Am Freitag (16 Uhr im LIVETICKER) werden die Gruppen der WM 2018 in Russland ausgelost. Zeit, die Teilnehmer genauer unter die Lupe zu nehmen. Brasilien will die 1:7-Schmach vergessen machen, während Frankreich eine goldene Ära einleiten will. Und sonst so? Die Fans darf sich auf einen Newcomer und einige Rückkehrer freuen.
Keine "Touristen": Japan will in Russland den WM-Durchbruch
Eine Gewissheit hatte Vahid Halilhodzic direkt nach der geschafften Qualifikation: Als "Tourist" werde man nicht nach Russland reisen. "Wir wollen unsere Fans stolz machen", sagte der Trainer der japanischen Nationalmannschaft. In Russland soll für die Blauen Samurai um BVB-Star Shinji Kagawa endlich der Durchbruch auf der großen WM-Bühne gelingen. Denn auf einen großen Erfolg warten die Japaner trotz nachgewiesener fußballerischer Qualität bei einer WM noch immer.
Die Mission für Russland liegt auf der Hand: erstmals über das Achtelfinale hinauskommen. Seit 1998 qualifizierte sich die Auswahl Nippons jedes Mal für die WM-Endrunden. Doch die vergangenen Weltmeisterschaften liefen für die Japaner alles andere als zufriedenstellend. Bei ihren fünf Teilnahmen erreichte Japan bei der Heim-WM 2002 und 2010 die Runde der besten 16, schied aber auch dreimal als Gruppenletzter aus.
Die Vorzeichen für die WM 2018 stehen nicht unbedingt besser. Der viermalige Asienmeister erledigte die Pflichtaufgabe WM-Qualifikation zwar souverän und löste als vierte Mannschaft vorzeitig am vorletzten Spieltag der Qualifikation das WM-Ticket, doch mit Lostopf vier steht dem Weltranglisten-55. in Russland eine schwierige Gruppe bevor.
Mit Kagawa, Makoto Hasebe (Eintracht Frankfurt), Genki Haraguchi (Hertha BSC), Gotoku Sakai (Hamburger SV), Yuya Osako (1. FC Köln), Yoshinori Muto (Mainz 05) und Takuma Asano (VfB Stuttgart) dürfen sich mehrere Bundesliga-Spieler berechtigte Hoffnungen auf eine Nominierung für Russland machen, doch eine Garantie gibt es unter Trainer Halilhodzic für niemanden.
Der Bosnier, der die algerische Nationalmannschaft bei der WM 2014 erstmals ins Achtelfinale führte, ist dafür bekannt, seine Spieler zu rotieren und auch große Namen auf der Bank zu lassen. So berücksichtigte er beispielsweise drei der erfolgreichsten Torjäger der WM-Qualifikation - Kagawa (sechs Tore), Ex-Bundesligaspieler Shinji Okazaki (fünf), und Keisuke Honda (sieben) - im entscheidenden Qualifikationsspiel gegen Australien (2:0) nicht.
Für die Länderspiele gegen Brasilien (1:3) und Belgien (0:1) im November wurde Dortmunds Mittelfeldspieler Kagawa nicht einmal in den Kader berufen. "Um ehrlich zu sein, wundere ich mich über das Timing", sagte Kagawa, dem Halilhodzic eine Erklärung schuldig blieb. "Diese Spiele sind wie eine WM-Imitation. Ich habe sie nicht als Freundschaftsspiele gesehen", sagte Asiens internationaler Fußballer des Jahres 2012, der es auch in diesem Jahr auf die finale Shortlist geschafft hat.
Doch Namen spielen für Trainer Halilhodzic offenbar keine Rolle. "Wer in Russland dabei sein wird? Das weiß ich selbst nicht", sagte der 65-Jährige. "Kein Spieler hat seinen Platz im Team sicher", ist auch Kapitän Hasabe überzeugt, aber: "Positiv ausgedrückt bedeutet dies, dass jeder eine Chance hat."
Tite, Neymar und das 1:7: Brasilien läuft heiß zur WM
Eigentlich ist es wie immer: Mit dem neuen Kulttrainer Tite und Superstar Neymar ist Brasiliens Fußball-Selecao auch in Russland Titelkandidat. Das Ego wurde dank des phänomenal Schlussspurts in der südamerikanischen WM-Qualifikation kräftig aufpoliert. Vergessen der Holperstart in die Eliminatorias. Abgehakt das deutsche 1:7-Trauma.
Sicher? "Darüber habe ich mit den Spieler nicht geredet. Das hatte Nachwirkungen, als Dunga das Amt übernommen hat", behauptet Tite steif und fest. Das Thema wird aber irgendwann wieder hochkochen. Spätestens am 27. März 2018, wenn die beiden Gegner des historischen Halbfinales der WM 2014 sich in Berlin erneut duellieren.
"Bei meinem Amtsantritt war der Druck ein komplett anderer: Brasilien irgendwie zur WM zu bringen", erinnert der 56-Jährige, der am 20. Juni 2016 Dunga nach dem blamablen Vorrunden-Aus bei der Copa America ablöste. Da stand der Rekord-WM-Champion in der Qualifikation mit nur zwei Siegen aus sechs Spielen auf Rang sechs, drohte die Zuschauerrolle in Russland, galt der Neuanfang nach der Heim-WM als gescheitert.
