WM

Van Gaal auf Konfrontationskurs

SID
Louis van Gaal wehrt sich gegen die Kritik an seiner Taktik
© getty

Eigentlich sollte bei den Niederlanden nach drei Vorrunden-Siegen alles bestens sein. Doch Trainer Louis van Gaal muss sich gegen Kritik an seiner Taktik wehren - und tut dies wie immer mit offenem Visier.

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Die Taktik war aufgegangen, der Horror-Gegner Brasilien vermieden, doch Louis van Gaal ging einmal mehr auf Konfrontationskurs. Die Kritik des chilenischen Trainers Jorge Sampaoli und der niederländischen Medien verdarb dem Bondscoach sichtlich die Freude über das Ende einer perfekten WM-Vorrunde.

Als er nach dem 2:0 (0:0) gegen Chile zu seiner für niederländische Verhältnisse defensiven 5-3-2-Taktik befragt wurde, platzte dem ehemaligen Coach von Bayern München der Kragen. "Geben Sie mir bitte eine Definition von offensivem Fußball", antwortete er, wieder ganz in seinem Element als Oberlehrer: "Wenn sie so clevere Fragen stellen können, können sie ja vielleicht auch clevere Antworten geben." Und die Aussage des Kollegen, sein Team habe nur verteidigt, "interessiert mich sowieso nicht".

Auch Spielmacher Wesley Sneijder fand die Vorwürfe Sampaolis "respektlos. Aber wir nehmen es mal als Kompliment. Wir haben kompakt gespielt, und sie haben kein Mittel gefunden". Dirk Kuyt, als Offensivspieler zum ersten Mal in seinem Leben als linker Außenverteidiger eingesetzt und damit Sinnbild für van Gaals Marschroute, schimpfte: "Die können alle reden, was sie wollen. Wir haben zehn Tore in drei Spielen geschossen, das schafft keine defensive Mannschaft. Das ist unser System, und wir sind glücklich damit."

Hoffnung auf Finale

Den aggressiven Chilenen, die zuvor Welt- und Europameister Spanien beim 2:0 aus dem Turnier geschossen haben, hatten sie mit van Gaals Taktik den Zahn gezogen. Diese Erkenntnis und der im Gegensatz zu Topfavorit Brasilien vermeintlich leichtere Achtelfinal-Gegner Mexiko macht den Niederländern Mut auf einen Finaleinzug wie vor vier Jahren. Mit dem Selbstvertrauen der drei Siege hätte man sich aber "auch nicht vor Brasilien" gefürchtet, erklärte Sneijder.

Und Ersatz-Kapitän Arjen Robben, der nach seiner Vorlage zum 2:0 von Memphis Depay (90.+2) in Radlerhose, Badeschlappen und mit blutigen Knien die Ehrung als "Man of the Match" entgegennahm forderte: "Das darf noch nicht das Ende sein. Wir wollen so weit wie möglich kommen. Dafür müssen wir weiter einer für den anderen kämpfen."

Entscheidend sei auch der "goldene Willi" van Gaals - der niederländische Ausdruck für das "goldene Händchen". Der 62-Jährige, der auch den ersten Torschützen Leroy Fer (77.) eingewechselt hatte, wisse "einfach, was er tut", sagte Robben, einst schon bei Bayern München Weggefährte van Gaals: "Wenn wir etwas erreichen wollen, müssen wir ihm vertrauen. Er richtet die Taktik immer optimal auf die Spieler aus."

"Vor vier Jahren war das anders"

Darauf verwies auch der Bondscoach. Er habe vom 4-3-3 abgesehen, weil Robben, Sturmpartner Jeremain Lens und Sneijder "die ganze Zeit ihren Gegenspielern hätten nachlaufen müssen. Das hätten sie nicht 90 Minuten gekonnt." Dass dieses Trio durch seine Marschroute alle Freiheiten habe, mache aus dem defensiven System ein offensives.

Und er freue sich, sagte van Gaal und drückte sein Kreuz noch ein bisschen mehr durch als sonst, "dass das Ergebnis mich bestätigt". Auch gegen Stänkerer im eigenen Land wie Vorgänger Bert van Marwijk, der erklärte: "So wenig Ballbesitz (36 Prozent, d. Red.) ist nicht typisch niederländisch. Vor vier Jahren war das anders."

Leidtragender ist bisher der Schalker Torjäger Klaas-Jan Huntelaar, der in dieses System nicht reinpasst und trotz der Gelbsperre von Robin van Persie wieder 90 Minuten auf der Bank blieb. "Das ist bitter für ihn, aber er akzeptiert die Entscheidung des Trainers", versicherte Robben. Huntelaars Gesicht sagte etwas anderes: Er stapfte wortlos an den Journalisten vorbei.

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