Endlich ohne Zlatan

SPOX
30. November 201718:09
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Am Freitag (16 Uhr im LIVETICKER) werden die Gruppen der WM 2018 in Russland ausgelost. Zeit, die Teilnehmer genauer unter die Lupe zu nehmen. Schweden bestreitet erstmals ein großes Turnier ohne Zlatan Ibrahimovic. Außerdem in Teil 2: Messi und Ronaldo, Politik vs Fußball, ein ungeschlagener Qualifikant und erlöste Ägypter.

Islands Fußball-Helden: Moskau hört ein "Huh!"

Das kehlige "Huh!" der wilden Männer donnerte durch die zugigen Straßen Reykjaviks, als die isländischen Nationalhelden auch den Sprung nach Russland vollbracht hatten. An der mächtigen Hallgrimskirche, die über der Hauptstadt wacht wie eine sagenhafte Festung, wehte die blaue Landesflagge vor der Statue des Welten-Entdeckers Leif Eriksson. Die Lieblinge der EM - sie ziehen wieder los.

"Enorme Freude und Stolz erfüllen mich, dass ich Zeuge dieser wunderbaren Feier werden durfte", sagte Staatspräsident Gudni Johannesson, der das entscheidende 2:0 (1:0) gegen den Kosovo im berstenden Nationalstadion Laugardalsvöllur bejubelt hatte. "Das macht unser Land so stark! Wir sind hier häufig gegensätzlicher Meinung - deshalb ist es fantastisch, dass dieses Team uns eint."

Dass ein Pädophilie-Skandal erst im September die Regierung gestürzt hat, Probleme mit Jugend-Abwanderung und den überbordenden Preisen, das alles war für einen Moment vergessen. Nach Frankreich 2016 hört auch Russland ein "Huh!", nie hat sich ein Land mit weniger Einwohnern (330.000) für die Endrunde einer WM qualifiziert.

"Unglaublich", sagt Nationaltrainer Heimir Hallgrimsson. Der 50-Jährige war nach dem Spiel derart tief bewegt, dass er einen Teil der Pressefragen von seinen Assistenten beantworten ließ. "Maradona, Pele", stammelte Hallgrimsson, "und Aron Einar Gunnarsson..."

Der Kapitän von Cardiff City wird die wilden Männer auch bei der WM anführen. "Das Wikingerschiff nimmt Kurs auf Russland", schrieb die Washington Post.

In Island beginnt der Fußball, dem Handball Konkurrenz zu machen. Wer durch das Land von Lava und Eis reist, sieht in jedem Fischerdorf einen fein gepflegten Rasen und daneben einen hölzern umzäunten Mini-Bolzplatz.

Die Weite des Landes, die raue See, sie lassen die Isländer zusammenstehen. Ein Journalist berechnete, dass 0,1 Prozent der isländischen Männer zwischen 22 und 34 im Sommer nach Russland fahren werden - als Spieler, wohlgemerkt. Tausende werden sie begleiten.

Besser ohne Zlatan: Schweden trumpft als Team auf

Alles drehte sich wieder einmal um Zlatan Ibrahimovic, doch Schweden will von seinem Gott offenbar nichts mehr wissen. Anders sind die Reaktionen auf den nächsten Egotrip des Stürmerstars von Manchester United nicht zu verstehen.

"Das ist doch unglaublich. Dieser Spieler hat vor eineinhalb Jahren aufgehört, für Schweden zu spielen, und wir reden immer noch über ihn", sagte Trainer Janne Andersson, nachdem sich die Blagult - die Blaugoldenen - erstmals nach zwölf Jahren wieder für eine WM qualifiziert hatten: "Wir müssen endlich anfangen, über die großartigen Spieler zu reden, die wir in dieser Mannschaft haben."

Diese Spieler haben das Ticket für Russland gebucht, Ibrahimovic spielte in der Quali nicht eine Minute. Dennoch deutete er seine Absicht an, in die Nationalmannschaft, die er nach dem trostlosen Aus bei der EM 2016 verlassen hatte, zurückkehren zu wollen. "Wir sind Schweden", schrieb Ibrahimovic nach dem entscheidenden Playoff-Spiel gegen Italien in den sozialen Netzwerken. Schweden schrieb er dabei mit "Z", "Zweden", wie Zlatan.