Tite legte jedoch den Schalter um. Es folgte der Quali-Durchmarsch mit zehn Siegen und zwei Unentschieden. Weil er von seinen Spielern weniger Ergebnisse, dafür ständig Höchstleistung fordert. Der Erfolgscoach ist als Motivator und für das Zusammenschweißen einer Gruppe bekannt. Fähigkeiten, mit denen er schon den SC Corinthians 2012 zum Klub-Weltmeister formte.
Wäre heute WM, sähe Brasiliens erste Elf so aus: Alisson - Daniel Alves, Marquinhos, Miranda, Marcelo - Casemiro, Paulinho - Renato Augusto, Coutinho, Neymar - Gabriel Jesus. Doch auf seine Wunsch-Startformation konnte Tite wegen Verletzungen und Sperren erst im 17. Anlauf zurückgreifen, im November beim 0:0 in London gegen England.
Beim ersten Vergleich gegen einen Europäer seit März 2015 (!) verlor das wiederentdeckte "jogo bonito", die Schönspielerei, im flexiblen Abwehrsystem der Briten aber seine Effizienz. Bleibt mal wieder die Erkenntnis: Talent allein, wie das eines Neymars, reicht vielleicht in Südamerika, aber nicht im Konzert der ganz Großen.
Mit seinen 53 Toren in 83 Länderspiel ist Neymar unangefochtener Leistungsträger der Selecao, auch wenn der Superstar von Paris St. Germain 2017 mit drei Toren in acht Spielen nicht mehr Alleinunterhalter der Canarinhos war.
Augenscheinlich wurden vielmehr Mätzchen: Gerangel mit den Gegenspielern, für die er sich überflüssig Gelbe Karten einhandelte. Übertriebene Dribblings, die das Spiel nach vorne erlahmten. Für Tite eine der (wenigen) Baustellen bis zur WM.
Daneben heißt es, noch ein paar Reservistenplätze zu füllen. Auf einen hofft auch die einstige Bundesliga-Zaubermaus Diego. Unter Tite wirkte der Ex-Bremer und -Wolfsburger im Januar 48 Minuten in einem Benefizspiel gegen Kolumbien mit. Seitdem verfolgt den 32-Jährigen das Verletzungspech in der Selecao. Die letzte Chance käme vielleicht ausgerechnet gegen Deutschland.
Für Diego wäre Russland dann WM-Premiere. Brasilien ist dagegen als einzige Nationalmannschaft der Welt Stammgast bei allen WM-Endrunden, konnte bei den bisherigen 20 Turnieren fünfmal den Siegerpokal hochstemmen, letztmals nach dem 2:0 gegen Deutschland im WM-Finale 2002. Weil aber der allerletzte Eindruck zählt, wären wir aber wieder beim Thema 7:1.
Pfiffe haben den Schweizer Teamgeist gestärkt
Vielleicht hatten die unschönen Pfiffe gegen Haris Seferovic ja auch ihr Gutes. Nach den Unmutsbekundungen der eigenen Fans gegen den Stürmer ausgerechnet bei der erfolgreichen WM-Qualifikation im Play-off-Duell gegen Nordirland sind die Schweizer Nationalspieler noch enger zusammengerückt. Es könne "die Mannschaft noch mehr anspornen, wenn ein paar Chaoten pfeifen", glaubt Ex-Nationaltrainer Ottmar Hitzfeld.
Seferovics Sturmrivale Breel Embolo von Bundesligist Schalke 04 nannte die Pfiffe "eine Frechheit", Mittelfeldkämpfer Valon Behrami stand seinem Teamkollegen in einem offenen Brief zur Seite: "Sportler sind auch Menschen, und Pfiffe zu hören tut weh, vor allem, weil sie nach so einem Abend einfach keinen Sinn machen."
Denn die Schweiz hatte sich - wenn auch mit viel Mühe - an diesem Abend am 12. November in Basel zum vierten Mal in Folge für eine WM-Endrunde qualifiziert. "Ein Wunder für ein kleines Land, wie wir es sind", schrieb die Zeitung Blick. Doch nur dabei zu sein, das reicht vielen Anhängern der Nati längst nicht mehr. Der Anspruch ist der Einzug ins WM-Viertelfinale. Das ist der Schweiz zuletzt vor 64 Jahren im eigenen Land gelungen.
Gemessen an der Qualität im Kader ist dieses Ziel nicht unrealistisch. Spieler wie Granit Xhaka, Xherdan Shaqiri, Ricardo Rodriguez, Embolo oder Roman Bürki können den Unterschied ausmachen. Zudem hat Trainer Vladimir Petkovic im Kader einen guten Mix aus aufstrebenden und erfahrenen Profis zusammengestellt. In der aktuellen FIFA-Weltrangliste steht die Schweiz als Achter vor Nationen wie Frankreich, England oder Italien.
"Meine Mannschaft hat einen hervorragenden Teamgeist, positive Energie und Willen", sagt Coach Petkovic: "Sie will immer die höchsten Ziele erreichen." Für Hitzfeld ist aber Petkovic hauptverantwortlich für das WM-Ticket. Sein Nachfolger mache "einen sensationellen Job", sagte der frühere Münchner und Dortmunder Meistercoach, "der Fußball unter Petkovic ist attraktiv."
