sei sogar ein einst möglicher Wechsel in die Premier League gescheitert.
Tragisches Doping-Unglück
Die Wahrheit ist aber, dass die Karriere des heute 28-Jährigen vielmehr durch ein tragisches Missverständnis, als einen vermeintlich zusätzlichen Finger, einen Rückschlag erlitt. Genau wie vier andere mexikanische Nationalspieler wurde er 2011 während des Gold Cups positiv auf die leistungssteigernde Substanz Clenbuterol getestet. Es folgte die Suspendierung.
Erst nach und nach stellte sich heraus, dass die Profis unwissentlich kontaminiertes Fleisch gegessen hatten - Clenbuterol wird illegal auch in der Kälbermast eingesetzt. Die Weltdopingagentur "Wada" stellte das Verfahren schließlich wieder ein, doch Ochoas Ruf war längst stark ramponiert.
"Die ersten Ergebnisse wurden im Mai 2011 bekanntgegeben, direkt bevor die Transferperiode startete", erinnerte sich der Torhüter, der damals unter anderem bei Paris St.-Germain im Gespräch war: "Es stand eine Sperre von ein bis zwei Jahren im Raum und es dauerte Monate, bis unsere Namen wieder sauber waren. Doch bis dahin waren alle Verhandlungen abgebrochen und die Kontakte verschwunden."
Auch heute zeigt Ochoa allerdings noch Verständnis für die Reaktion der Vereine. Schließlich wusste niemand, wie die Untersuchungen ausgehen würden. Nur ein Verein brach die Gespräche nicht ab: "Das einzige Team, das mit mir in Kontakt blieb, war Ajaccio." Im Juli 2011 unterschrieb er schließlich auf Korsika.
Schwerer Stand bei El Tri
Es war nicht das erste Mal, dass der nur 1,83 Meter große Keeper die Öffentlichkeit von sich überzeugen musste. Nachdem er 2004 als 17-Jähriger bei America, dem größten Klub Mexikos, nach der Verletzung von Stammtorhüter Adolfo Rios ins kalte Wasser geworfen worden war, musste er sich stets harsche Kritik gefallen lassen.
Schließlich dauerte es bis 2007, ehe er die Herzen seiner Landsleute eroberte. Mit überragenden Leistungen verhalf er Mexiko zum dritten Platz bei der Copa America. Plötzlich war er ein Superstar und schmückte die Cover der Videospiele FIFA 08 und 09. Trotz seines Status als Fan-Liebling hatte er allerdings in der Nationalmannschaft weiter einen schweren Stand.
So durfte er 2010, genau wie 2006, mit zur WM, spielte hinter Oscar Perez aber erneut keine Minute. Dabei galt er für das Turnier in Südafrika ursprünglich als Nummer eins, kurz vor WM-Beginn verkündete der damalige Trainer Javier Aguirre aber, dass er auf den 37-jährigen Perez baue - ein herber Schlag für den ambitionierten Schlussmann.
Vorbild Peter Schmeichel
Doch auch durch das wenig später folgende Doping-Unglück ließ sich Ochoa nicht von seinem Wunsch, America nach acht Jahren zu verlassen und nach Europa zu gehen, abbringen - und erntete dafür erneut Kritik. Die Fans in Mexiko konnten nicht verstehen, warum er einen vergleichsweise kleinen Klub wie den AC Ajaccio anstatt Mexikos größten Verein wählte.
Allerdings hatte Ochoa stets betont, dass er nach Europa wechseln will, um sich zu verbessern - und um seinem großen Vorbild Peter Schmeichel nachzueifern.
"Er war unglaublich. Er konnte jede Chance vereiteln. Er war immer jemand, dem ich nachgeeifert habe. Das Witzige ist, dass ich ein komplett anderer Torhüter geworden bin, als er es war."
Brasilien als Sprungbrett?
In Frankreich konnte er sich tatsächlich weiterentwickeln, unbehelligt vom Druck in Mexiko und nach dem Doping-Vorfall unter dem Radar der Öffentlichkeit. Der 28-Jährige, der in der Heimat als Frauenheld gilt und bereits mit mehreren Models liiert war, hat sich durch konstant gute Leistungen wieder in den Fokus und in die Herzen seiner Landsleute gespielt - mit dem bisherigen Highlight in der Partie gegen Brasilien.
"Ich kann mich nicht erinnern, jemals an einer WM eine Torhüterleistung, wie sie Memo gelang, gesehen zu haben", strahlte Nationaltrainer Miguel Herrera anschließend. "Ihm gelangen unmögliche Paraden, er verlieh der Mannschaft Sicherheit. Wenn er so spielt, wissen wir, dass wir jedes Spiel gewinnen können."
Für Ochoa geht es allerdings einmal mehr um die eigene Zukunft. Sein Vertrag in Ajaccio läuft Ende Monat aus. Da der Klub als abgeschlagener Letzter in die zweite Liga abstieg, verlängerte Ochoa nicht.
Nach der WM kann er deshalb ablösefrei wechseln. Jetzt gilt es, die Werbetrommel in eigener Sache weiter zu rühren. Der FC Barcelona soll bereits Interesse haben, Ochoas Berater bestätigte Gespräche mit den Katalanen.
"Ich bin froh, dass ich endlich bei einer WM spielen kann", blendet Ochoa alle Gerüchte aus, "und ich bin davon überzeugt, dass unsere Mannschaft viel Qualität hat." Am Tag des WM-Finals hat der in der Nationalmannschaft mehrfach vom Pech verfolgte Schlussmann Geburtstag.
Nicht auszudenken, welche Verrücktheiten das Internet ausspucken würde, sollte Memo dann noch seine Finger im Spiel haben.