Doch viele Fans und Experten sind längst der Meinung, Schweden sei besser ohne Ibrahimovic dran. Andersson hat als Nachfolger von Erik Hamren die Art, Fußball spielen zu lassen, ohne den Exzentriker grundlegend anders ausgerichtet.

Mit Ibrahimovic wirkten die Skandinavier stets eindimensional, jetzt sind sie weniger ausrechenbar, der Leipziger Emil Forsberg treibt das schnelle Umschaltspiel an, auf einmal verteidigen alle zehn Feldspieler. Neben Forsberg gelten auch Kapitän und Fußballer des Jahres Andreas Granqvist, Albin Ekdal vom HSV, Victor Lindelöf und Marcus Berg als Säulen des Teams.

"Ich denke, es ist fast besser, wenn Schweden ohne Ibrahimovic spielt, weil er auf dem Platz eine Qual war", sagte zuletzt Kurt Hamrin: "Er ist der beste Spieler der letzten 20 Jahre in Schweden, aber die Tatsache, dass er nicht hier ist, ermöglicht es jedem, zu wachsen und mehr Verantwortung zu übernehmen."

Wie 2002 und 2006 soll der Weg der Schweden auch im nächsten Sommer zumindest ins Achtelfinale führen. Wer die ausgebufften Italiener ausschaltet, kann mit Selbstvertrauen nach Russland reisen.

Vierter Versuch: Messi und der Kampf gegen das WM-Trauma

Lionel Messi, der Überflieger, der schon so ziemlich alles gewonnen hat, was es im Weltfußball zu gewinnen gibt, weiß: Nur mit dem heiligen Gral, dem Titelgewinn am 15. Juli 2018 in Moskau, stünde er endgültig auf einer Stufe mit Diego Maradona, dessen Hand Gottes die Gauchos 1986 in Mexiko zum zweiten WM-Titel geführt hatte.

Dreimal war Messi bei Weltmeisterschaften bislang dabei, dreimal verlor er mit Argentinien in der K.o.-Runde gegen Deutschland. 2006 und 2010 war jeweils im Viertelfinale Endstation; doch am meisten schmerzt bis heute das 0:1 nach Verlängerung im Endspiel von Maracana.

Der Stellenwert des fünfmaligen Weltfußballers vom FC Barcelona für die Nationalmannschaft seines Landes steht außer Frage. Kaum ein Team ist so abhängig von einem einzigen Spieler wie die Albiceleste. Messi ist Argentinien. Argentinien ist Messi.

La Pulga, der Floh, war es, der Argentinien überhaupt erst vom dritten Titel nach 1978 und 1986 träumen lässt. Mit einem Dreierpack beim 3:1 in Ecuador verhinderte der Kapitän im Oktober ein historisches Debakel. Als Tabellensechster hatte vor dem Finalissimo der südamerikanischen WM-Qualifikation erstmals seit 47 Jahren das Verpassen einer Endrunde gedroht.

"Die Seleccion wird sich steigern, wird eine andere sein", versprach Messi mit Blick auf das Turnier im kommenden Sommer. Das muss sie auch. Denn die Leistungen in der Quali geben kaum Anlass für gesteigerte Titel-Hoffnungen. 19 Tore in 18 Spielen: Von den zehn Teams in Südamerika erzielte nur Bolivien (16) weniger Treffer als die Albiceleste.

"Wir haben das getan, was wir tun mussten. Für Argentinien ist die Qualifikation Pflicht - immer. Jetzt müssen wir uns vorbereiten, um die WM zu gewinnen", sagte Messi. Und meinte damit wahrscheinlich vor allem sich selbst.

Bei Portugal hängt alles an Ronaldo

Beim EM-Finale musste Cristiano Ronaldo am Spielfeldrand tatenlos zuschauen, als die Portugiesen auch für ihn den Titel gewannen. In der WM-Qualifikation war alles wieder normal: Der Superstar rettete den Europameister im Alleingang vor dem Aus.

Eigentlich hatte Nationaltrainer Fernando Santos den Weltfußballer in der vorletzten Partie auf dem Kunstrasen in Andorra schonen wollen. Doch ohne ihn drohte gegen den Fußballzwerg ein Unentschieden und damit der Gang in die Playoffs.