Beim 2:0-Heimsieg in der WM-Qualifikation gegen Europameister Portugal bewiesen die Schweizer, dass sie auch einen Großen schlagen können. Teaminterner Topscorer war übrigens Seferovic mit vier Toren und drei Vorlagen. Der frühere Profi von Eintracht Frankfurt, mittlerweile in Diensten von Benfica Lissabon, war nach dem Pfeifkonzert in Tränen ausgebrochen. Die Mannschaft hat ihn wieder aufgefangen - und ist auch deshalb enger zusammengerückt.
WM-Neuling Panama: "Davon haben wir immer geträumt"
Vielleicht wäre alles ganz anders gekommen, hätte Walter Lopez nicht, bei allem Respekt, Tomaten auf den Augen gehabt. Lopez, Schiedsrichter aus Guatemala, verhalf dem kleinen Panama am 10. Oktober 2017 zur ersten Qualifikation für eine WM-Endrunde, weil er einen Treffer gesehen haben wollte, der tatsächlich keiner war. Gut, seine Assistenten widersprachen auch nicht, als er ein "Phantomtor" anerkannte.
Die krasse Fehlentscheidung resultierte im Ausgleich zum 1:1 von Panama im letzten Qualifikationsspiel gegen Costa Rica, es lief die 53. Minute. Zwei Minuten vor dem Anpfiff erzielte Ramon Torres, der bis dahin nie als Torjäger aufgefallene Innenverteidiger, dann mit einem Volleyschuss das entscheidende 2:1. Gegen den "Treffer" von Blaz Perez, von dessen Brust der Ball abgeprallt und am Tor vorbeigekullert war, wurde nie Protest eingelegt.
Für Juan Carlos Varela war die Sache eh klar. Noch in der Nacht nach dem Spiel unterzeichnete der Staatspräsident von Panama ein Dekret, das den 11. Oktober zum Nationalfeiertag machte - er trug dabei den Trainingsanzug der Nationalmannschaft, die wahlweise "La Maera Roja" (Die Rote Flut) oder "Los Canaleros" in Anspielung auf den Panama-Kanal genannt wird. So macht man sich beliebt bei vier Millionen Panamaern.
Auch Kevin Kuranyi ließ all das nicht kalt, verständlicherweise. Der in Brasilien geborene ehemalige Nationalspieler ist schließlich Sohn einer Panamaerin. "Das ist sensationell", sagte er dem SID, er habe "die gesamte Qualifikation mitgefiebert" und freue sich "riesig, dass es die Jungs geschafft haben." Er habe, ergänzte er, noch Verwandte in Panama und sei dort auch regelmäßig zu Besuch, "deshalb weiß ich, was die Qualifikation für die Menschen dort bedeutet."
Es wird in der Tat etwas Besonderes sein. "Es wird uns so glücklich machen, unsere Nationalhymne bei der WM zu hören", glaubt Julio Cesar Dely Valdes. Der 50-Jährige ist der wohl beste Fußballer, den Panama hervorbebracht hat, er ist "Fußballer des Jahrhunderts", hat in Italien, Frankreich (Paris St. Germain) und Spanien gespielt, außerdem 87-mal für sein Land (45). Seine Nachfolger haben es so weit noch nicht gebracht, aber das soll noch werden.
"Wir haben endlich erreicht, wovon wir immer geträumt haben", sagt Dely Valdes. Panamas U20 hatte es immerhin fünfmal seit 2003 zu einer WM-Endrunde geschafft, doch die Versprechen, die daraus resultierten, erfüllten sich bislang nicht. Die größten Erfolge waren zwei zweite Plätze (2005/2013) und ein dritter (2015) Platz beim Gold Cup (Nord- und Mittelamerika-Meisterschaft) und 2009 der Sieg bei der unbedeutenden Zentralamerika-Meisterschaft.
Siegtorschütze Roman Torres wurde nach seiner heroischen Tat gleich als Ehrengast zum offiziellen Unabhängigkeitstag am 3. November eingeladen, durfte er die Nationalflagge bei der Abnahme der traditionellen Parade schwenken. "Es war die Arbeit einer Familie", sagte er, "ich bin ein einfacher Mensch. Und jetzt bin ich auch ein Beispiel für die Jugend. Viele Kinder tragen mein Trikot. Das macht mich stolz."
Torres spielt bei den Seattle Sounders in den USA - einige seiner Mannschaftskollegen sind in der Major League Soccer (MLS) beschäftigt, die anderen in Kolumbien, Argentinien oder Panama. Trainer ist Hernan Dario Gomez, "El Bolillo" (der Kegel) früher Assistent von Francisco Maturana bei Kolumbiens guter WM 1990 (Achtelfinale), danach selbst Chefcoach, zweimal in Kolumbien, dazu in Ecuador und Guatemala. Panama trainiert er seit Februar 2014.
Fußball ist in Panama nach wie vor nur Sportart Nummer zwei hinter Baseball - aber das soll sich nun ändern. "Es gibt noch viel zu tun", weiß Dely Valdes, "aber was wir jetzt zuerst machen müssen, ist: genießen."
