Nur einer blieb an seiner Seite. Als Maxi Rodriguez im Halbfinale gegen die Niederlande den entscheidenden Elfmeter verwandelte hatte, stürmten die Kollegen von der Mittellinie und von der Bank in dessen Richtung.
Javier Mascherano fiel auf die Knie, reckte die Fäuste gen Himmel und hielt sie sich dann vor seine Stirn. Ezequiel Garay machte einen Schritt und ließ sich dann auf den Rücken fallen, ehe er sich umdrehte und Mascherano um den Hals fiel. Kurze Zeit später stieß auch noch Lucas Biglia dazu.
Die Szene fand mitten auf dem Spielfeld statt und trotzdem abseits. Denn alles konzentrierte sich natürlich auf den Schützen und Torhüter Sergio Romero, der zwei Elfmeter der Niederländer pariert hatte.
Kopf der Mannschaft
Mascherano hatte nicht geschossen, aber er war trotzdem nicht ganz unbeteiligt in diesem Elfmeterschießen. Er war es, der vor Beginn der Lotterie Romero zur Seite nahm und ihm eintrichterte: "Heute wirst du die Welt fressen! Heute wirst du zum Helden!"
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Es ist eine der zentralen Aufgaben Mascheranos, seine Mitspieler zu begeistern und sie auf dem Platz zu führen. Er ist der Kopf der Mannschaft, der Taktgeber und Antreiber. Das war er schon immer. Auch in den Jugend- und Olympia-Mannschaften der Albiceleste, mit denen er 2004 und 2008 zweimal Gold holte.
Sabella nimmt ihm Kapitänsbinde weg
Es war also kein Wunder, dass Mascherano Argentinien auch in der A-Nationalmannschaft als Kapitän vorstand. Er ist der geborene Führungsspieler, eine natürliche Autorität. Und aus diesem Grund nahm ihm Trainer Alejandro Sabella das Amt auch weg.
Mascherano braucht die Binde nicht, um die Mannschaft zu führen. Er kommt auch ohne dieses Zeichen nach außen hin klar. Seine Mitspieler akzeptieren die Rolle von el jefecito (der kleine Chef) und ordnen sich unter.
Symbolische Geste für Messi
Auch Lionel Messi erkennt die Position seines Kumpels vom FC Barcelona an. Dass er seit der Amtsübernahme von Trainer Sabella die Binde trägt, ist eher als Symbolik zu verstehen. Der viermalige Weltfußballer war in seiner Heimat nicht immer gut gelitten, weil seine Leistungen im Nationaltrikot nicht immer denen im Klub entsprachen.
Für Sabella war der Kapitänstausch "selbstverständlich. Messi ist ein großartiges Genie und der Stolz des Nationalteams." Seine herausragende Rolle wird durch das Kapitänsamt nochmal unterstrichen.
Es war eine gewagte Entscheidung, seinen Star mit noch mehr Druck zu belasten, um ihn gleichzeitig zu schützen. Aber Sabellas Rechnung ging auf. Unter ihm ist Messi ein anderer, besserer Nationalspieler.
Stabilisator von Argentiniens Defensive
In der Vorrunde hat Messis Klasse Argentinien in jedem Spiel den Sieg gerettet. In der K.o.-Runde wartet er noch auf einen Treffer, dafür hat der Mannschaftsteil um Mascherano die zentrale Aufgabe übernommen.
Argentinien hat weder im Achtel- noch im Viertel- oder im Halbfinale ein Gegentor kassiert. Das liegt auch an Mascherano, der seiner Mannschaft Ordnung, Stabilität und Sicherheit verleiht. Tut sich irgendwo ein Loch auf, läuft er es zu oder schickt einen Mitspieler im richtigen Moment dorthin.
Natürlich war er es, der Arjen Robbens Chance zum 1:0 im Halbfinale in der Schlussminute mit einer Grätsche zunichte machte.
Pitbull und Bastion
Unter Diego Maradona hieß es: "Argentinien, das ist Mascherano plus zehn weitere Spieler." Sabella sagt: "Mascherano ist wie eine Bastion für unser Team." Der 30-Jährige blockt die Angriffe des Gegners, aber bei dieser WM wird auch klar, dass er kein reiner "Pitbull" ist, wie ihn Maradona einst bezeichnet hat.
Mascherano ist vom Barca-Spiel geprägt, seit 2010 läuft er für die Katalanen auf. Zwar wird er dort meistens als Innenverteidiger eingesetzt, aber in Argentinien ist er auf der Sechs gesetzt. Kein Spieler hat bei diesem Turnier so viele Pässe gespielt wie Mascherano (509). Nicht einmal die deutschen Passmaschinen Toni Kroos (498) und Philipp Lahm (480) kommen da mit.
Messi mag die spielentscheidende Figur der Albiceleste sein, aber Mascherano ist die spielbestimmende. "Ich denke, wir spielen intelligent", sagt Mascherano über das Argentinien der WM 2014."An diesem Punkt spielst du mit Herz und Seele, aber wenn du in den taktischen Dingen nicht klug bist, kommst du nicht weit."
"Ich habe es satt, die Arschkarte zu ziehen"
Argentinien hat es ins Finale geschafft. "Wir haben Argentinien wieder in den Kreis zurückgebracht, in den es hinein gehört. 24 Jahre lang nicht mindestens ein WM-Halbfinale erreicht zu haben, ist eine viel zu lange Zeit für eine Fußball-Nation von unserer Größe", meinte Mascherano.
An die Deutschen hat Mascherano keine guten Erinnerungen, er war 2006 und 2010 dabei, als im Viertelfinale jeweils Endstation war. Im Maracana will er nicht wieder als Verlierer vom Platz gehen.
Wer in der Kabine das Sagen hat, macht eine kleine Episode klar, die sich vor dem Viertelfinale gegen Belgien abgespielt haben soll. In seiner Rolle als Anführer richtete Mascherano eine Ansprache an die Kollegen: "Ich habe es satt, die Arschkarte zu ziehen und die Schnauze voll, zu verlieren. Ich will diese WM gewinnen."