Nach seiner Einwechselung führte Ronaldo sein Team mit seinem 15. Tor in der Qualifikation doch noch zum Sieg und zum Finale um das Direktticket gegen die Schweiz. "Er lässt uns nie im Stich", titelte die Sportzeitung A Bola. Beim entscheidenden 2:0 gegen die Eidgenossen schossen zwar die anderen die Tore, doch allen war klar: Ohne CR7 hätte der Europameister die WM verpasst.

Dabei schien sich Portugal bei der EURO in Frankreich ein wenig von Ronaldo emanzipiert zu haben. Von fünf Treffern in der K.o.-Runde erzielte er nur einen. Im Finale von Paris gelang der größte Triumph nach der frühen Verletzung sogar ohne ihn.

Doch davon war nach der EM nichts mehr zu spüren. 15 der 30 portugiesischen Tore erzielte der Star von Real Madrid und schraubte seine Ausbeute in der Selecao auf 79 Treffer - Platz vier in der ewigen Rangliste.

Die extreme Abhängigkeit von ihrem Superstar ist die größte Schwäche des Europameisters. Dennoch meinte beispielsweise Luis Figo: "Portugal kann Weltmeister werden. Wir haben ein eingespieltes Team mit starker individueller Klasse."

Die kommt, abgesehen von Ronaldo, aber eher selten zum Tragen. Denn Trainer Santos setzt wie bei der EURO in Frankreich auf defensive Stabilität und gute Organisation. Die Kreativität ist begrenzt.

"Die Iraner leben Fußball": Doch die Politik mischt sich erneut ein

Iran hatte sich Mitte Juni bereits als zweites Team hinter Rekordweltmeister Brasilien qualifiziert. Ohne Niederlage und mit nur zwei Gegentoren in zehn Spielen setzte sich die Mannschaft des portugiesischen Trainers Carlos Queiroz souverän gegen Südkorea, den künftigen WM-Gastgeber Katar oder auch das Riesenreich China durch.

"Die Vorfreude ist riesig. Die Menschen in Iran leben Fußball", sagte der ehemalige Bundesligaspieler Ashkan Dejagah dem SID. Nach 1978, 1998, 2006 und 2014 hat sich der dreimalige Asienmeister Iran zum fünften Mal für eine WM-Endrunde qualifiziert.

Bisher war stets nach der Vorrunde Schluss. Nun soll es endlich bis ins Achtelfinale gehen. "Die Mannschaft kann das, sie hat das Potenzial", sagte Dejagah: "Wir wollen in die Geschichte eingehen als das erste iranische Team, das Vorrunde übersteht."

Mit Erfolgen im Fußball lassen sich die Iraner schnell glücklich machen. Zu den Länderspielen strömen regelmäßig rund 100.000 Fans in die riesige Betonschüssel Azadi-Stadion. Doch genau da fangen die Probleme aus westlicher Sicht an.

Seit der Islamischen Revolution von 1979 ist Frauen der Besuch von Männer-Fußballspielen untersagt. Offiziell, um die weiblichen Zuschauer vor den verbalen Entgleisungen der männlichen Besucher zu schützen. Die strikten Verbote scheinen sich nur langsam zu lockern.

Und dann war da noch die Sache mit Kapitän Massoud Shojaei und dessen Stellvertreter Ehsan Hajsafi. In der Europa-League-Qualifikation waren die beiden Schlüsselspieler mit ihrem griechischen Klub Panionios Athen gegen das israelische Team von Maccabi Tel Aviv angetreten. Daraufhin warf der Verband Shojaei und Hajsafi aus der Nationalmannschaft, die WM-Teilnahme gilt als ausgeschlossen.

"Die beiden Spieler haben die rote Linie überschritten", sagte der iranische Vizesportminister Mohamed Resa Dawarsani zu dem Fall, "das ist für das iranische Volk nicht akzeptabel". Die regierungstreue Nachrichtenagentur Raja News schrieb: "Schämt euch, Ehsan und Massoud!".

Nach dem Rauswurf der beiden führte Dejagah die Auswahl in den beiden abschließenden Quali-Spielen aufs Feld. Auch für die WM könnte der 31-Jährige das Amt übernehmen. Seit dem Vertragsende beim VfL Wolfsburg im Sommer ist er jedoch vereinslos. Ein neuer Klub und Spielpraxis sind unabdingbar.