Nach 20 Jahren: Marokko mit Bayern-Flop und "weißem Zauberer" wieder bei der WM
Nach dem Ende der fast 20-jährigen Leidenszeit konnte auch Marokkos König seine Freude nicht zurückhalten. Noch als die Fußballer des Wüstenstaats auf dem Platz ausgelassen die WM-Qualifikation feierten, griff Mohammed VI. zum Telefon und beglückwünschte Nationaltrainer Herve Renard sowie Kapitän Medhi Benatia persönlich. Erstmals seit 1998 spielen die "Löwen vom Atlas" im kommenden Sommer wieder im Konzert der Großen mit und versetzen ein ganzes Land in Freudentaumel.
Während Zehntausende Menschen auf den Straßen von Rabat, Casablanca und Marrakesch tanzten und ihre Helden besangen, erklärte Abwehrchef Benatia im fernen Abidjan die Gemütslage der Nation. "Wir mussten die WM 20 Jahre lang am Fernseher schauen. Aber jetzt sind wir wieder dabei, und darauf können wir wirklich stolz sein", frohlockte er nach dem entscheidenden 2:0 bei der Elfenbeinküste.
Dieser Mann mit Freudentränen in den Augen ist jener Medhi Benatia, der einst bei Bayern München nach zweijährigem Missverständnis als Flop abgestempelt und 2016 an Juventus Turin abgegeben wurde. In Marokkos Nationalteam ist er hingegen unumstrittener Führungsspieler und Star der Mannschaft. Als "wundervollsten Moment" seiner Karriere beschrieb er daher die Qualifikation für Russland.
Der Anteil des 30-Jährigen an der fünften WM-Teilnahme der Nordafrikaner ist immens. Rund um Benatia hat Nationaltrainer Renard ein Defensivbollwerk errichtet, ohne ein einziges Gegentor marschierte Marokko durch die sechs Spiele seiner Qualifikationsgruppe. "Medhi ist der Kapitän, mein Vertrauter, das Vorbild der Spieler und der Trainer auf dem Feld", lobte der Coach daher seinen Abwehrchef auf dem Portal Le 360 Sport überschwänglich.
Vater des Erfolgs ist aber Renard - wie schon so oft auf dem schwarzen Kontinent. Sowohl mit Außenseiter Sambia (2012) als auch mit der Elfenbeinküste (2015) gewann er die Afrikameisterschaft. Aufgrund seiner Vorliebe für weiße italienische Designerhemden brachte ihm dies gar den Beinamen "weißer Zauberer" ein.
Auch im Königreich Marokko wirkte die Magie des Franzosen schnell. Binnen kürzester Zeit nach seinem Amtsantritt im Februar 2016 gelang es dem 49-Jährigen, aus einer Mannschaft von technisch versierten Individualisten eine verschworene Gemeinschaft mit defensiver Disziplin und gnadenlosem Pressing zu formen.
Zu diesem Team gehört seit Kurzem auch Amine Harit von Schalke 04. Nachdem der nahe Paris geborene Spielmacher die Junioren-Nationalmannschaften Frankreichs von der U18 bis zur U21 durchlaufen hatte, entschied er sich im September dieses Jahres für das Heimatland seiner Eltern.
Sein Wunschgegner bei der WM? Natürlich Frankreich. "Sie haben eines der besten Teams der Welt. Aber wir in Marokko haben auch eine sehr gute Mannschaft mit jungen, talentierten Spielern", sagte Harit und drückte das neue marokkanische Selbstbewusstsein aus: "Daher können wir auch gegen sie etwas erreichen."
Ganz Marokko fiebert dem Highlight in Russland entgegen - die bisherige Begeisterung im Land soll dabei nur das Aufwärmprogramm sein. So kündigte Kapitän Benatia bereits an: "In sechs Monaten wird es eine unglaubliche Party in Marokko geben. Denn es ist ein Land, das Fußball lebt."
Frankreich träumt mindestens vom Halbfinale
Der Horizont ist wieder blau. Die Bilanz von Frankreichs Fußball-Nationalmannschaft 2017 verzeichnet acht Siege, zwei Unentschieden (darunter ein peinliches 0:0 gegen Luxemburg) und eine Niederlage (0:2 im Länderspiel gegen Spanien). Vor allem das von den Fans der Equipe tricolore wie ein Sieg gefühlte 2:2 im November in Köln gegen Deutschland katapultierte den Vize-Europameister in den Kreis der Anwärter auf eine Halbfinal-Teilnahme bei der WM in Russland. Was da an Schnelligkeit und technischer Präzision zu sehen war, nötigte auch dem neutralen Beobachter Hochachtung ab.
Beim Anpfiff in Köln waren sieben Franzosen 24 Jahre alt oder jünger, und so hat Trainer Didier Deschamps - seit Juli 2012 im Amt - wie sein Pendant Joachim Löw die Qual der Wahl unter rund drei Dutzend Spielern, wenn er im Mai den WM-Kader nominieren muss. Deschamps stöhnte schon: "Die nachrückenden Spieler machen es mir nicht einfacher."
Zu denen gehört vor allem der erst 18-jährige Kylian Mbappe, der im Sommer den Lockrufen aus Spanien und England widerstand und für schlappe 180 Millionen Euro von Monaco nach Paris wechselte - die Ablöse wird aber erst im kommenden Jahr fällig ...
