Die Fans lagen Heilsbringer Neymar zu Füßen, sein Trainer aber ging noch einen Schritt weiter. "Wir hatten Pele, wir hatten Ronaldo, wir hatten Romario, Rivaldo und Ronaldinho", sagte Luiz-Felipe Scolari, "aber einen wie Neymar hatten wir noch nie." Und so hat Brasilien nun endgültig einen neuen Volkshelden: Neymar da Silva Santos Júnior, dieser schmächtige Stürmer mit der bunten Hahnenkamm-Frisur, der schon seit Jahren als das größte Versprechen des Futebol seit Pelé gilt.
Als Neymar beim 3:1 (1:1) im Eröffnungsspiel gegen Kroatien kurz vor Schluss unter dem tosenden Applaus der Fans den Platz verließ, hatten die Brasilianer denn auch alle Sorgen und Unwägbarkeiten dieses ersten WM-Tages vergessen. Die Ausschreitungen am Morgen, die ihre WM und ihr Land in einem schlechten Licht erscheinen ließen. Das unglückliche Eigentor zum 0:1 (11.), mit dem Marcelo 200 Millionen Brasilianer in Schockzustand versetzt hatte. Und auch die Verschwörungstheorien der wütenden Kroaten.
"Nicht einmal Pele und Ronaldo"
Es schien, als sei die Hexa, der sechste WM-Titel, mit einem Mal schon beschlossene Sache. Sie hatten ja Neymar, nun würde alles gut werden. "So eine WM-Premiere hatten noch nicht einmal Pele und Ronaldo", jubelte die Zeitung "O Globo". Denn an jenem Abend in Sao Paulo, rund 40 Kilometer von seinem Heimatort Mogi das Cruzes entfernt, hatte Neymar fast im Alleingang die Party gerettet. Mit einer Einzelaktion erzielte er in seinem schon 50. Länderspiel den Ausgleich (29.), übernahm dann beim unberechtigten Foulelfmeter Verantwortung und verwandelte ihn mit Glück (71.).
"Ich bin glücklicher, als ich mir je erträumt hätte sein zu können", sagte der Offensivstar des FC Barcelona, als er in Kniestrümpfen und mit falsch herum aufgesetzter Baseball-Mütze seiner eigenen Kollektion - doch irgendwie schüchtern - die Auszeichnung als "Man of the match" entgegen nahm: "Ich habe von einem Sieg geträumt. Aber diese WM mit zwei Toren zu beginnen, macht mich sehr, sehr glücklich."
Extralob für die Fans
Man merkte, dass eine Riesenlast von dem 22-Jährigen abfiel. Auf ihn hatten die Brasilianer schon im Vorfeld alle Hoffnungen gesetzt. Er trug das legendäre Trikot mit der Nummer 10, dessen Last Ronaldinho und Kaka so zu erdrücken schien, dass sie bei den beiden letzten Weltmeisterschaften darin ohne Tor blieben.
"Neymar braucht keine Leute, die ihm in den Kopf setzen, dass er der Beste der Welt sein muss", meinte dann auch Scolari, der sich am Tag zuvor selbst auch als Vater und Onkel seiner Spieler bezeichnet hatte: "Was er braucht, ist nur Freude am Spiel und das Gefühl, dass wir ihm alle helfen. Der Beste der Welt zu sein, ist dann irgendwann die logische Konsequenz."
Er selbst könne es aber nicht alleine richten, betonte Neymar, den nun noch größeren Druck wohl ahnend. Der Trainer lobte auch Oscar, jenen Offensivstar vom FC Chelsea, "den jeder Vater zum Sohn haben möchte" und der mit Krämpfen in den Beinen den Treffer zum Endstand erzielte (90.+1). Und Scolari lobte auch Hulk, der angeschlagen war, aber auf die Zähne gebissen hatte: "Er ist ein Löwe."
Vor allem aber lobte der Trainer die Fans: "Sie waren fantastisch, wundervoll, besser als alles, was ich je gesehen habe. Sie haben uns nach dem Rückstand getragen, sie haben dieses Spiel gewonnen." Der Funke in Brasilien ist übergesprungen, das Feuer ist entfacht, schon nach dem ersten Spiel. Dank Neymar.