Tunesien fährt als ungeschlagener Qualifikant zur WM

Mit dem Schlusspfiff machte sich nach aller Anspannung vor allem Erleichterung unter den tunesischen Fans breit - Nach 12 Jahren endlich wieder dabei. Mit dem nervenaufreibenden 0:0 gegen Libyen lösten die "Adler von Karthago" trotz enttäuschender Vorstellung das Ticket zur WM.

"Das Wichtigste ist doch, dass wir uns qualifiziert haben", sagte Trainer Nabil Maaloul. Ein Unentschieden am letzten Spieltag der Afrika-Qualifikation hatte seinem Nationalteam gereicht, um sich mit einem Punkt Vorsprung vor Demokratischen Republik Kongo den Gruppensieg zu sichern.

Tunesien blieb während der gesamten Gruppenphase ungeschlagen. Sie gewannen viermal und ließen lediglich gegen die Kongolesen (2:2) und im entscheidenden Spiel gegen den Tabellendritten Libyen Punkte liegen.

"Wir dürfen nicht nach Russland reisen, um die zweite Geige zu spielen, sondern müssen uns vornehmen, so weit wie möglich zu kommen", sagte Wahbi Khazri von Stade Rennes. Er gehört zu den wenigen Spielern aus einer ausländischen Liga, denn im Gegensatz zu anderen afrikanischen Teams kommen die meisten Profis (aktuell 18) von tunesischen Erstligisten.

Erlösung nach 28 Jahren: Ägyptens Hoffnungen ruhen auf Salah

Auf dem Tahrir-Platz in der ägyptischen Hauptstadt Kairo gab es kein Halten mehr. Hundertausende Menschen strömten auf die Straßen, rot-weiß-schwarze Flaggen und ein überdimensionales Feuerwerk tauchten die Nacht in die Nationalfarben. Wieder einmal wurde auf dem "Platz der Befreiung" ein Kapitel ägyptischer Geschichte zelebriert.

1954 einte sich hier das Volk, nachdem zuvor die Monarchie gestürzt wurde. 2011 trieb es die Menschen auf den Tahrir-Platz, um gegen Machthaber Husni Mubarak zu demonstrieren. Diesmal waren die Menschen zusammengekommen, um ihrem "König" Mo Salah I. zu huldigen.

Nationalheld Mohamed Salah, den sie liebevoll den "ägyptischen Messi" nennen, hatte die Pharaonen in der fünften Minute der Nachspielzeit zur WM geschossen. 90.000 (!) Zuschauer verfolgten die Partie in der WM-Qualifikation gegen den Kongo im Nationalstadion Borg El Arab.

Außer ihrem "Messi" hat das Land keine Stars. Ägypten fährt als krasser Außenseiter ins flächenmäßig größte Land der Welt. Das Abschneiden bei der Endrunde in Russland spielt ohnehin nur eine untergeordnete Rolle. Die Teilnahme soll die schrecklichen Tragödien der letzten Jahre vergessen machen.

Bei einer der schlimmsten Katastrophen der Fußball-Geschichte waren im Februar 2012 nach dem Duell zwischen Al-Masri und Al-Ahly Kairo in Port Said Anhänger der Gastgeber auf den Platz gestürmt. Sie hatten Steine und Flaschen geworfen und die Ränge mit Feuerwerkskörpern beschossen. Es entstand eine Massenpanik. 74 Menschen kamen ums Leben.

Todesstrafen wurden verhängt, die Liga ausgesetzt. Dennoch folgte nur drei Jahre später die nächste Tragödie: Bei gewalttätigen Ausschreitungen bei einem Erstliga-Spiel zwischen Zamalek Kairo und dem Lokalrivalen ENPPI Club starben 19 Menschen.

Die Auswirkungen der schrecklichen Ereignisse spürt das Land noch heute. Nach wie vor werden einige Ligaspiele aus Sicherheitsgründen unter Ausschluss der Öffentlichkeit ausgetragen. Die WM in Russland soll daher für Ägypten zur friedlichen Rehabilitationskur werden.