Frankreich jubelte: Endlich ein Franzose im Land gehalten! Das geschätzte Monatsgehalt von 1,5 Millionen Euro (plus Bildrechte) regen da niemanden auf. Der Stürmer ist pfeilschnell, seine Stärken sind Rhythmuswechsel und präzise Flanken.
Überhaupt ist die Offensive wieder einmal das Trumpf-Ass der Franzosen. Als Mittelstürmer hat Antoine Griezmann (Atletico Madrid, 26 Jahre, 49 Länderspiele, 19 Tore) beste Karten, während Karim Benzema (Real Madrid, 29/81/27), obgleich juristisch nicht verurteilt, nach seinem Sextape-Erpressungsversuch gegenüber einem Mitspieler bei Trainer Deschamps in Ungnade gefallen ist.
In den Vordergrund gespielt hat sich als kluger Passgeber und intelligenter Spieleröffner auch Bayern-Profi Corentin Tolisso (23/5 /0) während Vereinskollege Kingsley Coman (21/15/1)in der Nationalmannschaft noch seinen Platz sucht.
Im Tor hat Hugo Loris (Tottenham, 30/94/0) seinen Stammplatz so sicher wie Manuel Neuer in Deutschland. In der Abwehr zählt Frankreich vor allem auf die Verteidiger Raphael Varane (Real Madrid, 24/40/2) und Samuel Umtiti (FC Barcelona 24/14/1).
Eins jedenfalls steht fest: Mit Knysna, als bei der WM 2010 in Südafrika ein Training boykottiert wurde und die Spieler nicht aus dem Bus ausstiegen, haben Les Bleus von heute nichts mehr zu tun. Die Spieler sind andere, haben eine andere Mentalität, und die Fans haben verziehen.
Dopingfall Guerrero, Umweg Playoff: Peru leidet sich zur WM
Totgesagte leben länger: Als jeder Peru nach zehn Eliminatorias-Runden mit gerade einmal acht Punkten auf der Habenseite abgeschrieben hatte, scharte der "Krieger" Paolo Guerrero seine Mitkämpfer um sich und erklomm heroisch noch Rang fünf in der südamerikanischen WM-Qualifikation. Doch dann folgte der Dopingschock und die 30-Tage-Suspendierung des Ex-Bundesliga-Stars.
Immerhin: Auch ohne den gesperrten 33-Jährigen machten die Blanquirrojas, die Weiß-Roten, anschließend in den Kontinental-Playoffs gegen Neuseeland auch noch den letzten Schritt. Und wollen nun nach 36 Jahren Turnier-Abstinenz in Russland ein Wörtchen mitreden.
Guerrero, der einst für Bayern München und den Hamburger SV auf Torejagd ging, kämpfte derweil um seine Reputation. Eine Urinprobe am 5. Oktober nach dem Eliminatorias-Spiel in Argentinien (0:0) hatte ein "von der Norm abweichendes Analyseergebnis" auf ein verbotenes Stimulanz ergeben. Der Stürmer des brasilianischen Erstligisten CR Flamengo verteidigte sich: unwissentliche Einnahme, zu geringer Wert.
Gegen die Kiwis sprang ein alter Bekannter aus Bundesliga-Zeiten in die Bresche. Jefferson Farfan stieß nach dem 0:0 in Ozeanien mit seinem Führungstreffer beim 2:0 in Lima die Pforte zur WM weit auf. Vom "wichtigsten Tor meiner Karriere" hatte der 33 Jahre alte Ex-Schalker, der heute bei Lokomotive Moskau spielt, in der Nacht zuvor geträumt.
Im fernen Köln jubelte Perus Idol Claudio Pizarro und twitterte: "Endlich haben wir das Ziel erreicht, auf das wir so lange hingearbeitet haben." Der 39-Jährige hofft nun auf eine tolle Bundesliga-Rückrunde mit dem FC und Tore, um noch auf den WM-Zug aufzuspringen.
Das Anden-Team, schon 1930 bei der Premiere dabei, war zuletzt 1982 in Spanien am Start, als die Vorrunde nach einem 1:5 gegen Polen Endstation war. Es war das einzige Spiel der Gruppe mit dem späteren Weltmeister Italien und Kamerun, das nicht Remis endete. Und das einzige WM-Turnier, bei dem Teofilo Cubillas nicht traf.
Zuvor erzielte Perus lebende Fußball-Legende 1970 und 1978 zehn Tore, eines davon in Mexiko beim 1:3 in der Vorrunde gegen Deutschland. Am Ende sprang immerhin noch das Viertelfinale (2:4 gegen den späteren Champion Brasilien) raus. Acht Jahre später ging es ebenfalls in die zweite Finalrunde, die mit dem 0:6 gegen Argentinien aber skandalös endete.
Ihrer fünften Teilnahme kamen die Peruaner bei den Eliminatorias zur WM 1986 am nächsten, als sie im letzten Gruppenspiel neun Minuten vor Ende 2:1 gegen Argentinien vorne lagen, ehe ein gewisser Ricardo Gareca den Ausgleich erzielte und Diego Maradona stattdessen zur WM nach Mexiko schoss.
