Auf einmal standen sie da nur noch zu zweit. Bastian Schweinsteiger und Lukas Podolski feierten im Estadio do Maracana den Gewinn der Weltmeisterschaft. Erst machten sie die Welle, dann standen sie Arm in Arm und am Ende mit ausgebreiteten Armen wie die Christus-Statue auf dem Corcovado in Sichtweite des Stadions.
Der Fanblock war noch gut gefüllt, die vielen Tausend deutschen Fans hatten noch lange nicht genug vom Feiern und standen wie die Spieler gerade erst am Anfang einer rauschenden Nacht.
Aber irgendwie wurden alle auch Zeuge eines zumindest vorläufigen Endes.
Es waren nicht zwei beliebige Spieler, die sich auf dem kleinen Fleckchen Rasen in der riesigen Schüssel Maracana ein paar ausgelassene Momente gönnten, es waren Schweinsteiger und Podolski. Beide waren dabei, als der Weg dieser Elf nach der EM 2004 und vor allem bei der Heim-WM 2006 begann. Damals hießen sie noch Schweini und Poldi.
Schweinsteiger setzt sich ein Denkmal
Ganz abschütteln werden sie ihre bubenhaften Spitznamen nie können, aber es waren gereifte Typen, die da auf dem Platz standen und sich wie kleine Kinder freuten. Schweinsteiger hat sich mit seiner grandiosen Leistung gegen Argentinien ein Denkmal gesetzt und sich endgültig als Leader dieser Mannschaft in die Geschichtsbücher eingetragen.
Die deutsche Mannschaft in der Einzelkritik
Es war nach dem Champions-League-Finale 2013 gegen Borussia Dortmund das zweite große Endspiel, in dem Schweinsteiger diese Qualitäten im passenden Moment abzurufen wusste. Daran werden auch seine schärfsten Kritiker nicht vorbeikommen.
Große Spiele werden von großen Spielern entschieden, so lautet ein ungeschriebenes Gesetz und Schweinsteiger hat die zwei wichtigsten Trophäen im Weltfußball gewonnen und dabei eine prägende Rolle gespielt.
Podolski: Ein Symbol für den Teamgeist
Podolski hatte bei dieser WM weniger große Momente als bei den beiden vorangegangenen Endrunden, dabei sah er nach der Verletzung von Marco Reus und seinen starken Leistungen in den Testspielen wie der Gewinner der Vorbereitung aus.
Es kam anders. Podolski spielte in zwei Spielen insgesamt nur 53 Minuten, kein Einsatz in der K.o.-Runde, kein Tor. Keine gute persönliche Bilanz, aber diese Zahlen und seine Reservistenrolle trübten seine Freude keineswegs. Seine positive Energie war während des gesamten Turniers spürbar, nicht nur nach dem gewonnenen Finale.
Podolski dient als Beispiel, was diese Mannschaft am Ende ausgezeichnet hat: ein unvergleichlicher Teamspirit. Der Geist vom Campo Bahia sozusagen.
Lehre der EM 2012
"Ob wir die besten Einzelspieler haben oder was auch immer, ist vollkommen egal, man muss die beste Mannschaft haben", sagte Kapitän Philipp Lahm. Es gab kein Gespräch, das in der Mixed Zone geführt wurde, das ohne das Wort Teamgeist auskam.
"Heute gab es nur einen verdienten Sieger, und das war diese Mannschaft. Sie hat in diesen Tagen einen unglaublichen Teamspirit und unheimliche Willenskraft entwickelt", sagte Bundestrainer Joachim Löw, der in der Stunde seines größten Triumphs erstaunlich gefasst und sachlich wirkte.
Die Reaktionen: "Ganz Deutschland ist Weltmeister"
Dieses große Wir-Gefühl, das die deutsche Mannschaft während der WM in Brasilien erfasst hat, war auch eine Lehre aus vergangenen Turnieren. Vor allem 2012 war das Team von einem verschworenen Haufen weit entfernt.
Großkreutz feiert mit Neuer
Im Maracana standen am Ende aber sogar der Hardcore-Dortmunder Kevin Großkreutz und der beim FC Bayern spielende Gelsenkirchener Manuel Neuer als letzte Spieler Seite an Seite auf dem Rasen, um den Moment zu genießen.
Es war erfrischend zu hören, wie Großkreutz hinterher von seiner Campo-WG mit den Schalkern Benedikt Höwedes und Julian Draxler sowie Neuer, Schweinsteiger und Matthias Ginter schwärmte.
Dass sich diese Nähe offensichtlich ausgezahlt hatte, wurde schon in den vergangenen Tagen und Wochen klar. "Wie die Jungs von der Bank mitgegangen sind, sowas habe ich noch nie erlebt. Das gibt so viel Power, nur deswegen haben wir den Pokal gewonnen", sagte Schweinsteiger.
Löw tilgt Fehler von Warschau
Löw darf es sich auf die Fahne schreiben, diese Mannschaft trotz aller verletzungsbedingten Widrigkeiten richtig zusammengestellt und ihr den nötigen Charakter eingeimpft zu haben.
Er hat im Laufe des Turniers die richtigen Schlüsse aus den ersten Spielen gezogen und einige Dinge verändert, die sich am Ende bezahlt gemacht haben.
Vor dem Turnier hat er die Wichtigkeit der Ersatzspieler betont und den Begriff Spezialkräfte dafür entwickelt. Im Finale entstand der Siegtreffer aus der Kombination der eingewechselten Andre Schürrle und Mario Götze. Die Fehler aus dem EM-Halbfinale 2012 gegen Italien sind damit getilgt.
"Wir haben uns in dem Turnier immer wieder gesteigert, haben uns von irgendwelchen Störfeuern nicht irritieren lassen, sind unseren Weg gegangen. Und am Ende stehst du als Weltmeister da. Das ist ein unglaubliches Gefühl", sagte Lahm.
Goldene Generation krönt sich
Damit hat die als goldene Generation gepriesene Klasse um Lahm, Schweinsteger und Co. auch ihre Vollendung gefunden und den ersten WM-Titel nach 24 Jahren und den ersten internationalen Titel nach 18 Jahren nach Deutschland geholt.
"Wir waren 55 Tage zusammen, aber dieses ganze Projekt haben wir schon vor zehn Jahren gestartet", sagte Löw. "Dieses tiefe Glücksgefühl wird für alle Ewigkeit bleiben. Das macht uns alle stolz. Wenn irgendjemand diese Krönung verdient hat, dann diese Mannschaft."