Dort will dann auch Torhüter Essam El-Hadary dabei sein, dessen WM-Traum im biblischen Fußballalter von 45 Jahren in Erfüllung gehen könnte. Anfang 2017 fuhr er als dritter Torhüter mit zum Afrika-Cup. Dann verletzten sich die Schlussmänner Nummer eins und zwei, und mit Rückkehrer El-Hadary zwischen den Pfosten zogen die Ägypter ins Finale ein. Seither ist El-Hadary, der derzeit bei Al-Taawoun in Saudi-Arabien kickt, die Nummer eins.

Sollte er zum Einsatz kommen, und davon ist auszugehen, löst er den Kolumbianer Faryd Mondragon als ältesten Spieler der WM-Geschichte ab. Der Ex-Kölner war bei der WM 2014 "nur" 43 Jahre und drei Tage alt.

England als Mitfavorit? "Packt nicht zu viele Unterhosen ein!"

Die berüchtigte Yellow Press gibt sich nach über fünf Jahrzehnten voll Pleiten, Pech und Pannen keinen Illusionen mehr hin. Die englischen Fans, schreibt die Sun, sollten vor ihrer Abreise nach Russland lieber "nicht zu viele Unterhosen" einpacken.

Der einzige WM-Titel liegt bald 52 Jahre zurück, in einem WM-Halbfinale spielte man zuletzt 1990. Gary Lineker stand damals beim unglücklichen Aus gegen die deutsche Elf auf dem Platz, jetzt hofft die Stürmerlegende auf ein Ende der langen Leidenszeit. England dürfe sich auf eine "neue goldene Generation" freuen, sagt der TV-Experte. Jedoch: Noch ist diese wohl zu jung.

Fußball-England hat 2017 international sein bestes Jahr seit 1966 erlebt: Die U17 und U20 wurden Weltmeister - das war den Young Lions zuvor nie gelungen. Die U19 gewann die EM, die U21 scheiterte dort erst im Elfmeterschießen an der DFB-Auswahl. Der Nachwuchs, scherzte der ehemalige Nationalspieler Peter Crouch ob all dieser ungewöhnlichen Erfolge, habe "keine Achtung vor der Tradition".

Allein: Russland kommt für die meisten Talente zu früh, auf der Insel hoffen sie daher auf Katar 2022. Harry Kane, nach dem Abschied von Rekordtorschütze Wayne Rooney Sturmführer, wäre dann 29 und wie einige andere im besten Profialter. Auf Sicht, meint Chelseas Teammanager Antonio Conte, werde die englische Nationalmannschaft nur "sehr schwer zu schlagen" sein.

Und in Russland? "Wir dürfen vorsichtig optimistisch ins Jahr 2018 blicken...", schreibt der Guardian, aber: "... auch wenn nächsten Sommer dann doch wieder alles zusammenbrechen könnte."

Teammanager Gareth Southgate blickt mit "großem Glauben" in Richtung WM. Die torlosen Unentschieden gegen Deutschland und Brasilien im November in Wembley, bei denen er insgesamt sechs Debütanten brachte, hätten die Bindung zwischen Mannschaft und den so oft enttäuschten Fans wieder gestärkt, sagt er. Und sportlich? Schwerer als gegen diese Top-Nationen werde es "auch in Russland nicht".

Die Selecao aber, gibt Southgate zu, sei seinen Three Lions in mancherlei Hinsicht "noch Lichtjahre voraus". Auch die Sun stänkert, England bräuchte "den Google-Übersetzer", um den Fußball von Neymar und Co. zu verstehen.

Australien ist "verdutzt": Socceroos stehen ohne Coach da

Ange Postecoglou ließ einen konsternierten Verbandsboss zurück. "Ich bin wirklich enttäuscht, dass er nicht mit nach Russland kommen wird", sagte David Gallop: "Ich bin aber nicht nur enttäuscht, sondern auch ein bisschen verdutzt." Wie dem Geschäftsführer des australischen Fußballverbands FFA ging es auch den Fans, als sie zehn Tage vor der WM-Auslosung vom Rücktritt ihres Nationaltrainers erfuhren.