Seit März 2015 sitzt jener Gareca nun bei Peru auf der Trainerbank, schrammte auf der Suche nach der idealen Mischung aus Jung und Alt haarscharf am K.o. vorbei, bekam dann aber 2017 ohne Niederlage (6 Siege, 4 Remis in Pflicht- und Testspielen) noch die Kurve.
"Peru, equipo magico, goles fantasticos, es mi Peru", magisches Team, fantastische Tore, singen seitdem die Fans. Auf die Melodie des Gassenhauers "Moskau" der deutschen Popgrupp Dschinghis Khan. Ein Hit, der aus der Zeit stammt, als Peru zuletzt bei einer WM-Endrunde war.
"Jeder ist besser als wir": WM-Underdog Südkorea hofft auf Jogi-Double
Bräuchte Joachim Löw ein Double für den asiatischen Markt, Shin Tae-Yong würde auch ohne Casting engagiert. Das ebenholzfarbene Haar, die leichten Furchen im Gesicht: Die Ähnlichkeit zwischen dem Nationaltrainer Südkoreas und dem deutschen Weltmeister-Macher sind verblüffend. Doch das war es auch fast schon mit den Gemeinsamkeiten. Während Löw bei der WM in Russland mit Deutschland zu den absoluten Titel-Favoriten gehört, kämpft Shin bei den Asiaten um deren fußballerische Identität.
"Wir müssen beweisen, dass der südkoreanische Fußball nicht tot ist. Ich versuche, ein Team zusammenzustellen, das dies hinbekommt", sagte Shin. So lange hat der 48-Jährige noch gar nicht das Sagen. Erst im Juni hatte sein deutscher Vorgänger Ulli Stielike gehen müssen. Die WM-Teilnahme war nach Qualifikations-Pleiten im Iran, China und Katar (!) stark gefährdet.
Mit Ach und Krach (zweimal 0:0 gegen den Iran und Usbekistan) hievte Shin die Mannschaft noch auf Rang zwei ihrer Gruppe. Das direkte WM-Ticket war gesichert. Zum neunten Mal in Folge; seit 1986 war Südkorea immer dabei. Doch mit einem Überraschungscoup wie 2002, als bei der Heim-WM sensationell Platz vier rausgesprungen war, kann nicht gerechnet werden. Das Team ist 59. der Weltrangliste - und dort gehört es auch hin.
"Jede Mannschaft bei der WM ist stärker als wir", sagte Kapitän Ki Sung-Yong von Swansea City. Tatsächlich mangelt es den Südkoreanern an Klasse. Doch Shin gibt sich kämpferisch: "Wenn wir nicht mit Talent mithalten können, müssen wir unsere Gegner kaputtarbeiten."
Ex-Bundesliga-Profi Heung-Min Son von Tottenham Hotspur ist der unangefochtene Star der Taeguk Warriors, wie die Mannschaft daheim genannt wird. "Son könnte in einem System mit zwei Stürmern spielen und mit seinen Fähigkeiten die gegnerische Abwehr auseinandernehmen", sagte Shin. Unterstützung bekommt Son dabei von den Augsburgern Ja-Cheol Koo und Dong-Won Ji.
Und obwohl nicht zum Besten gehört, was in Russland für Südkorea über den Rasen rennen wird: Shin ist für seine Spieler voll des Lobes: "Ich denke, das ist die beste Mannschaft, die ich bisher als Trainer betreut habe". Generell steht für den Trainer die Entwicklung seiner Mannschaft im Vordergrund. "Wir sind nicht die Besten der Welt, aber müssen zeigen, dass wir Schritt für Schritt besser werden können", sagte Shin.
Diesen Satz hatte bestimmt auch Joachim Löw zu Beginn seiner Ära gesagt.
"Warum nicht?": Costa Rica hofft auf neues WM-Märchen
Die wundersame Reise der Ticos durch Brasilien ist unvergessen, aber sie soll keine Einmaligkeit bleiben. Wie bei der Fußball-WM vor bald vier Jahren, will Costa Rica auch 2018 in Russland für Furore sorgen. "Unser Ziel muss es sein, das gleiche Niveau wie in Brasilien zu erreichen. Und wenn es mehr wird, warum nicht?", sagt Trainer Oscar Ramirez sehr selbstbewusst.
Der 52-Jährige war 1990 bei der ersten WM-Teilnahme der Ticos als Spieler dabei und trägt nun erstmals als Coach die Verantwortung. Aber ob seine Mannschaft tatsächlich die Qualität für eine nochmalige Viertelfinal-Teilnahme besitzt, darf bezweifelt werden. Die jüngsten Tests sorgten jedenfalls für Ernüchterung. Beim 0:5 gegen Spanien gelang so gut wie nichts, beim 0:1 gegen Ungarn kaum mehr.
Verbandspräsident Rodolfo Villalobos hofft allerdings auf einen positiven Effekt und sieht die Pleiten als Wachrüttler. "In wenigen Wochen werden wir für diese schmerzhaften Niederlagen dankbar sein, denn sie haben uns aus der Komfortzone geholt", sagte er. Zudem hatten die Ticos zwei ihrer Schlüsselspieler nicht zur Verfügung: Torwart Keylor Navas (30) und Kapitän Bryan Ruiz (32).
In Brasilien waren Navas und Ruiz die Hauptfiguren auf dem Weg durch die Gruppenphase, als England und Italien gegen die Lateinamerikaner strauchelten, und in den K.o.-Duellen gegen Griechenland und die Niederlande. Letztlich scheiterte "Europa-Schreck" Costa Rica im Viertelfinale gegen Oranje erst im Elfmeterschießen auch durch den Torhüter-Wechseltrick Louis van Gaals.
Ruiz weiß aber genau, dass diese traumhaften Wochen bei der insgesamt fünften WM-Teilnahme kaum zu wiederholen sind. "Wir können nicht sagen, dass wir es besser machen. Denn in Brasilien haben wir Unglaubliches geleistet", sagt der Spielmacher, der bei Sporting Lissabon nicht zum Zug kommt und zeitweise sogar vom Trainingsbetrieb ausgeschlossen war.
Auch Nationalheld Navas, mit Real Madrid zweimaliger Champions-League-Sieger, ist bei den Königlichen nicht mehr unantastbar. Aber es ist deswegen nicht ausgeschlossen, dass er in eine Verfassung wie damals kommt, als Navas sich für die europäischen Großklubs empfahl. "Wenn einem eine kostbare Ming-Vase aus dem Fenster des zehnten Stocks fällt", schrieb die spanische Sportzeitung AS damals, "dann wünscht man sich unten auf der Straße Keylor Navas."
Costa Rica erlebte im der WM-Qualifikation des Kontinentalverbandes CONCACAF ein Auf und Ab, die wechselhaften Leistung reichten aber für Rang zwei und das direkte WM-Ticket. Nun werden die Ticos "sehr, sehr hart" (Ruiz) dafür arbeiten, ihren Landsleuten wieder unvergessene Erlebnisse zu schenken.
Als 2014 die WM-Euphorie ihren Höhepunkt erreicht hatte, gingen in der Hauptstadt San Jose die Männer im Trikot der "Ticos" ins Büro, Mütter schminkten ihren Kindern die Nationalflagge ins Gesicht - selbst die Bäume in den Straßen wurden rot-weiß-blau bemalt. "Es ist wie im Märchen", schrieben die Zeitungen. Mit der Kraft ihres Lebensmottos Pura Vida - dem puren Leben soll dieses Märchen weitererzählt werden.
Serbiens Fußball feiert bei WM Wiederauferstehung
Für Serbiens Fußball kommt die Teilnahme an der WM-Endrunde 2018 in Russland einer Wiederauferstehung gleich. Nach dem Vorrunden-Aus beim WM-Turnier vor acht Jahren in Südafrika trotz eines beachtlichen 1:0-Sieges gegen Deutschland war der Balkan-Staat bei allen folgenden Großereignissen (EM 2012, WM 2014 und EM 2016) immer nur Zaungast.
Die Zuschauerrolle bei den Elitetreffen kam nicht von ungefähr. Denn die politischen Probleme im ehemaligen Jugoslawien seit der Auflösung des Vielvölkergebildes Mitte der 1990er Jahre bis hin zur 2006 ausgerufenen Eigenständigkeit des einst größten Teilstaates haben Auswirkungen auch auf den Fußball und spiegeln die gesellschaftlichen Schwierigkeiten wider.
Bis heute ist der Fußball in Serbien denn auch immer auch ein Vehikel politischer Machtkämpfe - angeblich bis hinauf zu Staatspräsident Aleksandar Vucic. Aus dem Sozialismus bestehen gebliebene Strukturen mit häufig mafiösen Zügen in Verbands- und Vereinsspitzen sowie nicht selten rassistisch-nationalistischen Tendenzen in der Fan-Szene lähmen die Entwicklung. Der Sport ächzt unter rückläufigen Zuschauerzahlen, Ausschreitungen und immer wieder auch Manipulationen von Spielen.
Die massive Einflussnahme von außen trat erst zuletzt sogar nach der erfolgreichen Qualifikation für Russland wieder zu Tage: Nach dem Gruppensieg in der europäischen Ausscheidungsgruppe D vor Irland, Wales, Österreich, Georgien und Moldau warf Erfolgstrainer Slavoljub Muslin entgegen der offiziellen Darstellung die Brocken aus Verärgerung über Vorgaben "von oben" für die Zusammenstellung seines WM-Kaders selbst hin.
Wer in Russland auf Serbiens Bank sitzen wird, ist derzeit nicht abzusehen. Nach Muslins Demission übernahm sein bisheriger Assistent Mladen Krstajic interimsweise für die letzten WM-Vorbereitungsländerspiele des Jahres (2:0 in China und 1:1 bei WM-Teilnehmer Südkorea) die Verantwortung. Doch ob der frühere Bundesliga-Profi von Werder Bremen und Schalke 04 auch dauerhaft die Chefrolle übernimmt, darf durchaus bezweifelt werden.
Möglicherweise bessere Chancen auf den Russland-Trip mit Serbiens WM-Tross als Krstajic dürfen sich mehrere Bundesliga-Legionäre ausrechnen. Die Mittelfeldspieler Filip Kostic (Hamburger SV) und Mijat Gaciniovic (Eintracht Frankfurt) sowie Verteidiger Matija Nastasic (Schalke) gehören in jedem Fall zum erweiterten Kreis der Kandidaten.