Schließlich stehen die Socceroos ein halbes Jahr vor der Endrunde (14. Juni bis 15. Juli) ohne Coach da. "Ich habe entschieden, dass meine großartige Reise als Trainer der australischen Nationalmannschaft endet", sagte der gebürtige Grieche mit australischem Pass während einer Pressekonferenz in Sydney - und war dabei emotional sichtlich mitgenommen.

Warum genau Postecoglou zurücktrat, wollte der 52-Jährige nicht verraten. Australische Zeitungen spekulierten daraufhin über einen Konflikt mit dem Verband. Auch die immer wieder aufkommende Kritik der Medien könne ein Grund für den Schritt gewesen sein. Postecoglou selbst gab zu Protokoll, dass er zukünftig einen Job außerhalb des fünften Kontinents anstrebe.

Nur eine Woche zuvor hatte sich das Team durch ein 3:1 im Play-off-Rückspiel gegen Honduras zum vierten Mal in Folge und zum fünften Mal insgesamt für eine WM qualifiziert. Allerdings hatte es schon vor der Begegnung Spekulationen um einen Abschied Postecoglous gegeben.

An Gallop liegt es nun, einen Nachfolger für Postecoglou zu suchen. "Wir müssen die richtige Person finden, die in die großen Fußstapfen treten kann", sagte der Funktionär: "Es wäre ein großer Vorteil, wenn ein Australier das Amt übernehmen würde". Als einer der Anwärter für den Job beim Asienmeister gilt Graham Arnold, der derzeit noch den FC Sydney trainiert.

Dass Australien in Russland mit dabei ist, haben die Socceroos vor allem Mile Jedinak zu verdanken. Der 33 Jahre alte Kapitän glänzte gegen Honduras mit einem Hattrick. So lösten die Australier um Bundesliga-Profi Mathew Leckie von Hertha BSC das vorletzte WM-Ticket.

Was damals übrigens noch zu großem Jubel bei Postecoglou geführt hatte. "Das ist ziemlich überwältigend", hatte der Coach, der als Fünfjähriger aus Griechenland nach Australien gekommen war, gesagt: "Meine Spieler haben sich ihre Belohnung abgeholt."

Wiedergutmachung für 2014: Spanien will in Russland erneut angreifen

An jenen 11. Juli 2010 erinnert sich Andres Iniesta noch ganz genau. Es läuft die 116. Minute des Endspiels von Johannesburg, Iniesta kommt im Strafraum an den Ball, schließt blitzschnell ab und trifft zum 1:0 gegen die Niederlande - Minuten später ist Spanien erstmals Weltmeister und Iniesta der Held einer ganzen Nation.

Mehr als sieben Jahre sind seitdem vergangen, der spanische Fußball hat weitere Höhepunkte wie den Europameistertitel 2012 und viele Rückschläge wie das Vorrunden-Aus bei der WM 2014 erlebt. Immer dabei: Iniesta. Auch bei der WM-Endrunde 2018 wird der schüchterne Mittelfeldspieler des FC Barcelona wieder einer der Eckpfeiler des Teams sein - und er träumt davon, seine Nationalmannschaftskarriere mit einem weiteren Titel zu beenden.

Die Mannschaft hat sich seit dem WM-Triumph von 2010 verändert. Von der "goldenen Generation" um Iniesta, Xavi oder Iker Casillas sind nur noch wenige Spieler dabei. Als das Team in Brasilien 2014 als Titelverteidiger schon krachend in der Vorrunde scheiterte, folgte der große Umbruch.

Akteure wie Bayerns Thiago, Isco und Marcos Asensio von Real Madrid oder David de Gea prägen nun das Spiel. Nationaltrainer Julen Lopetegui kennt viele Spieler noch aus seiner Zeit als Coach verschiedener Juniorenteams.

Dass mit Spanien in Russland zu rechnen sein wird, zeigte die Qualifikation. Mit neun Siegen und einem Unentschieden sicherten sich die Iberer den Gruppensieg, sie schickten zudem Italien in die Play-offs. Seit 51 WM-Qualifikationsspielen ist Spanien ohne Niederlage, die letzte gab es am 31. März 1993 in Dänemark.

Doch was diese Serie letztlich wert ist, wird die Endrunde im kommenden Sommer zeigen. Spanien ist nur in Lostopf 2, es wartet also mindestens ein Spitzenteam auf die Iberer.