In Russland kann Serbien in der Tradition von Jugoslawiens durchaus auf eine beachtliche Fußball-Vergangenheit zurückblicken. Schon bei der WM-Premiere 1930 in Uruguay kam das damalige Königreich auf Anhieb bis ins Halbfinale, ebenso 1962 in Chile. Beim EM-Turnieren stand Jugoslawien 1960 und 1968 im Finale, und bei Olympischen Spielen gewannen die Staatsamateure 1960 in Rom nach zuvor dreimal Silber in Folge sogar die Goldmedaille, ehe 1980 erneut der Einzug ins Halbfinale und vier Jahre später nochmals der Sprung ins Endspiel gelangen.
Auf Vereinsebene liegt der letzte große Erfolg eines serbischen Klubs schon über ein Vierteljahrhundert zurück. 1991 gewann Roter Stern Belgrad die letzte Austragung des Champions-League-Vorläufers Europapokal der Landesmeister. Mit modernem Fußball düpierte das mit Stars wie Darko Pancev oder Sinisa Mihajlovic gespickte Balkan-Team die Konkurrenz des gesamten Kontinents.
Die entsprechend aufgekommenen Träume vom Triumph für Jugoslawiens "goldene Generation" bei der EM ein Jahr später in Schweden platzten jedoch jäh: Wegen des inzwischen ausgebrochenen Bürgerkrieges wurde Jugoslawien vom Turnier ausgeschlossen. Seither ist keine Mannschaft aus dem heutigen Serbien mehr qualitativ so hoch eingeschätzt worden.
Kroatien liebäugelt mit K.o.-Runde - Hoffnungsträger Dalic
Trainer Zlatko Dalic übernahm seinen Job erst kurz vor Ende der WM-Qualifikation, Verbandsboss Davor Suker steht stark unter Beschuss: In Kroatiens Fußball-Verband (HNS) ging es zuletzt turbulent zu. Dennoch lösten die Kockasti ("Die Karierten") über den Umweg Playoffs das WM-Ticket für Russland und wollen dort über die Gruppenphase hinaus eine gute Rolle spielen.
"Ich bin stolz auf das, was wir in den vergangenen drei Spielen erreicht haben, denn die Qualifikation für die WM ist wichtig für den gesamten kroatischen Fußball", sagte Dalic nach den erfolgreichen Playoffs gegen Griechenland unter Trainer Michael Skibbe (0:0/4:1). Kurz darauf wurde der frühere Profi vom Interimscoach zum Cheftrainer befördert und erhielt einen Vertrag bis nach der EURO 2020.
Erst zwei Tage vor dem letzten Gruppenspiel hatte der 51 Jahre alte Dalic die Nachfolge des glücklosen Ante Cacic angetreten und gewann prompt in der Ukraine mit 2:0. Cacic hatte zuvor durch Niederlagen in Island, in der Türkei und zu Hause gegen die Ukraine die fünfte WM-Teilnahme des noch jungen Landes gehörig in Gefahr gebracht.
Die Erfolge von Dalic überraschten ein wenig, zumal der frühere defensive Mittelfeldspieler zuvor nicht als großer Trainer in Erscheinung getreten war. Von 2006 bis 2011 betreute er als Assistent die kroatischen U21, im Anschluss arbeitete er im arabischen Raum.
Doch schon bei seinem ersten Auftritt in der Ukraine bewies Dalic ein glückliches Händchen und beorderte Andrej Kramaric in die Startelf. Der Mittelfeldspieler von 1899 Hoffenheim erzielte beim 2:0-Triumph beide Tore und führte sein Land doch noch in die Playoffs.
Kopf der Mannschaft ist Luka Modric. "El Pony" hat mit Real Madrid alles gewonnen, was es als Vereinsspieler zu gewinnen gibt und zählt zu den besten zentralen Mittelfeldspielern der Welt. Auch Ivan Rakitic (FC Barcelona), Mario Mandzukic (Juventus Turin) und Ivan Perisic (Inter Mailand) sind international gestandene Top-Spieler.
Aktuell steht das Star-Ensemble vom Balkan auf Platz 17 der Weltrangliste. Bei der letzten WM scheiterte die stolze Fußball-Nation unter dem heutigen Coach von Eintracht Frankfurt, Niko Kovac, unglücklich in der Gruppenphase. Das soll sich in Russland auf keinen Fall wiederholen.
Noch immer ist Platz drei 1998 in Frankreich bei einer WM-Endrunde der größte Erfolg der Osteuropäer. Damals erzielte der spätere WM-Torschützenkönig Davor Suker im Viertelfinale den Treffer zum 3:0-Endstand gegen ein aus allen Wolken fallendes DFB-Team, das unter Bundestrainer Berti Vogts auf ganzer Linie enttäuschte.
Suker ist mittlerweile seit 2012 Verbandspräsident. Besonders populär ist der frühere Star von Real Madrid allerdings nicht und muss um seine Wiederwahl fürchten. Mit dem früheren Nationalspieler Dario Simic ist ihm ein gefährlichen Gegenkandidat erwachsen. Suker ließ jüngst die Wahlen überraschend um ein halbes Jahr auf Dezember 2017 vorziehen. Warum, weiß keiner so genau. Ob es hilft, wird man sehen.